Hürdenlauf bis zur Anmeldung

Verwaltung Eine „Modernisierungsagenda“ hat die Bundesregierung beschlossen. Digitalisierung ist ein Baustein. Aber was bedeutet das konkret? Drei Beispiele aus dem Alltag.

Von einer „Modernisierung, die nichts kostet“ spricht Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU): Gemeint ist der „umfassende Rückbau der Bürokratie“, den Union und SPD sich im Koalitionsvertrag vorgenommen hatten. Leisten soll das vor allem das neue Staatsmodernisierungs-Ministerium mit dem früheren Manager Karsten Wildberger (CDU) an der Spitze. Sein Plan heißt „Modernisierungsagenda“. Dieser „kraftvolle Aufschlag“, so der Wirtschaftsverband DIHK, müsse jetzt aber auch umgesetzt werden. „Die bisherige Erfahrung zeigt, dass sehr gute Ideen oft an wenigen Einzelinteressen oder Bedenken scheitern können“, warnt Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov. Drei Beispiele:

Wenn der Bürger sein Auto im Internet anmelden will: Ein paar Daten eingeben, klicken, fertig – Autoanmeldung vom Sofa aus versprach die Regierung schon vor Jahren. Vollumfänglich möglich ist die internetbasierte Fahrzeugzulassung (i-KfZ) seit 2023, aber nicht mal 16 Prozent der Meldungen werden digital erledigt.

Bislang also nicht gerade ein Erfolgsmodell. Was unter anderem daran liegt, dass das Verfahren eben nicht vollständig digitalisiert ist, sondern der Bürger zum Beispiel verdeckte Sicherheitscodes auf Plaketten und Papieren buchstäblich freikratzen muss, um sich und sein Fahrzeug zu identifizieren. Hinzu kommt: In Deutschland gibt es rund 400 Zulassungsstellen mit jeweils eigenen Portalen. Diese haben wahlweise mit Softwareproblemen, fehlendem Personal oder den hohen Sicherheitsstandards zu kämpfen.

Die Lösung von Schwarz-Rot lautet daher: Zentralisierung. „Wenn Bürgerinnen und Bürger ihr Fahrzeug online an-, ab- und ummelden wollen, soll das künftig zentral über das Kraftfahrtbundesamt möglich sein“, teilte die Bundesregierung mit. Die Zulassungsbehörden würden so erheblich entlastet – und damit auch die Kommunen. Den Bürgern werde zugleich das Leben erleichtert und die Dienstleistung verbilligt. Wildbergers Zeitplan: 18 Monate.

Wenn der Staat seinem Bürger Geld aufs Konto zahlen will: Kassiert der Staat Geld von seinen Bürgern, scheitert dies nur selten an einer fehlenden Kontonummer. Sollte aber umgekehrt der Staat dem Bürger etwas auszahlen, war das bislang – leider, leider – schwierig. Offensichtlich wurde das während der Corona-Pandemie oder der Energie-Krise, als Staatshilfen oft nur über Umwege fließen konnten. Legendär das Eingeständnis des früheren FDP-Finanzministers Christian Lindner vor drei Jahren: Die elfstellige Steuer-Identifikationsnummer jedes Deutschen mit seiner 22 Zeichen umfassenden Kontonummer (IBAN) zusammenzubringen, sei eben „nicht so einfach“.

Inzwischen aber hat das Bundesfinanzministerium Vollzug gemeldet: „Das zum 1. März 2024 eingerichtete Projekt Direktauszahlungsmechanismus (DAM) wurde fristgerecht zum 31. März 2025 erfolgreich abgeschlossen.“ Im Falle künftiger Hilfsbeschlüsse sind demnach „antragsbasierte, unbare und kassensichere Direktauszahlungen“ möglich.

Aber, so teilt das Ministerium auf Anfrage mit: „Hier sind die Bürgerinnen und Bürger nun aktiv gefragt“. Sie müssen nämlich entweder ihre Hausbank mit der Übermittlung ihrer IBAN an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) beauftragen oder diese selbst vornehmen. Das wiederum soll jetzt „benutzerfreundlich“ per App mit dem schon weniger benutzerfreundlichen Namen „BZSt IBAN+“ gehen. Kleiner Hinweis: Benötigt wird dafür entweder ein Elster-Benutzerkonto oder ein Bund-ID-Konto! Erstaunlich ist, dass es dieser offenbar fertige Mechanismus in die Modernisierungsagenda geschafft hat.

