Lange Liste offener Fragen zur Regionalstadtbahn

Mit dramatischen Beschreibungen der Haushaltslage haben der Landrat und der Pfullinger Bürgermeister jüngst mehr Geld vom Bund und vom Land gefordert und strukturelle Reformen und Bürokratieabbau angemahnt. Hinsichtlich der Finanzierung zahlreicher an die Kommunen übertragenen Aufgaben und der ausgeuferten Bürokratie ist das berechtigt. Dem entgegen steht allerdings, dass Bund und Land trotz milliardenschwerer Neuverschuldung und mangels Prioritätensetzung gleichermaßen unter akuter Geldnot leiden und trotz der labilen wirtschaftlichen und finanziellen Lage nicht willens und nicht fähig sind, überfällige Reformen zu realisieren. Es ist höchste Zeit zu fragen, ob und wie wir unseren Standard halten und was wir uns noch leisten können.

In die Kategorie „was wir uns noch leisten können“ fällt die Neubaustrecke der Regionalstadtbahn von Reutlingen über Pfullingen und Lichtenstein nach Engstingen. Ein Projekt, dessen Zukunftsfähigkeit angesichts der Mobilitätsentwicklung zweifelhaft ist und das rund 300 Millionen Euro Investitionskosten und mehrere Millionen Euro jährliche Kosten für Betrieb und Unterhaltung verursacht, muss unter den von den beiden Verwaltungschefs so vehement beklagten Rahmenbedingungen zwingend auf den Prüfstand kommen. Dies umso mehr, als der aktuelle Stand der Vorplanung für das Projekt jetzt erstmals eine realistische Bewertung zulässt. Zahlreiche elementare Fragen sind offen und es gibt bis heute keinen finalen Beschluss der betroffenen Gemeinden für den Bau des Projekts.

Die Liste der offenen Fragen ist lang. Die Finanzierungslasten der Gemeinden sind ungeklärt. Alternative verkehrliche Optionen wurden nicht geprüft. Ein Konzept für die Erreichbarkeit der Pfullinger Stadtteile und die dadurch entstehenden Kosten gibt es nicht. Die Mehrzahl der Parkplätze entlang der Pfullinger Innenstadttrasse entfällt. Eine überzeugende Lösung für einen Ersatz ist nicht in Sicht. Die Leute fahren nicht mit der Regionalstadtbahn zum Brötchenholen. Sie kommen nicht mehr, wenn es keine Parkmöglichkeiten gibt. Die Innenstadttrasse verursacht einen erheblichen Ausweichverkehr in die Ost- und Weststadt. Auch dazu gibt es keine Lösungen. Die berechnete Verzögerung von 66 Sekunden durch die Bahn bei einer Fahrt mit dem Auto durch die Stadt ist Theorie. An einigen Stellen geht beim Halt einer Bahn auf der Innenstadttrasse für den nachfolgenden Verkehr gar nichts mehr.

Über allem steht zudem ein für die Stadt Pfullingen geringer Nutzen und die hohe Belastung durch beide Trassen. Die Leute fahren nicht nach Pfullingen wegen einer Regionalstadtbahn. Die seit Jahren regelmäßig thematisierte Innenstadtbelebung erfordert andere Maßnahmen zum Beispiel im Einzelhandel, der Gastronomie und für die Aufenthaltsqualität. Es ist völlig inakzeptabel und ein fatales Zeichen für die politische Kultur, wenn andere als die direkt betroffenen Gemeinden ein lokales Projekt beschließen, das die Stadt auf Jahrzehnte grundlegend verändern wird.

Ob und wie dieses Projekt in Pfullingen realisiert werden soll, muss deshalb zwingend der Gemeinderat im Genehmigungsverfahren maßgebend beeinflussen und entscheiden können. Die Zustimmung über eine Trassenentscheidung wird der Problem- und Diskussionslage in Pfullingen zu diesem Jahrhundertprojekt keinesfalls gerecht.

VORHERIGER ARTIKEL NÄCHSTER ARTIKEL