Verkehr rollt rund um die Uhr

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, in Sachen Ansiedelung eines Verteilzentrums von Amazon in Hengen können Sie die Argumente dafür und dagegen wahrscheinlich schon auswendig. Ich will Ihnen nur die wiederholen, bei denen ich die Informationsquelle belegen kann und einige nennen, die in der Logik des Konzerns Amazon liegen.

Der Hoffnung auf 150 Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich steht die Absicht von Amazon entgegen, die Abläufe innerhalb des Verteilzentrums auf Dauer zu automatisieren. Wie von Amazon erläutert, kosten die Arbeitskräfte Geld. Auf Dauer mehr Geld als ein vollautomatisiertes Lager.

Die Ware wird mit 40-Tonnern zwischen 23 Uhr und 5 Uhr morgens angeliefert. „Dafür werden an normalen Tagen rund 200 bis 250 Vans für die Zustellung in der Region im Einsatz sein.“ (Quelle: Amazon-Informationsveranstaltung am 22. Oktober 2025 und Informationsbroschüre Bad Urach).

Deren „Wellen“, so Amazon betreffend der Vans, wogen zwischen 1.00 Uhr nachts gefolgt von zwei weiteren Wellen, deren Gipfel um 9.00 Uhr und dann um 13.00 Uhr liegen und eine letzte Woge schwappt zwischen 19.00 Uhr und 21.00 Uhr nach. Zwischendrin hat der Berufsverkehr Platz, um sich zu entfalten. Stellt man sich so einen Erholungsort vor?

Jene 40-Tonner werden nicht nur brav von Merklingen über Laichingen an Böhringen vorbei bis nach Hengen fahren. Auch von Stuttgart her werden sich über die B28, Burgstraße, Ampel 1, Ampel 2, Ampel 3, Ampel 4, Ampel 5 und dann noch die vom Friedhof, die Ulmer Steige hoch, jene Gefährte bewegen, die auf der Hanner Steige, auf der Sirchinger Steige dafür gesorgt haben, dass sich der Hang gesenkt hat (Was kostet die Sanierung? Ja, also auf jeden Fall gute Nerven).

Nun denn, ein bisschen mehr an Staub, Abgas, Reifenabrieb, Stau, Gefahr, Tatü-Tata und Geduld muss man für 3 Millionen Einnahmen eben hinnehmen. Es bleiben ja nach der Erschließung des Gewerbegebiets Rübteile für 2,5 Millionen Euro immer noch 500.000 Euro übrig. Die Freie Wählervereinigung kommt auf Seite 7 sogar auf 2,3 Millionen Euro Erschließungskosten und folglich 700.000 Euro, die wahrscheinlich zur anfälligen Straßensanierung gerade so reichen könnten.

Natürlich sehe ich einfach zu schwarz. Also: Alles wird gut, die Stadt hat so wenig Geld wie vorher, aber auch ein großes Grundstück weniger, eine erschlossene Industriefläche, wo noch ein bisschen was frei ist, ein versautes Biosphärengebiet und nimmt womöglich tatsächlich Gewerbesteuer von Amazon ein.

Amazon ist Weltmeister im Vermeiden überflüssiger Steuerzahlungen. Bei diesem liebenswürdigen Konzern, ohne den der normale Bürger sich ein Leben nicht mehr denken kann, sind laut der FWV fünf- bis sechsstellige Gewerbesteuereinnahmen zu erwarten. Ach, sie sollen Recht behalten!

Interessant ist auch das Verhältnis von Amazon zu gewerkschaftlicher Organisation bei Mitarbeitern. Etwa so wie der Teufel zum Weihwasser. Sobald der Geschäftsführung bekannt wird, dass ein Betriebsrat gegründet werden soll, wird mit Einschränkungen reagiert. (Verdi: Amazon geht aktiv gegen Verdi vor.)

Bedauerlich ist, dass die Möglichkeit einer Verpachtung nicht in Erwägung gezogen worden ist. Klar: Amazon will sich nicht reinreden lassen. Zurück kommt dieses Grundstück nicht.

Grenzenloses Wachstum, wirtschaftliches Wachstum, ständig zunehmender Flächenverbrauch, Versiegelung eines Wassereinzugsgebietes. Bitte machen Sie unserem Planeten klar, dass er gefälligst größer zu werden hat und uns verschonen soll mit Mitteilungen a la „Begrenzte Ressourcen“, weil doch das, was wir wirklich brauchen, viele, viele täglich neue Päckchen von Amazon sind.

Und den Grünen Grüße: Nächstes Mal wähle ich eine Partei, die einen Sinn für die Einzigartigkeit unserer unerhört schönen Landschaft und Natur hat... es sei denn, ihr guten Grünen setzt für das Ententäle auch noch eine Dachbegrünung durch.

Und für Hengen schlage ich ein neues Wappen vor: ein gebogener Pfeil nach unten, Blau auf schwarzem Grund. Man muss mit der Zeit gehen.

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