Adel und Bauern machen mobil

  • Ein Protestbanner bei Blitzenreute im Landkreis Ravensburg. Foto: Stefan Jehle
  • Ein Gebiet mit Moor-Teich im Pfrungener Ried. Es ist Teil der angedachten Kernzone für das geplante Biosphärengebiet. Foto: Stefan Jehle

Naturschutz In Baden-Württemberg soll ein drittes Biosphärengebiet entstehen. Die Gegner protestieren lautstark – doch das Vorhaben hat auch einflussreiche Anhänger.

Oberschwaben ist bekannt für seine Moore. Gleich drei zählen zu den größten in ganz Deutschland. Durch Entwässerung und – vor allem noch im 19. Jahrhundert – verstärkt landwirtschaftliche Nutzung gingen viele der Gebiete verloren. Das Trockenlegen von Mooren ist schon lange verboten, und nun will die Landesregierung von Grünen und CDU ein drittes Biosphärengebiet im Südwesten ausweisen. So steht es im Koalitionsvertrag von 2021.

2022 wurde ein Prüfprozess eingeleitet, moderiert von einem dreiköpfigen Team in Bad Waldsee (Kreis Ravensburg). Neun Regionalkonferenzen sollten die Grundsätze eines Biosphären-Schutzraumes nördlich des Bodensees verdeutlichen. Sie fanden statt zwischen Ostrach, im Westen von Oberschwaben, sowie Bad Wurzach und Eglofs im württembergischen Teil des Allgäus. Doch seit Jahreswechsel schaukeln sich die Emotionen immer weiter hoch. Grundeigentümer und Bauernvertreter kritisieren das Vorhaben. Zu den Gegnern zählen auch zwei Fürstenhäuser, die Waldbesitzer sind: die Waldburg-Wolfegg und Waldburg-Zeil.

Das Thema polarisiert

Vor Ort polarisiert das Thema – inklusive großformatiger Banner und Plakate – seit Monaten. Die Debatte ist vergleichbar mit der Entstehungsgeschichte des Nationalparks Schwarzwald. Der Gemeinderat von Bad Wurzach stimmte in dieser Woche mit 17 zu 4 Stimmen gegen das Projekt. Medien berichteten von 200 Interessierten im Zuschauerbereich. Tübingens Regierungspräsident Klaus Tappeser befindet sich, wie er selbst sagt, in „einer zwiespältigen Lage“. Seine Behörde sei aufgerufen, das Vorhaben „neutral zu prüfen“. Zugleich wirbt der CDU-Mann selbst durchaus offensiv für das Biosphärengebiet. Er findet, es würde Oberschwaben „als Marke stärken“.

Im März dieses Jahres wurden erste Karten veröffentlicht, mit denen die Abgrenzung von Kernzonen und Entwicklungsbereichen klarer sichtbar wurden. Seitdem haben sich die Kontroversen weiter aufgeschaukelt. Inzwischen gibt es für jede Seite einen eigenen Verein.

Da ist einmal die „Allianz für Allgäu-Oberschwaben“, die im Juli in der Region zwischen Ostrach und dem württembergischen Allgäu 150 großformatige Rollup-Banner aufstellen ließ. „Nein zum Biosphärengebiet: Vernunft statt Bürokratie“, steht da seitdem in bunten Lettern zu lesen. Sprecher des Vereins ist der leitende Förster des Hauses Waldburg-Zeil, Vorsitzender ist der Vertreter des Kreisbauernverbands, Franz Schönberger. Auch die Bauern schrieben Brandbriefe nach Stuttgart. „Gemeinsam dagegen: Bauern und Adel tun sich zusammen“, so lautete zuletzt eine Schlagzeile – und das im Erinnerungsjahr zu 500 Jahren Bauernkrieg 1525, in dem der Adel gegen die Bauern zog.

Auf der anderen Seite etablierte sich ein Verein „Pro Biosphäre.“ Der prominenteste Vertreter ist wohl der Leutkircher Braumeister Gottfried Härle. Der 71-jährige Härle ist Mitglied der Grünen und war in jungen Jahren als Friedensaktivist bekannt. Sein Brauhaus nennt sich die „erste klimaneutrale Brauerei Deutschlands“. Alle Akteure der Region seien „sich einig, dass wir in den nächsten Jahren zwingend den Moor- und Naturschutz intensivieren müssen“, so der Verein. Man wolle die Bevölkerung aufklären, während einige Landnutzer Ängste verbreiten.

Schon im Frühjahr, wohl aufgrund zunehmender Kritik, tauchte das württembergische Allgäu mit einer der drei angedachten Kernzonen rund um das Moorgebiet von Bad Wurzach gar nicht mehr auf in den Karten. Die Begründung: Man wolle das Schutzgebiet vorwiegend dort ausweisen, wo Flächen schon in Staatshand sind. Mit seinem klaren Nein hat der dortige Gemeinderat jetzt nachgezogen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach angesichts der Widerstände gegen das Koalitionsvorhaben zuletzt von „oberschwäbischer Dickköpfigkeit“.

Eigentlich sollten sich in diesem Sommer und Herbst die betroffenen Städte und Gemeinden im Suchraum zwischen Ostrach und Bad Wurzach positionieren und die Gemeinderäte über das Für und Wider, den Beitritt oder Nicht-Beitritt, abstimmen lassen. Doch daraus wird wohl nichts mehr vor der Landtagswahl. Thekla Walker, die Umweltministerin des Landes, ließ in einer Antwort auf die kleine Anfrage des Allgäuer Landtagsabgeordneten Raimund Haser (CDU) wissen, es sei nun geplant, „dass im ersten Quartal 2026 die für eine Entscheidung der Gemeinden notwendigen Unterlagen und Dokumente vorliegen“.

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