Der Tod hinterlässt auch bei Tieren eine schmerzliche Lücke

  • Wenn ein geliebtes Haustier stirbt, ist das nicht nur für die Besitzer ein großer Verlust. Auch die hinterbliebenen Partnertiere leiden darunter. Foto: Georgina Derrant/epd

Münsingen Können und sollen Tiere Abschied von verstorbenen Menschen und Partnern nehmen? Ein Gespräch mit der Münsinger Tierärztin Jasmin Silbernagl.

Trauer ist kein rein menschliches Phänomen. Auch Tiere reagieren auf den Verlust eines Partners, an dessen Seite sie über Jahre hinweg gelebt haben, mit sichtbarer Traurigkeit, verändertem Verhalten oder Rückzug. Sie suchen, schnuppern oder warten und verstehen nicht, warum der Gefährte plötzlich fort ist. Zwar gehört der Tod zum Leben, dennoch sind wir in den seltensten Fällen darauf vorbereitet, weder als Mensch noch als Tier. Wie kann man seinem Haustier dabei helfen, Abschied zu nehmen? Und was geschieht, wenn nicht der vierbeinige oder gefiederte Freund, sondern Herrchen oder Frauchen selbst gehen? Wir haben uns mit Tierärztin Jasmin Silbernagl über dieses sensible Thema unterhalten.

Ein letztes Kuscheln zulassen

Die 38-Jährige bestätigt, dass auch Tiere darunter leiden, wenn ein vertrautes Leben erlischt. Auch sie müssen lernen, mit der plötzlichen Leere zurechtzukommen. Manche hören plötzlich auf zu fressen, andere verkriechen sich und brauchen Zeit, um zu begreifen, was sich verändert hat. Sie empfiehlt, dem hinterbliebenen Artgenossen die Möglichkeit zu geben, den verstorbenen Gefährten noch einmal wahrzunehmen. „Selbstverständlich aber nur dann, wenn das Partnertier nicht an einer infektiösen Krankheit verstorben ist. Sonst wäre das kontraproduktiv“, gibt sie zu bedenken. Und noch eine weitere Warnung gibt sie den Haltern an die Hand. Nämlich, das Tier dabei niemals unbeobachtet zu lassen.

Wenn sich ein Kaninchen oder ein Meerschweinchen an das tote Tier kuscheln möchten, sollte man dies zulassen. Dennoch muss man damit rechnen, dass solch eine Situation auch für ein Tier überfordernd sein kann. „Wenn es zu einem herschaut, sollte man sich dazu setzen, es streicheln und versuchen, mit sanfter Stimme zu ihm zu sprechen“, erklärt sie. Ob die Fellnasen wirklich begreifen, was passiert ist, bleibt unklar. Dabei gibt Silbernagl zu bedenken: „Verstehen wir es wirklich, wenn eine geliebte Person plötzlich nicht mehr da ist?“ Aus ihrer Erfahrung weiß sie jedoch, dass viele Hunde und Katzen Totenwache halten, auf oder neben ihren verstorbenen menschlichen Freunden liegen und trauern. Viele Hunde, die sich über Jahre an ihren Menschen gewöhnt hatten und eng mit diesen verbunden waren, lassen sich nicht mehr vermitteln und kommen „nie wieder wirklich woanders an“. In besonders schweren Fällen müssen sogar Psychopharmaka eingesetzt werden. Am wertvollsten ist es für Samtpfoten und andere kleine Freunde, wenn sie bei einem vertrauten Angehörigen bleiben dürfen.

Ein neuer Platz bei der Familie

So erinnert sie sich an eine Frau aus der Schweiz, die den Hund ihres verstorbenen Vaters adoptiert und dafür keine Mühen gescheut hat, die nötigen Papiere für den Grenzübergang zu beschaffen. „Tiere sind ein Stück Familie“, sagt Silbernagl, die seit Februar ihre Tierarztpraxis in Dottingen betreibt.

Auch vermitteln einige Tierheime gezielt ältere Tiere an ältere Einzelpersonen oder Paare. Das stellt für beide Parteien einen Mehrwert dar. Die Menschen müssen keinen großen Aufwand mehr auf sich nehmen, um einen Welpen stubenrein zu bekommen und die Tiere dürfen einen ruhigen Lebensabend verbringen und viel schlafen.

Vergesellschaftung mit Bedacht

Grundsätzlich rät Silbernagl immer dazu, Tiere im Doppelpack zu halten. „Alle Lebewesen wollen Gesellschaft“, berichtet sie. Doch nicht um jeden Preis. Zum einen rät sie dazu, dem Tier mindestens ein bis zwei Tage Zeit zu lassen, nachdem ein Partnertier gestorben ist. Und zum anderen: Wenn die Chemie nicht stimmt und die beiden sich nicht mögen, sollte man es besser lassen.

Denn auch Tiere spüren selbst am besten, wann eine Verbindung endet und wann eine neue beginnen darf.

Man sollte sich dazu setzen, das Tier streicheln und mit sanfter Stimme zu ihm sprechen. Jasmin Silbernagl Tierärztin

Verstehen wir es wirklich, wenn eine geliebte Person plötzlich nicht mehr da ist? Jasmin Silbernagl zum Thema Tod und Trauer

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