Wenn ein Unternehmer sein Unternehmen anmelden will: Eine Idee, eine Garage und los? Von wegen! Wer in Deutschland ein Unternehmen gründet, sollte sich unter anderem mit folgenden Institutionen vertraut machen: Finanzamt, Handelsregister, Handelskammer, Gewerbeaufsicht und Förderbank. „Es ist sinnvoll, sich aus Zeitgründen mit vielen Behörden gleichzeitig zu beschäftigen“, heißt es mahnend auf einer Ratgeberseite im Auftrag der Bundesregierung.Digital und binnen 24 Stunden?

Auch Unternehmensgründungen sind in Deutschland dezentral organisiert, rund 6000 verschiedene Verfahren gibt es auf kommunaler Ebene. Die Modernisierungsagenda verspricht nun ein „zentrales Webportal zur digitalen Anmeldung“ sowie eine „Unternehmensgründung in 24 Stunden“. Bis es soweit ist, könnte es nach Angaben von Wildberger allerdings noch knapp zwei Jahre dauern. Nicht ausgeschlossen auch, dass es am Ende statt 24 womöglich 48 Stunden sind.

Kommentar

Schwieriges Los

Im Streit um die Wehrpflicht zeigt sich: Die Partei hat noch nicht zu einer neuen Ordnung gefunden. Das muss sich schnell ändern.

Es gibt eine treffende umgangssprachliche Wendung, um angeberisches Verhalten zu beschreiben. „Einen auf dicke Hose machen“, lautet sie. Und es handelt sich insbesondere dann um einen lächerlichen Vorgang, wenn man gar keine Hose anhat. So ist es mit der SPD in den Monaten seit der Bundestagswahl.

Hier die Profis, da die Amateure: So haben Sozialdemokraten schon früh gern die Kompetenzverteilung zwischen sich selbst und der Union beschrieben. Der Truppe um Kanzler Friedrich Merz fehle es an Erfahrung, hieß es immer wieder. Das Drama um die Verfassungsrichterwahl hat diese Annahme ja auch bestätigt.

Doch im Streit über die Wehrpflicht zeigt sich: Auch in der SPD fehlt es an guten Mechanikern der Macht und einer klaren Idee, wohin die Partei inhaltlich will. Fraktionschef Matthias Miersch und Verteidigungsminister Boris Pistorius haben sich nicht ausreichend abgestimmt. Miersch hat die Stimmung in der eigenen Fraktion offenkundig völlig falsch eingeschätzt. Und dann war das Chaos schnell perfekt.

Soll notfalls ausgelost werden, welche jungen Männer zur Bundeswehr müssen? Das ist eine schwierige Frage, bei der es nicht nur um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands geht, sondern auch um den Umgang mit Grundrechten. Es ist erstaunlich, dass offenbar weder der Fraktionsführung noch der SPD-Spitze hinreichend klar war, dass eine solche Idee zu harten Debatten unter den Abgeordneten führen würde.

In der vergangenen Legislaturperiode hat die SPD-Fraktion den drögen Kanzler Olaf Scholz mit großer Solidarität ertragen. Dass nun in der SPD-Fraktion ein Bedürfnis nach mehr Eigenleben erwacht, ist verständlich. Es erschwert aber das Regieren. Das gilt auch für die Tatsache, dass die Unions-Fraktion kein reiner Kanzlerunterstützungsverein mehr ist. Der Druck zur Eigenprofilierung ist für die Union wie für die SPD groß – wie auch die Notwendigkeit, gemeinsam zu Ergebnissen zu kommen. Das Land kommt seit Jahren nicht aus der Wirtschaftskrise und braucht dringend Reformen in den Sozialversicherungen. Vize-Kanzler Lars Klingbeil und seine Co-Parteichefin Bärbel Bas haben das zwar beide erkannt. Sie haben aber unterschiedliche Vorstellungen davon, was sie der eigenen Parteibasis zumuten können.Klingbeil ist klarer auf Reformkurs als Bas. Er ist aber angezählt, seit ihn der SPD-Parteitag mit einem Ergebnis von knapp 65 Prozent abgestraft hat. Bas tastet sich noch an die Frage heran, ob sie die SPD wirklich führen oder ihr nur vorstehen will.

Und Verteidigungsminister Boris Pistorius? Er ist noch immer der beliebteste Politiker Deutschlands. Dieser Status könnte aber einen Knacks bekommen, wenn er als Minister inhaltlich weiter auf der Stelle tritt. Die Partei mochte ohnehin nie in erster Linie Pistorius, sondern vor allem die Tatsache, dass er bei den Menschen im Land beliebt ist.

