Gefährliche Schulwege
Sicherheit 2024 sind bundesweit 27.260 Kinder unter 15 Jahren im Straßenverkehr verunglückt – ein Großteil auf dem Weg zur Schule. Wie ist die Lage im Land?
Allmorgendlich verschwinden hastig Müslilöffel in Mündern – und Brotdosen zwischen Schulbüchern und knittrigen Heften. Schulranzen werden auf den Rücken geschnallt, und hinaus geht es in die frische Morgenluft. Allein oder in Grüppchen: Morgen für Morgen machen sich Millionen Kinder auf den Weg zur Schule. Doch für manche ist der Weg gefährlicher als für andere.
2024 verunglückten in Deutschland rund 27.260 Kinder unter 15 Jahren bei Verkehrsunfällen, meldet das Statistische Bundesamt. Das bedeutet: Alle 19 Minuten verletzt sich ein Kind im Straßenverkehr, manche sterben sogar. Ein Großteil der 6- bis 14-Jährigen verunglückt montags bis freitags zwischen 7 und 8 Uhr – die klassische Zeit für den Schulweg.
Die größte Bedrohung lauert oft direkt vor der Schule, sagt der Auto Club Europa (ACE). Um die Sicherheit der Schulwege konkret zu analysieren, schickte der ACE zwischen April und Ende Juli bundesweit rund 700 Ehrenamtliche an 167 Grundschulen. Im Fokus standen einerseits der sogenannte Bringverkehr, also die Elterntaxis, andererseits aber auch die Verkehrsinfrastruktur im nahen Schulumfeld. Das Resultat der Analyse ist der kürzlich veröffentlichte Schulweg-Index.
In Baden-Württemberg beobachtete der ACE insgesamt 744 Elterntaxis an 26 Schulwegen. Keiner der Schulwege stellte sich konkret als gefährlich heraus. Aber: Nur ein Schulweg wurde als sicher eingestuft, 17 waren laut Auswertung in Ordnung, acht mangelhaft. Die Gesamtbewertung resultiert aus zwei Kategorien: Sicherheit und Infrastruktur.
In der Kategorie Infrastruktur gab es beispielsweise Punkte für verkehrsberuhigte Straßen und Tempo-30-Zonen, absolute Halteverbote oder Elternhaltestellen. Selbst Gehwege wurden auf Breite und Zustand überprüft, auch vorhandene Zebrastreifen, Fußgängerampeln sowie Schulweghelferinnen und -helfer notierten die Ehrenamtlichen. In dieser Kategorie waren bis zu 14 Punkte erreichbar.
Hier können sich die Zeppelinschule in Leinfelden-Echterdingen, die Erna-Brehm Grund- und Werkrealschule in Calw und die Lorettoschule in Freiburg mit jeweils 11 Punkten auf die Schulter klopfen. Auf der gefloppten Gegenseite befindet sich die Thiebauthschule in Ettlingen – keine bauliche Verkehrsberuhigung, keine Spielstraße, kein Zebrastreifen. Mit 7 Punkten erhielt die Schule das schlechteste Ergebnis in der vergleichenden Infrastruktur.
In der Kategorie Sicherheit zählten etwa Parken im Halteverbot und in Einfahrten, aber auch auf Zebrastreifen oder Radwegen haltende Elterntaxis. Selbst auf welcher Autoseite die Kinder ausstiegen oder ob die Eltern durch risikoreiches Wenden oder Rückwärtsfahren Kinder gefährdeten, floss in die Bewertung ein. Hier zählten die Ehrenamtlichen die Schülerinnen und Schüler, beobachteten die Elterntaxis und deren Verhalten und errechneten daraus ein prozentuales Risiko.
Überraschenderweise siegt die Thiebauthschule in Ettlingen in der Kategorie Sicherheit mit insgesamt 95 Prozent. Vorbildlich lieferten die Ettlinger Elterntaxis ihre Kinder an der Schule ab. Absolut gegenteilig und risikoreich verhielten sich die beobachteten Elterntaxis in Pforzheim. Nur 14 Prozent lieferten ihre Kinder im morgendlichen Bringverkehr fehlerfrei an der Schule ab. Damit bildet die Schule sogar im bundesweiten Vergleich das Schlusslicht in der Kategorie Sicherheit.
Im gesamten Durchschnitt aus Sicherheit und Infrastruktur gewinnt die Lorettoschule in Freiburg mit 86 Prozent im fehlerfreien Bringverkehr und 11 von 14 Punkten in der Infrastruktur. Insgesamt ergibt sich ein gemischtes Bild: Zwar verfügten 100 Prozent der Schulen in Baden-Württemberg über gute Beleuchtung und 88 Prozent über bauliche Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung. Auch hatten 65 Prozent der Schulen Hinweisschilder. Ein absolutes Halteverbot im direkten Umkreis gab es jedoch nur an 50 Prozent der Schulen – und nur 8 Prozent boten eine sogenannte Elternhaltestelle für die Elterntaxis.
Der ACE sieht Handlungsbedarf. Die Verkehrserziehung müsse einheitlich und verbindlich in Lehrpläne aufgenommen werden, fordert der Club von den Landesregierungen. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern seien zu groß. Weiterhin fordert der ACE Kommunen auf, Baumaßnahmen für Schulwege zu priorisieren: von verkehrsberuhigten Zonen über Elternhaltestellen bis hin zu Parkverboten. Aber auch die Rolle der Eltern sei zentral. So sollen Verkehrserziehungsmaßnahmen und gemeinsames Üben langfristig Sicherheit fördern. Denn davon ist der ACE überzeugt: Verkehrssicherheit ist kein Zufall.
Vorbildlich lieferten die Ettlinger Elterntaxis ihre Kinder an der Schule ab.