Pressekodex ist kein Beipackzettel
Der Artikel „Protestzug durch die Innenstadt“ vom 20. Oktober ist ein Lehrstück dafür, wie man Rahmung statt Recherche betreibt. Wer Überschriften, Kostüm-Splitter („Bundeswehrhelm“) und Polizeikulisse prominent arrangiert, hat einen Effekt: Er etikettiert Menschen – und vermeidet deren Argumente.
Sie schreiben von einem „angeblichen Überwachungsstaat“, von drohender „Abschaffung des Bargelds“, von „rechtspopulistischen“ und „verschwörungsideologischen“ Narrativen. Das sind hübsche Vokabelwolken. Was fehlt, sind Belege, Quellen, Kontexte. Der Pressekodex (Ziffer 1 und 2) verlangt Wahrhaftigkeit und Sorgfalt – nicht das reflexhafte Verteilen von Schubladen. Wer behauptet, der Herausgeber von Klartext sei „zentraler Akteur einer verschwörungsideologischen Szene“, sollte das beweisen – mit Zitaten, Daten, Einordnungen. Sonst ist es Diffamierung durch Adjektiv.
Auch die Methode „Einzelfall aufblasen“ ist alt: Ein Mann mit T-Shirt „Freie Sachsen“ taucht auf – und schon steht die gesamte Versammlung unter Verdacht. Sie erwähnen selbst, dass die Kundgebung friedlich verlief und dass Veranstalter seit Jahren Ausschlüsse vornehmen, wenn Extremisten auftauchen. Warum schreiben Sie das nicht gleichwertig nach vorne? Warum erscheinen die Forderungen der Demonstranten (Frieden, Meinungsfreiheit, Medienvielfalt, Bargelderhalt, Freiheit) bei Ihnen nur als Kulisse – statt als Inhalt, den man prüft?
Ein Wort zur Sachlichkeit: Kritik an Sicherheitsgesetzen, Digital-IDs, Bargeldschwächung oder Kriegslogik ist nicht „verschwörungsideologisch“, sondern verfassungspolitisch. Man kann sie widerlegen – oder man kann sie verächtlich machen. Ersteres ist Journalismus, zweites ist Haltungsprosa.
Wir erwarten keine Hofberichterstattung. Wir erwarten Handwerk: These, Gegenrede, Beleg. Wenn Sie künftig wieder berichten, dann bitte so, wie es der Pressekodex vorsieht: prüfen, gewichten, fair zitieren – und nicht mit Etiketten Fakten ersetzen.
Man kann streng sein, ohne voreingenommen zu sein. Man kann klar benennen, ohne zu verengen. Probieren wir es gemeinsam – der Leser merkt den Unterschied.