Die Mutter der „Gewesenen“

Porträt Die Ulmer Künstlerin Adela Knajzl ist mit Druckgrafik, Illustration und Kommunikationsdesign erfolgreich.

Zwei gesichtslose Figuren mit gestreiften Oberkörpern sitzen sich auf unterschiedlichen Planeten gegenüber und telefonieren miteinander. Die beiden sind durch ein feines Kabel miteinander verbunden. Es handelt sich um „Gewesene“, wie die Ulmer Künstlerin Adela Knajzl ihre Männchen mit Armen und Beinen, aber ohne Mimik bezeichnet. Woher diese Ausgeburten ihrer Fantasie kommen, weiß sie selbst nicht. 2019, kurz vor der Pandemie, waren sie plötzlich da, als die heute 44-Jährige gerade einen Kalender gestaltete. Ihre ersten „Gewesenen“ sind im Linolschnitt entstanden, weitere in Kombinationen aus Linolschnitt und Siebdruck, die neuesten rein in Siebdrucktechnik. Ihr Zyklus „Gewesen“, den sie noch immer erweitert, war auf Anhieb erfolgreich: 2019 verlieh ihr die Stadt Neu-Ulm dafür den Förderpreis für Druckgrafik.

In der Coronazeit hat Knajzl, die in Karlsbad geboren ist, den Zyklus erstmals ausgestellt. „In Tschechien war das“, erinnert sie sich. Dort seien ihre Figuren prima angekommen. Denn da sie keine Mimik haben, können die Betrachter viel in die Figuren hineininterpretieren. Während der Pandemie hätten die „Gewesenen“ auf viele melancholisch und einsam gewirkt, wie die Künstlerin in Gesprächen mit Besucherinnen und Besucherinnen besagter Schau erfahren hat.

Tatsächlich hat Corona den „Gewesen“-Zyklus beeinflusst, aber auch andere Lebenserfahrungen der Künstlerin. Das Bild mit den telefonierenden Figuren etwa ist kurz nach dem Tod ihres Opas entstanden, als sie oft ihre trauernde Oma angerufen hat. Ihr Großvater war es auch, der der 44-Jährigen das Künstler-Gen vererbt hat. „Er war Bildhauer und ich habe ihn schon als kleines Mädchen dafür bewundert, was für tolle Sachen er aus Stein zaubert“, erinnert sich Knajzl. Sie selbst zeichnet seit ihrer Kindheit mit Leidenschaft. Früher im Unterricht, heute in Meetings.  „Ich kritzle immer irgendetwas nebenher. Sonst kann ich nicht zuhören“, sagt sie und lacht.

Adela Knajzl spricht fließend Deutsch und Tschechisch, da ihre Eltern kurz vor der Wende mit ihr in den Westen geflohen sind – nach Giengen an der Brenz, wo sie dann auch zur Schule gegangen ist. Anschließend studierte sie in Augsburg Kommunikationsdesign und in Pilsen Druckgrafik und Illustration. Dann war sie drei Jahre lang als Designerin beim tschechischen Rundfunk in Prag tätig, wo sie auch ihren Mann kennenlernte, dem sie schließlich in seine Heimat gefolgt ist: nach Ulm.

Bis Juni war sie bei der Agentur Buck et Baumgärtel als Kommunikationsdesignerin angestellt. Im August hat sie den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt, um mehr Zeit in freie Kunstprojekte investieren zu können. Mit ihrem Studio Ahoj nimmt sie Aufträge für Illustration und Druckgrafik an und bietet Kunstworkshops an. Mit dem Studio Adkn kümmert sie sich weiterhin um Kommunikationsdesign. In letzterem Bereich lässt sich ihr Stil als klassisch und minimalistisch beschreiben. Ihre Illustrationen und Druckgrafiken hingegen sind wild, kindlich und fantasievoll.

Hauptsächlich arbeitet die Künstlerin in der Griesbadgalerie. Dort stehen ihr Profimaschinen für Siebdruck zur Verfügung, die früher in der Ulmer Berufschule eingesetzt wurden. Knajzl ist die stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins für junge Künstler, der die Siebdruckwerkstatt betreibt und das Wissen um diese Drucktechnik mit anderen Künstlern, aber auch Laien, teilt.

Knajzl liebt alte Drucktechniken wie den Siebdruck, weil dafür Kraft und Bewegung nötig ist. „Ich brauche das Manuelle“, sagt sie. Ursprünglich kommt sie vom Linolschnitt. Den Siebdruck hat sie für sich entdeckt, als sie Textilien bedrucken wollte. Erst dann sei ihr klar geworden, wie interessant diese Technik eigentlich ist, wie viel Raum zum Experimentieren sie bietet. Was ihr am Siebdruck auch gefällt, ist die Nachhaltigkeit. Für ein neues Motiv wäscht man die Siebe einfach aus und fertig sind sie für die nächste Arbeit. Druckgrafiken haben für sie aber auch einen sozialen Aspekt. „Man hat gleich eine Auflage. Das wirkt sich auf den Preis aus und macht die Kunst erschwinglicher.“

Und wo sind Adela Knajzls Arbeiten in Ulm zu sehen? Vor zwei Jahren hat sie die Schaukästen der Bar Stiege am Donauufer in Kunstobjekte verwandelt, und im Frühling stellte sie Arbeiten in der Modeboutique Rabe aus. Außerdem hat sie ein Kunstbuch namens „Gewesen“ mit Druckgrafiken und Gedichten des Ulmer Lyrikers Marco Kerler auf den Markt gebracht. Die bibliophile Ausgabe ist handgebunden und auf 22 Exemplare limitiert.

