Inzwischen geht es um Landes- und Bündnisverteidigung

  • Ein Hubschrauber der Bundeswehr vom Typ NH-90 startet. Foto: Boris Roessler/dpa
  • Eine frühere, gemeinsam mit den Amerikanern durchgeführte Übung in Hohenlohe. Foto: U.S. Army / Gertrud Zach

Bundeswehr In Blaufelden und Schrozberg trainieren 80 Soldaten aus Niederstetten für den Ernstfall. Warum sich die Manöver derzeit grundlegend verändern.

Lärmende Militärhubschrauber über den Feldern, Bundeswehr-Fahrzeuge auf unwegsamem Gelände der Blaufeldener und Schrozberger Gemarkung, getarnte Soldaten in Wald und Flur: Ja, ist denn schon Krieg? Nein. Und das soll auch so bleiben. Nach vielen Jahren, in denen Krieg kaum Thema war, schon gar nicht in der eigenen Nachbarschaft, kann all das ziemlich verstörend wirken. In der vergangenen Woche hat die Bundeswehr bei Blaufelden und Schrozberg geübt. Rund 80 Soldatinnen und Soldaten des Transporthubschrauberregiments 30 aus Niederstetten waren im Einsatz – unterstützt von zwei Transporthubschraubern des Typs NH90 und mehreren Radfahrzeugen.

Orientierungsmarsch, Übungen

„Die Soldatinnen und Soldaten müssen regelmäßig auch außerhalb der Übungsplätze und Kasernen trainieren, um ihr Können unter wechselnden Bedingungen anwenden oder vertiefen zu können“, sagt Oberstleutnant Kieron Kleinert, Pressesprecher der Bundeswehr, und bezieht sich dabei auf Gelände, Wetter und Infrastruktur gleichermaßen. Ziel solcher Übungen sei es, „Handlungssicherheit bei militärischen Fähigkeiten“ zu festigen.

Konkret trainierte die Einheit nach Bundeswehrangaben unter anderem einen Orientierungsmarsch in einen Übungsraum, in dem dann verschiedene Ausbildungsinhalte zum „Leben im Felde“ auf dem Programm standen. Die Hubschrauber dienten dabei dem Training des Lufttransports von Soldaten. „Alle Ausbildungsinhalte gehören zum militärischen Grundlagenwissen und werden regelmäßig geübt“, so Kleinert.

Hybride Kriegsführung im Blick

Die inhaltliche Ausrichtung der Manöver habe sich in den vergangenen Jahren grundlegend gewandelt. „Gab es vor 2022 eher an Erfordernissen von Auslandseinsätzen orientierte Übungen, steht nun die Landes- und Bündnisverteidigung gegen eine russische Bedrohung im Vordergrund“, so der Oberstleutnant. Auf die Bitte um weitere Informationen zur Übung ließ sich die Bundeswehr aus Sicherheitsgründen nicht ein: „Immer häufiger werden Übungen oder Kasernen ausgespäht. Das ist Teil der hybriden Kriegsführung Russlands gegen die NATO und damit auch gegen Deutschland.“ Kieron Kleinert bezieht sich hier auf eine Kombination aus konventionellen, irregulären und nicht-militärischen Methoden, die gezielt eingesetzt werden, um ein Land oder eine Gesellschaft zu destabilisieren, zu beeinflussen oder zu schwächen, ohne einen offenen Krieg zu führen. Aus öffentlichen Detailinformationen, so Kleinert, ließen sich Erkenntnisse gewinnen, „die uns schaden können“.

Blaufeldens Bürgermeister Michael Dieterich stellte sich klar hinter die Übung. Als Bürgermeister und ehemaligem Angehörigen der Bundeswehr sei ihm das wichtig. Er war selbst über zwanzig Jahre in der Truppe beziehungsweise in der Wehrverwaltung tätig.

„Kämpfen können und wollen, um nicht kämpfen zu müssen“ – dieses Zitat aus Zeiten des Kalten Krieges habe, so Dieterich, „seine Sinnhaftigkeit zu keiner Zeit verloren“. Übungen und Manöver seien daher unverzichtbar: „Manöver sind kein Relikt vergangener Zeiten, sondern essenzielle Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit unserer Streitkräfte.“

Die veränderte geopolitische Lage und die neue Bedrohungslage in Europa machten deutlich, dass nationale Sicherheit keine Selbstverständlichkeit sei; sie müsse erarbeitet, trainiert und verteidigt werden – jeden Tag aufs Neue. Dieterich verwies zugleich auf die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Zivilgesellschaft.

Die schnelle Anpassung an eine veränderte Bedrohungslage erfordere enge Verzahnung, und dabei seien die Kommunen und Landkreise mehr denn je gefordert. „Unsere Gesellschaft muss widerstandsfähig sein gegen Krisen und Bedrohungen jeder Art.“ Neben der Stärkung der Resilienz geht es ihm um gesellschaftlichen Zusammenhalt, Ausbau der Sicherheitsstrukturen – also um Infrastruktur, Logistik und Koordination zwischen zivilen und militärischen Stellen, die kontinuierlich weiterentwickelt werden müssten –, zudem um glaubwürdige Verteidigungsfähigkeit („wer verteidigungsbereit ist, wird seltener angegriffen“) und um die Anpassung rechtlicher Grundlagen an reale Anforderungen.

Die Bundeswehr sei Teil der Gesellschaft und verdiene Unterstützung. Dieterich dankte den Soldatinnen und Soldaten, die in der Region trainierten. „Ihr Einsatz, Ihre Professionalität und Ihr Engagement für unser Land verdienen höchste Anerkennung.“ Sein Dank galt aber auch Bürgerinnen und Bürger in Blaufelden und Schrozberg für ihr Verständnis und die Bereitschaft, mögliche Beeinträchtigungen während des Manövers hinzunehmen. „Diese Übungen sind notwendig – für uns alle.“

Immer häufiger werden Übungen oder Kasernen ausgespäht. Kieron Kleinert Bundeswehr-Sprecher

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