Essen In Stuttgart eröffnet die erste Filiale der „Veganen Fleischerei“ in Baden-Württemberg. Im Sortiment finden sich Namen wie „Keine Salami“.
Bratwurst, Leberkäse oder Maultaschen – aber ohne Fleisch und vegan: Das ist das neue Geschäft von Andreas Holz. Der 54-Jährige aus Backnang eröffnet am Samstag „Stuttgarts erste vegane Fleischerei“. Kurz zuvor herrscht in dem Laden in der Innenstadt noch reger Betrieb: Möbel werden aufgebaut, Tische geschliffen, Werkzeug liegt bereit. Mehrere Mitarbeitende, sein Sohn und seine Frau packen mit an.
Die weißen Fliesen erinnern an eine klassische Metzgerei. Doch mit echtem Fleisch wird hier nicht gearbeitet. Die Waren kommen vakuumverpackt an, Blut sucht man vergeblich, in den Produkten stecken nur pflanzliche Inhalte. Holz ist Franchisenehmer des Dresdner Start-ups „Die vegane Fleischerei“. „Wir sind schon die siebte Filiale in Deutschland, aber die erste in Baden-Württemberg“, sagt er stolz.
Holz ist Quereinsteiger. Denn eigentlich arbeitet der Backnanger als Personalleiter in einem Maschinenbauunternehmen. Mit Wurst – oder veganen Produkten in deren Form – hatte er bislang beruflich wenig zu tun. „Aber ich habe mir immer gesagt, dass ich irgendwann noch einmal etwas anderes machen möchte“, erzählt er. Gekündigt hat er seinen alten Job nicht, er arbeitet in Teilzeit weiter und führt parallel die Geschäfte in Stuttgart.
Aber wie kommt man auf so eine Idee? „Ich lebe seit fünf Jahren vegan. Während Corona haben in meinem Umfeld immer mehr Menschen damit angefangen, und ich habe mich dann selbst mehr mit dem Thema auseinandergesetzt“, sagt er. Ausschlaggebend waren für ihn ethische Überlegungen, die enormen Auswirkungen der Tierhaltung auf Klima und Umwelt sowie gesundheitliche Aspekte. „Aber ich mochte den Geschmack von Wurst und Fleisch“, gibt er offen zu. Außerdem sei Grillen für ihn eine Art Hobby. So entdeckte Holz sein Interesse für Fleischersatzprodukte. „Tatsächlich kommt ein Großteil des typischen Geschmacks von den Gewürzen“, erklärt er.
„Kein Chemiebaukasten“
„Natürlich schmeckt es nicht zu 100 Prozent gleich. Aber ich glaube, die meisten Menschen essen Fleisch vor allem aus Gewohnheit und wegen des Geschmacks, und dafür bieten wir eben eine Alternative.“ Die Produkte in seinem Laden bestehen hauptsächlich aus Seitan, Erbsenprotein und Soja. Kritik, dass vegane Alternativen oft zu viele künstliche Zusatzstoffe enthalten, lässt Holz nicht gelten. „Das kommt ganz darauf an. Auch in herkömmlicher Wurst können zahlreiche Zusatzstoffe stecken – da lohnt sich ein genauer Blick“, sagt er und zeigt beispielhafte Zutatenlisten. „Wir benutzen keinen Chemiebaukasten.“
Doch die Produkte von Holz sollen nicht nur möglichst so aussehen und schmecken wie Fleisch, sondern auch so heißen – zumindest, wenn es nach ihm und dem Dresdner Start-up geht. Im Sortiment finden sich Namen wie „Keine Bratwurst“, „Keine BBQ-Medaillons“ oder „Keine Salami“. „Für den Verbraucher ist hier ganz klar, was wir anbieten, überall steht bei uns vegan drauf“, sagt er. Außerdem beziehe sich etwa das Wort Wurst auch auf die Form, so der 54-Jährige. Neben der klassischen Theke und eingeschweißten Produkten will er auch den typischen „Leberkäswecken“ oder das „Schnitzelbrötchen“ – natürlich alles ebenfalls vegan – anbieten.
Im Internet sorgen die Bezeichnungen und das Konzept jedoch für hitzige Diskussionen. Zahlreiche Kommentare finden sich unter den verschiedenen Ankündigungen zu seinem Laden. Der Landesinnungsverband für das Fleischerhandwerk wittert Kundentäuschung.
Holz erklärt im Gespräch mit der „Stuttgarter Zeitung“, dass er grundsätzlich kein Problem mit Metzgern habe. Anfänglich sei er sogar auf einen befreundeten Fleischer zugegangen und habe ihm vorgeschlagen, die veganen Produkte ins Sortiment aufzunehmen. „Schließlich gibt es ja in fast jedem Freundes- oder Familienkreis jemanden, der sich vegan oder vegetarisch ernährt“, sagt er. Doch damals stieß er mit der Idee nicht auf offene Ohren.
Mit der Debatte, die zuletzt auch durch das EU-Vorhaben befeuert wurde, vegane Produkte nicht mehr als Wurst, Schnitzel und Co. bezeichnen zu dürfen, könne er aber sportlich umgehen, sagt Holz. Im Gespräch scherzt er über solche Themen, auch der Wurstliebhaber und CSU-Ministerpräsident Markus Söder dürfe gerne mal „auf eine vegane Wurst vorbeikommen“, sagt er. Der 54-Jährige ist nicht der Typ, der sich über solche Debatten aufregt, er nimmt sie mit Humor. Sorgen, dass diese Diskussion schlecht für sein Geschäft sein könnte, hat er nicht. Das sei schlicht „super Werbung“.