Neue Supermärkte und Tankstellen sind verpönt

  • Luftbild des östlichen Teils des Gewerbegebiets an der Göppinger Bahnhofstraße: rechts das historische Schuler-Verwaltungsgebäude und der Schuler Innovation Tower, links davon die Handelsflächen von Kaufand und Möbel-Strobel, unten ein Teil der großflächigen einstigen Schuler-Produktionshallen. Foto: Michael Tilp
  • Die riesigen Schuler-Produktionshallen an der Bahnhofstraße und an den Bahngleisen in Göppingen. Foto: Giacinto Carlucci

Gewerbe Das Viertel rund um die Göppinger Firma Schuler ist im Umbruch. Größere Teile stehen zum Verkauf. Die Stadt will städtebauliche Sünden verhindern.

Die Dimensionen des Gewerbegebiets Bahnhofstraße-West sind gewaltig: 113 000 Quadratmeter Grund, das entspricht etwa der Fläche von 19 Fußballfeldern. Vom Schuler-Turm bis hin­über zum Boehringer-Areal reicht das traditionsreiche, aber nicht sehr ansehnliche Industrieviertel. Heute ist es ein Sammelsurium von Handelsbetrieben wie Kaufland, Möbel-Strobel und Aldi einerseits, und den zu einem großen Teil leeren Schuler-Immobilien andererseits.

Der Umbruch, der durch die vielen frei gewordenen Schuler-Flächen entstanden ist, ruft nun die Göppinger Stadtentwickler auf den Plan. Der Gemeinderat hat jetzt zugestimmt, für das ganze 11,3 Hektar große Gebiet einen neuen Bebauungsplan aufzustellen, um bei den zu erwartenden Umwälzungen eingreifen zu können.

Hintergrund ist, dass Teile der ehemaligen Schuler-Gebäude zur Vermarktung anstehen. Dabei ist die österreichische Andritz-Group, die Schuler 2013 übernahm, längst nicht mehr Eigentümer der ganzen Immobilien, sie gingen bereits vor einigen Jahren an den US-Immobilienkonzern W.P. Carey und werden seither von Andritz Schuler gemietet (siehe Infobox). Der amerikanische Eigentümer beabsichtigt jetzt laut Stadtverwaltung, Teile davon zu veräußern.  „Potenzielle Kaufinteressenten haben bei der Stadtverwaltung nachgefragt, ob deren Nutzungswunsch in dem Gebiet planungsrechtlich zulässig ist“, erklärt Claudia Leihenseder, Pressesprecherin der Stadt. Man beobachte intensiv das Marktgeschehen vor Ort.

Ziel der Stadt Göppingen ist es, „städtebauliche Missstände zu vermeiden und das Plangebiet bei der Entwicklung zu einem innovativen Gewerbestandort zu unterstützen“. Dabei liegt die Betonung ausdrücklich auf Gewerbe. Es seien jedoch zunächst rechtlich viele Arten der Nutzung möglich, erklärt Claudia Leihenseder. Diese Nutzungen müssten, wenn keine einschränkenden Regelungen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, zugelassen werden. „Dazu gehören zum Beispiel Tankstellen, Anlagen für sportliche, kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke sowie auch Vergnügungsstätten. Auch weitere Handelsflächen wären möglich.“ Letztere aber will die Stadt ausdrücklich nicht. Die vorhandenen Einkaufs- und Möbelmärkte haben Bestandschutz. „Größere Weiterentwicklungen sind zugunsten von Gewerbebauflächen ausgeschlossen.“

Satt dessen schwebt der Stadt „ein urbaner innovativer Gewerbecampus für Bestandsunternehmen und Start-Ups mit Fokus auf zukunftsorientierten Technologien“ vor, heißt es in dem Konzept, dem der Gemeinderat zustimmte. Dafür sollen ein Mobilitäts-  und Energiekonzept entwickelt und die Infrastruktur für einen Industrie-Campus geschaffen werden, etwa ein Parkhaus, eine Mobilitätszentrale oder eine Kantine. Wertvolle Bausubstanz soll gesichert werden.

Vertrag läuft bis Ende 2027

Doch noch ist Andritz Schuler, wie der Göppinger Pressenhersteller neuerdings firmiert, nicht aus dem Gebiet verschwunden. Pressesprecher Simon Scherrenbacher stellt klar, dass der Mietvertrag noch bis Ende 2027 laufe, danach beabsichtige die Firma, nur noch die benötigten Flächen zu mieten, etwa ab Kaufland in westlicher Richtung. Das entspräche einem Drittel der Gesamtfläche. Scherrenbacher betont auch, dass der Schuler Innovation Tower noch dem Konzern gehöre und derzeit auch noch komplett von Schuler genutzt werde. Er räumt aber ein, dass die Firma beabsichtige, auch dort einzelne Stockwerke zu vermieten. Im historischen Hauptgebäude mit dem markanten Kuppel-Entree an der Jebenhäuser Brücke belege die Firma ohnehin nur noch das Erdgeschoss.

Simon Scherrenbacher erklärt, was vom Pressenhersteller noch an seinem Stammsitz verblieben ist:  „Andritz Schuler betreibt in den Werkshallen südlich der Bahnhofstraße ein Service-Center, in dem wir Pressen reparieren und Ersatzteile fertigen. Das zentrale Ersatzteillager für unsere europäischen Kunden ist ebenfalls dort angesiedelt.“ Außerdem entstünden hier Münzprägepressen sowie Anlagen zur Herstellung von Elektroblechen für Motoren.

Auch nach dem weitgehenden Schuler-Rückzug will die Stadt den Industriestandort sichern, um den für Göppingen vorhergesagten Bedarf an weiteren 30 Hektar Gewerbefläche bis 2030 zu decken.  Allerdings zeigt ein Blick in einschlägige Immobilienportale, dass auch auf dem ehemaligen Geschmay-Areal auf der anderen Filsseite  viele Quadratmeter Hallenflächen frei sind, die durch die Sirius Business-Park GmbH vermarktet werden. Zudem bietet an der Stuttgarter Straße nahe der  „Staufers Markthalle“ ein anderer Privatunternehmer große Industriehallen zur Miete an.

Und schließlich ist da ja noch das Boehringer-Areal, das die städtische Businesspark GmbH ebenfalls zu einem innovativen Gewerbestandort entwickeln will. Wie sieht es da mit der Konkurrenz durch die ehemaligen Schuler-Flächen aus? Pressesprecherin Claudia Leihenseder sagt, „es werden viel mehr Synergien als Konkurrenz gesehen“. Eine Vermarktung mit dem gemeinsamen Thema der Zukunftstechnologien beispielsweise dem KI-Zentrum „HIVE“ sowie dem Technikum Laubholz, könne zum herausragenden Standortvorteil werden. „Eine unmittelbare Konkurrenz besteht auch insofern nicht, als dass das Schuler-Areal – anders als das Boehringer-Areal – mehr Freiheiten bei einer baulichen gewerblichen Entwicklung ermöglicht, da deutlich weniger Gebäude unter Denkmalschutz stehen.“

Potenzielle Kaufinteressenten haben bei der Stadt über mögliche Nutzungen angefragt. Claudia Leihenseder Pressesprecherin Stadt Göppingen

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