Erfolgsrezept: Vollgas von Anfang an

Volksmusik Seit 2018 tritt die Alpenrock-Band Rockspitz Jahr für Jahr in der Arena in Rust vor 4000 Gästen auf.

Für viele Menschen ist der Europa-Park wie das Oktoberfest der Ort des Vergnügens schlechthin. Für die Partyband Rockspitz hingegen ist der Europa-Park der größte Arbeitgeber. Sechs Auftritte hat die sechsköpfige Gruppe beim dortigen Oktoberfest in diesem Jahr schon hinter sich. Die Auftritte für nächstes Jahr stehen schon fest im Terminkalender der Gruppe.

Frank Blankenhorn, Manager der Band, erzählt, wie es dazu kam, dass die Band jedes Jahr in der 3000 Quadratmeter großen Arena auftreten darf: „Wie so oft im Leben waren wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort und hatten Glück.“ Sie hätten sich einfach so beworben. „Und wenn man sauber abliefert, darf man auch wiederkommen“, sagt Blankenhorn. Und das hat die Band geschafft.

„Das Erfolgsrezept ist, Vollgas zu geben von der ersten Sekunde an“, sagt Simon Schweigardt, Sänger und Frontman der Band. Ihm hat es die Location angetan: „Ich lieb das Ding“. Anders als in vielen Bierzelten seien die Gäste keine 30 bis 40 Meter von der Bühne entfernt. Zudem stehen die Tische einmal rings um die Bühne. So nah bei den Leuten zu spielen, ist für ihn etwas Besonderes.

Ihre Auftritte in Rust beginnen deutlich früher als etwa bei Feuerwehrfesten, wo die Gruppe erst gegen 21 Uhr zu spielen beginnt. Während die Gäste im Europa-Park noch essen, spielt Rockspitz schon Akkordeon oder Gitarre auf den Tischen. Volkstümliche Musik eben. Bis sie dann, später am Abend, Rockmusik wie ACDC covern. Diese Bandbreite funktioniere deshalb so gut, weil die Besetzung der Gruppe verschieden sei, sagt Schweigardt. Während er von der Volksmusik kommt, ist der Bassist der Gruppe, Andreas Fügner, im Rock unterwegs.

Seit 2014 gibt es die Band in wechselnder Besetzung, gegründet von dem damaligen Frontmann Jody Katsikas. Alle sechs Bandmitglieder kommen aus Ulm und Umgebung. Ihr nächster Auftritt ist wieder ein Heimspiel, in Jungingen in der Albhalle am 18. Oktober.

Ohrwürmer für die Antifascisti

Roxy Der Hamburger Rapper begeistert mit kapitalismuskritischem Textgut und griffigem HipHop.

Am Ende die Hymne des Hamburger Rappers Disarstar, die bereits vor den Zugaben von den 950 Besuchenden im Roxy mit schnellem Klatschen und dem Schlachtruf „Siamo Tutti Antifascisti“ eingefordert wurde. Die politische Richtung ist an diesem Abend eindeutig, die Feindbilder werden in Großbuchstaben ausgemalt. „Wir kommen in Schwarz, Digga, mit paar Litern Ethanol, keine Liebe für den Staat“, rappt der Hamburger, 
der auf seinen Alben den Aufstand probt und Geschichten vom brennenden 1. Mai, dem Leben der gesellschaftlichen Underdogs oder von Polizeigewalt erzählt.

Gerrit Falius, so der bürgerliche Name des Deutsch-Rappers, hat auf dem Weg der Sinnsuche seine Bestimmung als linkspolitischer Aktivist am Mikrofon gefunden. In „Rolex für alle“ textet der 31-jährige, für den das Pumpen im Gym sichtbar zur Droge nach den Drogen geworden ist, Zeilen wie „Vor niemand verneigen, die Chance ergreifen, für bessere Zeiten, Milliardäre enteignen, Rolex für alle“.

Eingängiger Sound

Die Tickets für die mehr als anderthalbstündige Show des bekennenden Antikapitalisten und Antifaschisten gab’s keineswegs zum Sozialpreis. 
Bei der Technik, vor allem dem Leuchtstoff auf der Bühne, wird aus dem Vollen geschöpft, und Disarstar hält nicht hinterm Licht, dass auch er wachsen will und deshalb alle Register auf eigentlich ungeliebten Social-Media-Plattformen zieht. 

Von frühen Textstellen in Tracks wie „Free World“, die den Brass auf die Macht des Kapitalismus mit den auf Zionisten in einen Topf warfen, hat sich Disarstar klar distanziert. Die palästinensische Flagge wird auf der Bühne aber mit Überzeugung geschwenkt.

Der Sound für die Parolen ist synthetisch eingängig massenkompatibel. Vieles klingt, vom DJ serviert und vom starken Livedrummer angetrieben, wie von der HipHop-KI zum Rap-Ohrwurm produziert und mitrufbar zusammengewerkelt. Entsprechend gut ist die Stimmung im Roxy, denn auch der demokratische Widerstand will feiern.

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