Bronnweiler Das Ehepaar hat beim Hauskauf ein Industriedenkmal gleich mit erworben und hält die über 100 Jahre alte Anlage am Laufen.
Fotovoltaik auf dem Dach oder kleines Kraftwerk am Balkon: Immer mehr in Deutschland produzieren selbst Strom. Das macht auch Familie Aichelin in Bronnweiler – allerdings mit einer ganz außergewöhnlichen Anlage: Sie hat vor vier Jahren ein Wasserkraftwerk gekauft. „Es ist ein schönes Gefühl, Energie zu erzeugen“, sagt Daniel Aichelin. Zumal die Familie damit auch noch Geld verdient.
Als die Aichelins auf der Suche nach einem Haus in Bronnweiler waren, stießen sie auf ein umgebautes Bauernhaus, zu dem das über 100 Jahre alte Wasserkraftwerk im tieferen Teil des Geländes gehört. „Bei der ersten Besichtigung war es um uns geschehen“, erinnert sich Kirchenmusikerin Julia Aichelin. Ihr Mann hat als Ingenieur bei der Grosselfinger Maschinenbau-Firma Rapid in den Verhandlungen auch klargemacht, dass er das Industriedenkmal weiterbetreiben will.
600 Kilowattstunden am Tag
Am 1. Januar 2022 zog die Familie im Wohnhaus ein – und das Abenteuer Wasserkraft begann. „Für die ersten Monate haben wir noch den vorherigen Betreiber angestellt“, sagt der gebürtige Bronnweiler Aichelin, der als Kind früher beim Wasserkraftwerk gespielt hat. Und nie gedacht hätte, dass ihm die Anlage mal gehören würde.
Über einen 300 Meter langen Kanal wird das Wasser aus der Wiesaz abgeleitet und zum Druckrohr geführt. In dem fließt das Wasser in einem moderaten Gefälle zum zehn Meter tieferliegenden Turbinenhaus. Dort können eine große und eine kleine Turbine angetrieben werden, die verbundenen Generatoren wandeln die Drehbewegung in Strom um. Das Wasser fließt aus den Turbinen durch weitere Rohre noch einmal fünf Meter in die Tiefe und zurück in die Wiesaz, die Saugwirkung erhöht die Leistung der Laufräder in den Turbinen.
Kommt viel Wasser über den Kanal zum Kraftwerk, können beide Turbinen gleichzeitig laufen und am Tag rund 600 Kilowattstunden Strom erzeugen. Im Schnitt kommen in einem Jahr 100.000 Kilowattstunden zusammen, damit können 15 bis 20 Haushalte versorgt werden. Einen Großteil der Energie speisen die Aichelins denn auch für 7,67 Cent pro Kilowattstunde ins Stromnetz ein.
Im Winter und Frühjahr, wenn die Wiesaz viel Wasser transportiert, kann die mittlerweile fünfköpfige Familie sich und den Haushalt seiner Eltern problemlos mit eigenem Strom versorgen – inklusive Saft fürs E-Auto. „Nur im Sommer kann es vorkommen, dass wir zukaufen müssen“, sagt Daniel Aichelin.
Dem Ingenieur, der an der Reutlinger Hochschule studiert hat, war immer wichtig, eigenen Strom zu erzeugen. „Wasserkraft läuft viel konstanter als Fotovoltaik-Anlagen, die nur bei Sonnenschein produzieren. Und dann oft in einer Menge, die gar nicht verbraucht werden kann“, verweist er auf den sogenannten Peak. Das Bronnweiler Kraftwerk liefert dagegen gleichmäßig Energie. „Wir können auch nachts unser E-Auto laden“, sagt Daniel Aichelin.
Die Anlage könne mit wenig Kapital betrieben werden, „für uns ist das fast kostendeckend inklusive der Abzahlung des Kraftwerks“, erklärt der Ingenieur. Dafür muss er aber viel technisches Verständnis mitbringen und jede Menge Arbeit investieren. Einmal am Tag geht er runter ins Turbinenhaus zur Kontrolle und für Routinewartungen. Einmal pro Jahr nimmt Daniel Aichelin die Turbinen auseinander, um sie zu entkalken.
Lob von der Bürgermeisterin
Denn der Kampf gegen den Kalk, der sich aus dem Wasser von der Alb in den Rohren und den Turbinen ablagert, ist das größte Problem beim Betrieb des Wasserkraftwerks. Auch der Kanal muss immer mal wieder mehrere Tage lang gereinigt werden. „Wenn etwas kaputtgeht, gibt es keine Ersatzteile. Da muss mein Mann schon was drauf haben und viel improvisieren“, meint Julia Aichelin anerkennend. Was die Familie allerdings machen wird, wenn mal eine größere Reparatur und damit eine hohe Investition fällig werden sollte, das können die Aichelins nicht sagen.
17 Kraftwerke haben früher entlang der Echaz die Energie des Wassers genutzt, heute sind es noch drei bis vier, sagt der Ingenieur. „Es ist toll, dass die Familie dieses Kraftwerk weiterbetreibt“, sagt Bronnweilers Bezirksbürgermeisterin Friedel Kehrer-Schreiber. „Wir sind stolz, dass wir das noch haben. Und erneuerbare Energie wird gebraucht.“
Am besten für die dafür notwendige Wasserzufuhr sei immer mal wieder ein langanhaltender Landregen, sagt Daniel Aichelin. „Seit wir das Kraftwerk haben, merken wir aber, wie wenig es bei uns eigentlich regnet“, meint seine Frau. Kann es für die beiden dann also nicht genug regnen? „Na ja“, sagt Julia Aichelin, „für uns gibt es jetzt einfach kein schlechtes Wetter mehr!“