Bald weniger Experimente am Tier?
Universität Bislang sind die Labore der Multidimensionalen Traumaforschung über den Campus verteilt. In einem Neubau soll künftig alles an einem Ort sein und effizienter werden.
Im vergangenen Jahr hat die Universität Ulm 27.775 Tiere für die Forschung verwendet. Ein erheblicher Anteil (27 Prozent) sind Zebrafische, noch mehr Mäuse (69 Prozent), während Schweine, Kaninchen, Ratten und Hamster in geringerer Zahl als Versuchstiere gebraucht werden. Tierversuche unternimmt neben anderen Fachbereichen der Uni Ulm auch dieser der Multidimensionalen Traumawissenschaften (MTW). Um Tierversuche zu reduzieren, sollen die über den Campus verstreuten Einrichtungen der Abteilung nun zusammengeführt werden.
Dafür entsteht – mit Verzögerung – derzeit ein Forschungsbau für die MTW. Das fast 5000 Quadratmeter große Gebäude soll passgenau auf die Bedürfnisse der Forschenden aus Medizin und Naturwissenschaften zugeschnitten werden, teilt eine Sprecherin der Uni Ulm mit. Voraussichtlich ab Sommer 2026 beherbergt der Neubau dann unter anderem hoch spezialisierte biomedizinische Labore, eine Biobank für Blut- und Gewebeproben aus aller Welt sowie ein klinisches Studienzentrum. Das insgesamt über 73 Millionen Euro teure Gebäude wird aus Bundesmitteln, vom Land Baden-Württemberg sowie von der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm finanziert.
Ziel ist eine bessere Heilung
Bei den Traumawissenschaften versuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen die Grundlagen für neuartige und innovative Therapien zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit schwersten Verletzungen zu schaffen. Diese können etwa bei Verkehrsunfällen, Gewalttaten und Verletzungen durch Krieg entstanden sein. „Im Fokus steht dabei das komplexe Wechselspiel von Immunreaktionen, Stoffwechselaktivitäten und regenerativen Prozessen auf molekularer, zellulärer und Organ-Ebene“, erklärt die Sprecherin.
Das Ziel der Traumaforschung sei die bessere Heilung von Verletzungen unterschiedlicher Gewebe. Genauso geht es um Therapien gegen Schockzustände und andere Überreaktionen des Immunsystems. „Dabei wird überwiegend im Reagenzglas geforscht, beispielsweise mithilfe von Zellkulturen, außerdem an Computermodellen sowie an Blut- und Gewebeproben von Menschen“, unterstreicht die Unisprecherin.
Um eine relevante und patientennahe Forschung voranzutreiben, seien Tierversuche jedoch in vielen Fällen unerlässlich. In den neuen Laboren seien ausschließlich Mäuse, Schafe und Schweine vorgesehen. Der Grund dafür seien viele vergleichbare molekulare, zelluläre und organbezogene Heilungsmechanismen nach einem Trauma.
Ausgebildet in Versuchstierkunde
Schafe und Schweine in Laboren? Das ist schwer vorstellbar. Kurt Reifenberg, Leiter des Tierforschungszentrums der Uni Ulm beschreibt, wie die Tiere gehalten werden. Sie seien „in großzügigen, hellen Boxen untergebracht, deren Flächenmaße die vorgeschriebenen Mindestanforderungen übertreffen“. Die Boxen könnten flexibel miteinander verbunden werden, sodass die Tiere je nach Versuchsziel oder Sozialverhalten in Gruppen oder einzeln gehalten werden können. Der Raum habe Fenster, sodass ein natürlicher Tag-Nacht-Rhythmus möglich sei. „Dies trägt zum Wohlbefinden und zu einem natürlichen Verhalten der Tiere bei.“
Die tägliche Pflege, Fütterung und Gesundheitskontrolle erfolge durch Tierpfleger mit spezieller Ausbildung in der Versuchstierkunde. Sie überwachten das Verhalten und den Gesundheitszustand jedes einzelnen Tieres und sorgen für saubere Haltungsbedingungen, hochwertiges Futter und ausreichend Beschäftigung.
Wie viele Tiere gebraucht werden, sei nicht klar. Das vom Gesetzgeber vorgeschriebene Antragsverfahren, in diesem Fall beim Regierungspräsidium Tübingen, sei noch nicht abgeschlossen. Es dauere in der Regel sechs Monate, so Reifenberg. Unterm Strich benötige die Traumaforschung in Deutschland und am Ulmer Standort im Vergleich zu anderen Forschungsbereichen jedoch „verhältnismäßig geringe Zahlen an Klein- und Großtieren“, erklärt die Unisprecherin.
Für Tierschützer ist das Thema Versuchstiere ein rotes Tuch. Schon einmal hatte die Organisation „Ärzte gegen Tierversuche“ der Traumaforschung das „Herz aus Stein“ verliehen. Das war 2019. Damals konterten die Forschenden der Uni Ulm mit einer Art Gegenkundgebung und stellten zum Teil falsche Behauptungen der Tierschützer klar. Diese hatten unter anderem Fotos von Tierversuchen gezeigt, die an der Uni Ulm gar nicht stattgefunden hatten.
Am MTW kämen – nach erfolgter behördlicher Genehmigung – „international etablierte und veröffentlichte Tiermodelle zum Einsatz, mit deren Hilfe menschliche Traumamuster und Heilungsprozesse wirklichkeitsnah simuliert werden können“, erklärt die Sprecherin. Die Experimente würden behördlich überwacht und von Tierärztinnen und Tierärzten begleitet. „Sowohl die Forschenden als auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Tierforschungszentrum sehen sich dabei höchsten Tierklinikstandards verpflichtet.“
Ein natürlicher Tag-Nacht-Rhythmus trägt zum Wohlbefinden der Tiere bei. Kurt Reifenberg Leiter Tierforschungszentrum