Bayern-Jäger Nummer eins
Fußball Niko Kovac hat Borussia Dortmund wieder in die Spur gebracht. Im Spitzenspiel der Bundesliga bei seinem Ex-Klub in München wird sich zeigen, ob es für hohe Ziele reicht.
Niko Kovac entschuldigte sich schmunzelnd. „Ich bin älter geworden gestern, da vergisst man schon mal was“, sagte der Trainer von Borussia Dortmund. Einen Tag nach seinem 54. Geburtstag hatte er nicht im ersten Anlauf auf eine Frage nach dem Gesundheitszustand von Serhou Guirassy geantwortet. Doch, der Starstürmer des BVB sei fit für das Gipfeltreffen beim FC Bayern, betonte er auf Nachfrage. Und auch Kovac selbst ist bereit für die Rückkehr nach München.
„Die Bayern sind Favorit, aber wir sind der Außenseiter, der dem Gegner wehtun möchte“, sagte der Coach vor dem Klassiker zwischen dem Tabellenführer und dem ersten Verfolger am Samstag (18.30 Uhr/Sky). Nach dem starken Start in die Saison reisen Kovac und der BVB selbstbewusst zum Rekordmeister: „Wenn man zu ängstlich agiert, geht das nicht gut. Wir müssen auch die Flucht nach vorne suchen.“
Mit Kovac ist beim BVB der Erfolg zurückgekehrt, trotz vier Punkten Rückstand auf die bislang perfekten Münchner rechnen sich die Dortmunder wieder etwas aus im lange Jahre eher einseitigen Duell. Dabei soll die wieder entdeckte Geschlossenheit entscheidend sein: „Wir müssen wie eine Faust sein, sie tut mehr weh als eine Schelle.“
Es gab durchaus Skepsis, als Kovac im Februar die Nachfolge des gefeuerten Nuri Şahin antrat. Vier Niederlagen in den ersten sechs Bundesligaspielen schienen die Kritiker zu bestätigen. Doch Sportchef Lars Ricken behielt trotz der Panik im Umfeld und in den Führungsgremien, die die Champions League entschwinden sahen, die Ruhe, verteidigte seine Verpflichtung vehement.
In 14 Spielen ungeschlagen
Und der Erfolg stellte sich ein. Seit dem 0:2 am 15. März in Leipzig ist der BVB in der Bundesliga in 14 Spielen ungeschlagen – bei elf Siegen. Das brachte nicht nur die erneute Qualifikation für die Königsklasse, sondern in der neuen Saison auch die Rolle als Bayern-Jäger Nummer eins.
„Rund um den BVB war es lange Zeit sehr unruhig. Und ich muss sagen: Niko hat sehr dazu beigetragen, dass es deutlich besser wurde“, sagte Ricken der Sport Bild. Das liege daran, „wie er die Mannschaft führt. Und wie er in der Öffentlichkeit auftritt.“
Gerade da haben Beobachter eine Veränderung des Kroaten festgestellt. Als er in München mit den Bayern 2019 das Double holte, fehlte ihm noch die Souveränität im Umgang mit den Medien, aber auch das Gespür für die Befindlichkeiten in der Kabine. Seine „Notnagel“-Aussage über Thomas Müller schlug damals hohe Wellen. Bei den Bayern hatte er es allerdings auch schwer, weil er einen Umbruch zum Ende der Ära von Arjen Robben und Franck Ribéry gestalten sollte.
In Dortmund tritt Kovac anders auf. Der gebürtige Berliner wirkt gelassener, reifer, findet immer ein freundliches Wort. „Ich habe mich als Trainer sicher weiterentwickelt, als Mensch natürlich auch“, sagte der gebürtige Berliner. Der „harte Hund“ ist nicht mehr so verbissen. Seine Autorität ist dadurch gewachsen. Die Klubführung honorierte es mit der vorzeitigen Vertragsverlängerung bis 2027. Und auch die Spieler zahlen es zurück: Sie folgen seinem Credo, selbst Karim Adeyemi, der immer als Bruder Leichtfuß galt, arbeitet fleißig in der Defensive mit.
Ob mit all dem wieder ein echter Bayern-Konkurrent erwachsen ist, wird sich am Samstag zeigen. Dafür müsste Kovac aber sein eigenes Bayern-Trauma überwinden: Bislang hat er als Trainer nicht ein einziges Bundesliga-Spiel gegen die Münchner gewonnen.
Der Bundesliga-Gipfel ist Chance und Gefahr. Er birgt endlich wieder jede Menge Spannung. Für die Liga – aber auch den wiedererstarkten BVB, der eine frühe Liga-Dominanz der Super-Bayern unbedingt verhindern will.
Gewinnen die Münchner auch ihr siebtes Ligaspiel, wäre der verlustpunktfreie Rekordmeister dem direkten Verfolger BVB schon satte sieben Zähler enteilt. Andererseits sieht der BVB die Chance, bis auf einen Punkt heranzukommen und die Liga spannend zu halten.
Ob die Dortmunder schon wieder auf Augenhöhe mit den Bayern sind, wird sich nun zeigen. „Unterschätzen werden sie uns sicher nicht“, meinte Kovac angesichts des Aufschwungs unter ihm. Nach der lange völlig verkorksten und am Ende durch Kovac geretteten Vorsaison hatte Dortmund satte 25 Punkte Rückstand auf den Meister aus München. In dieser Saison setzt sich nahtlos fort, was zuvor schon eingeleitet worden war: Unter Kovac punkten die Dortmunder mehr, kassieren weniger Tore, schießen selbst aber mehr. Mit dem Kroaten gewann Dortmund 65 Prozent aller Ligaspiele und holte dabei im Schnitt 2,1 Punkte pro Spiel – kein BVB-Trainer hat eine bessere Bilanz.