Reutlingen Das Dach eines Rathaus-Gebäudes ist so marode, dass die Erneuerung nicht bis zur Generalsanierung warten kann. Die Kosten: 6 Millionen Euro. Oberbürgermeister und Fraktionen müssen umziehen.
Die Bilder, die Kathrin Berger zeigt, lassen keine Zweifel zu: Die Stahlträger des Dachs des Reutlinger Rathauses sind von Korrosion und Rost ordentlich in Mitleidenschaft gezogen. Einige davon so sehr, dass sie die Last wohl keine sechs Jahre mehr tragen würden. Das erklären zwei beauftragte Statiker, wie Berger, Leiterin des städtischen Gebäudemanagements, betont. Dass das Stahlbetontragwerk noch ein paar Jahre durchhält, dafür lege keiner der beiden Statiker seine Hand ins Feuer – und deshalb wird die dringend notwendige Sanierung vorgezogen.
Betroffen ist das Dach des Gebäudeteils A, also der Anbau über dem Alexandre. Dort sind die Sitzungssäle, Fraktionszimmer und die Büros des Bürgermeisteramts. Dieses Dach ist mit 56 Abhängungen aus Stahl am außenliegenden Stahlbetontragwerk befestigt. In Vorbereitung auf die Generalsanierung des Rathauses wurden diese Abhängungen untersucht – und das Ergebnis war eine böse Überraschung. „Wir können mit der Sanierung nicht bis 2032 warten“, betonte Kathrin Berger am vergangenen Donnerstag im Gemeinderat. Die Sanierung wird vorgezogen und soll schon nächstes Jahr starten. Die Kosten: 5,8 Millionen Euro.
Alexandre bleibt geöffnet
Während der Sanierung, die im Oktober 2026 starten und ein Jahr dauern soll, müssen die Räume geräumt werden. Bedeutet: Oberbürgermeister Thomas Keck, seine Bürgermeisterkollegen und der Gemeinderat ziehen um. Während die Fraktionszimmer im Bauteil B unterkommen, steht für das Bürgermeisteramt noch nicht fest, wo Keck und Co. ihre Interim-Büros beziehen werden. Ebenfalls unklar ist, wo die Ausschuss- und Gemeinderatssitzungen stattfinden werden. Als Alternativen zu den Sitzungssälen kommen die Stadthalle, die Turn- und Festhallen der Bezirke sowie die Räume des Spitalhofs oder des Joli infrage.
Apropos Joli, beziehungsweise Alexandre: Das Restaurant im Erdgeschoss unter dem Rathaus-Anbau bleibt laut Berger während der Sanierung geöffnet. Auch der Marktbetrieb werde nicht allzu sehr von den Arbeiten beeinträchtigt. Lediglich für zwei Stände mussten andere Standorte gefunden werden, dies sei aber schon geregelt.
Die Gründe für die hohen Kosten
Berger betonte auf Nachfrage von CDU-Rat Maximilian Menton, dass die Sanierung weder teurer sei als in den Plänen zur Generalsanierung vorgesehen noch die Qualität sinke. „Es wird genau so saniert wie für 2032 vorgesehen, nur eben früher.“ Die 6 Millionen Euro kommen auch nicht „on top“, sondern sind in den Gesamtkosten der Rathaus-Sanierung enthalten.
Dass die Dachsanierung mit knapp sechs Millionen Euro kostspielig ist, erklärt sich aus den notwendigen Maßnahmen. Dachabdichtung, Dämmung, die Decken der Sitzungssäle, der Fraktionszimmer und des Foyers – alles muss entfernt werden. Zudem braucht es ein Überdach in Form eines Satteldachs, das die gesamte Dachfläche samt der Stahlbetonträger während der Sanierung vor Witterungseinflüssen schützt.
Für die statische Sicherung werden die Abhängungen aus Stahl verstärkt, beziehungsweise ersetzt und die Decke mittels Stahlplatten und Verschraubungen von unten daran befestigt. Danach werden die Unterdecken wieder montiert, das Dach neu gedämmt und abgedichtet. Um den Zustand der Abhängungen künftig regelmäßig kontrollieren zu können, werden Wartungsöffnungen vorgesehen.
Bei den Gemeinderäten sorgte diese negative Überraschung logischerweise für wenig Freude – und über den Beschluss diskutieren konnten sie eigentlich auch nicht. „Die vorgezogene Sanierung ist letztlich alternativlos. Besser wird das nicht, wenn wir warten“, sagte Georg Leitenberg von FWV.