Sozialtarife passen nicht mehr

  • Festnetzanschlüsse und Kosten für jede telefonierter Minute: Früher relevant, heute meist durch Flatrates und Kombitarife ersetzt. Foto: Christin Klose/dpa-mag/dpa

Telekom Viele Menschen mit Behinderung oder geringem Einkommen greifen längst zu anderen Optionen. Verbraucherschützer warnen vor einer Kostenfalle.

Ein besonderer Tarif für Menschen mit geringem Einkommen oder einer Behinderung klingt nach sozialer Verantwortung. Doch in der Praxis hat das Modell des Sozialtarifs kaum noch Bedeutung. Nur die Deutsche Telekom bietet ihn im Festnetz überhaupt noch an. Die Vergünstigung bezieht sich allerdings allein auf Gesprächskosten, nicht auf Grundgebühr oder Internet.

„Früher war das Thema größer, heute kommt es nur selten in der Beratung vor“, sagt Oliver Buttler, Telekommunikationsexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Kaum jemand beschwere sich über zu hohe Telefonpreise. „Manchmal meldet sich jemand, weil es Probleme mit einem laufenden Sozialtarif gibt. Aber das ist die Ausnahme.“ Viele Betroffene hätten ohnehin ganz andere Verträge, teilweise sogar recht teure. Der klassische Sozialtarif passe längst nicht mehr zur heutigen Nutzung.

Die Telekom bestätigt auf Anfrage: Die Nachfrage nach dem Sozialtarif gehe seit Jahren stark zurück. Das liege daran, dass Gesprächskosten meist durch Flatrates abgedeckt seien. „Darüber hinaus sind Mobilfunktarife heute mit umfangreichen Datenvolumina zu günstigen Konditionen erhältlich und stellen eine Alternative dar“, teilt das Unternehmen mit. Für Bezieher von Bürgergeld seien die laufenden Kosten für Internet und Telefon im allgemeinen Bürgergeld-Regelsatz enthalten. Bei einer alleinstehenden Person sieht der Regelsatz derzeit rund 50 Euro monatlich für „Post und Telekommunikation“ vor.

Tatsächlich wirkt das Modell des Sozialtarifs wie ein Relikt aus Zeiten, in denen jede Minute noch extra kostete. Der Sozialtarif bietet ein kostenfreies monatliches Gesprächsguthaben für Festnetz-Anschlüsse. Für Kunden mit Anspruch auf Befreiung vom Rundfunkbeitrag beträgt es maximal 6,94 Euro im Monat; für Haushalte mit schwerbehinderten Personen maximal 8,72 Euro.

„Das kann für einen Rentner interessant sein, der wenig telefoniert, nie ins Internet geht und einfach erreichbar sein will“, sagt Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale. „Aber für die meisten ist das kein realistisches Angebot mehr.“

So sieht es auch das Online-Magazin zur Telekommunikation „teltarif.de“. Hilfreicher für sozial schwache oder behinderte Menschen wären heutzutage Rabatte auf Kosten für den Internetanschluss, heißt es auf dem Online-Portal.

Die Verbraucherzentrale warnt vor einer anderen Gefahr: überteuerte Verträge. „Es gibt Promoter, die etwa Senioren überdimensionierte Telefonverträge aufschwatzen wollen, die sie gar nicht brauchen“, sagt Buttler. Anbieter sollten hier mehr Verantwortung übernehmen und ihre Verkaufsstrukturen prüfen. Sein Rat: Kunden sollten prüfen, ob für sie Festnetz-Internet nötig ist, oder für den alltäglichen Gebrauch mobile Lösungen ausreichen. Gerade für ältere Menschen oder Schüler können Prepaid-Karten die bessere Wahl sein. „Mit ihnen kann ich mit überschaubaren Kosten viel Surfen und Telefonieren. Und unterwegs lässt sich vielerorts kostenloses Wlan nutzen, um das eigene Volumen zu schonen – für alles, was nicht datensensibel ist.“

Begrüßenswert aus Sicht der Verbraucherzentrale sind Angebote für bestimmte bedürftige Gruppen. Viele Dienstleister bieten etwa Vergünstigungen für Studenten und Auszubildende an. Bei der Telekom sind das im Tarif „MagentaZuhause Young“ für Internet und Festnetz-Telefonie fünf Euro Rabatt in den ersten zwei Jahren. Auch hier lohnt es sich, verschiedene Anbieter zu vergleichen, raten die Verbraucherschützer.

Das seit Juni 2025 geltende Barrierefreiheitsstärkungsgesetz werde den Sozialtarif nicht beeinflussen, erklärt Buttler: „Es zielt auf technische Verfügbarkeit und Barrierefreiheit, nicht auf finanzielle Gleichstellung.“ Zwar gebe es im Netz kaum eine Seite, die völlig barrierefrei sei,  „aber moderne Geräte helfen heute schon viel – etwa mit Vorlesefunktionen für Sehbehinderte.“

Kurz gesagt: Für digitale Teilhabe braucht es heute vor allem eine stabile Internetverbindung, nicht den alten Festnetz-Sozialtarif.

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