Trotz oder Trost

  • Pfarrer i. R. Stefan Lämmer. Foto: Privat

Wenn ich den Weinberg betrachte, fällt mir das farbenfrohe Laub auf. Der Herbst erfreut mein Herz. Gleichzeitig spüre ich, dass sich in dieser Zeit der düsteren Wirtschaftsdaten Sorgen melden. Fragen drängen sich auf: Wird die Pleitewelle weiter durchs Land rollen? Werden der Koalition wirkliche Reformen gelingen?

In dieser Unsicherheit erkenne ich: Trost erweist sich als etwas Elementares. Er beweist sich als etwas Grundlegendes. Das ehrliche, mitfühlende Gespräch lässt mich aufatmen. Ich schöpfe neue Hoffnung, weil mir ein Mensch zur Seite steht. Seine Wertschätzung stärkt mich.

Keine Vertröstung

Bitte keine Missverständnisse! Unter Trost verstehe ich keine Vertröstung, keine oberflächliche Behauptung: „Alles wird gut.“ Vielmehr gehört das Dennoch zu den Fundamenten des Trostes. Wahrer Trost kennt immer ein Trotzdem. Es gilt beides: Ohne Trotz entpuppt sich der Trost als weinerlich. Er zerrinnt in den Widrigkeiten des Lebens. Ohne begründeten Trost wird mein Trotz mich verbittern und Selbstmitleid wecken. Trost und Trotz gehören zusammen. Nur mit beiden gewinnen wir einen langen Atem.

Juden und Christen beten: „Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand.“ Das Dennoch schöpft seine Zuversicht aus dem einen, der mich hält. Mein Trotzdem gewinnt neue Stärke, weil er seine Nähe verspricht. Seine Zusage hilft mir. Wie schnell schleicht sich die Überzeugung ein: Meine Angst verstehen die anderen eh nicht. Ich muss allein diese trostlose Zeit ertragen.

Gute Nachricht

Dagegen verweist uns die gute Nachricht auf den einen, der uns hält; der uns beisteht; der uns in seiner Schöpfung Zeichen seiner Hilfe und Treue schenkt. Bei meinem Spaziergang entdecke ich: Die bunten Blätter an den Bäumen entfalten ihre Schönheit in einer Welt, die bedroht ist. Die Vögel singen in einer Welt, die oft unfair und ungerecht ist. Und der Regenbogen erinnert uns selbst an Regentagen: Gott steht uns in seiner Güte bei. Ich wünsche Ihnen den Trost Gottes und trotz dunkler Stunden den Blick für Gottes gute Gaben.

Mein Trotzdem gewinnt neue Stärke, weil er seine Nähe verspricht. Seine Zusage hilft mir.

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