Es sind schwierige Bedingungen, unter denen die SPD zu einer klaren Linie finden muss. Dringend notwendig ist es aber. Es darf nicht der Eindruck entstehen, als könnte man die Antwort auf die Frage, wofür die SPD steht, auch auslosen.

leitartikel@swp.de

Kommentar

Schnelle Prüfung?

Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) möchte insbesondere den jungen Leuten im ländlichen Raum helfen, per Führerschein mobil zu sein. Angesichts rasant gestiegener Kosten in den vergangenen Jahren eine gute Idee. Aber wird das funktionieren?

Keine Frage: Den Führerschein zu machen, ist sehr teuer geworden. Und häufig dauert es lange, bis man das Dokument in den Händen hält. Dass es billiger und schneller etwas wird, dafür will Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) sorgen. Er hat dabei gerade den ländlichen Raum im Blick, wo ein Auto häufig unverzichtbar ist, während es sich in der Großstadt gut ohne Fahrzeug leben lässt. Aber auch Städter können einen Führerschein durchaus gebrauchen. Und wenn es nur für den Mietwagen am Urlaubsort ist.

Jetzt jedenfalls gibt es konkrete Vorschläge. Dass etwa mehr Fahrsimulatoren helfen können, darin sind sich Experten einig. Die Technik kann dazu beitragen, sich virtuell an den Straßenverkehr heranzutasten und zudem die Abstände zwischen den Fahrstunden zu verkürzen, was den Lerneffekt befördert. Den Katalog der möglichen Fragen der Theorieprüfung von fast 1200 um ein Drittel einzudampfen, erleichtert den Zugang ganz sicher. Und dass man dafür auf der Couch in der App pauken soll, statt immer in der Fahrschule auftauchen zu müssen, ebenso. Klar ist aber auch: Dass deshalb die Durchfallquote sinkt, ist damit nicht gesagt. Man muss in der App wirklich üben.

Streiten kann man darüber, ob eine praktische Prüfung mit einer Fahrzeit von 25 Minuten ausreicht. Schließlich sind es bisher 45 Minuten. Aber die 25 Minuten sind das, was die EU als Minimum fordert. Und es erhöht die Chance, überhaupt einen Prüfungstermin zu bekommen.

Das ist erst einmal ein Aufschlag, der jungen Leuten den Führerschein erreichbarer machen kann. Aber noch ist es nicht so weit. Jetzt reden Bundesländer und Experten mit. Und die bremsen die Reform hoffentlich nicht noch aus.

Regelverschärfung für Parlamentarier

Bundestag Abgeordnete, die sich den parlamentarischen Regeln widersetzen, müssen laut neuer Geschäftsordnung mit schärferen Sanktionen rechnen. Das kann richtig teuer werden.

Berlin. Im Bundestag soll es künftig gesitteter zugehen. Gegen Pöbeleien, Zwischenrufe oder anderes Verhalten, das mit der Würde des Hohen Hauses unvereinbar ist, stehen nun robustere Mittel zur Verfügung. Grundlage dafür ist eine Anpassung der Geschäftsordnung, die am Donnerstag vom Bundestag beschlossen wurde. Ein Kernpunkt sind verschärfte Regeln für Ordnungsrufe und Ordnungsgelder.

Die alte Geschäftsordnung stammte aus dem Jahre 1980. Das war im Westdeutschland keine politisch gemütliche Zeit. Damals bewegten die Debatten um Rüstung und Nachrüstung die Bundesrepublik und führten zu durchaus heftigen Parlamentsdebatten. Dennoch steht der Bundestag heute vor neuen Herausforderungen. Mit dem Einzug der Rechtspopulisten ins Parlament sind die Debatten härter, der Ton rauer und die Wortwahl extremer geworden. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) erteilte in der noch jungen Wahlperiode bislang 13 Ordnungsrufe, 12 davon an die AfD. Auch in den Ausschüssen geht es mitunter hoch her.

Nun gibt es einen strengeren Sanktionsmechanismus: Ist ein Redner während einer Rede dreimal wegen Abschweifungen „zur Sache“ gerufen worden, entzieht ihm der sitzungsleitende Präsident das Wort. Ist ein Abgeordneter dreimal während einer Sitzung zur Ordnung gerufen worden, wird er künftig für die Dauer der Sitzung aus dem Saal verwiesen. Gegen einen Abgeordneten, der innerhalb von drei Sitzungswochen dreimal zur Ordnung gerufen wurde, wird der Präsident mit dem dritten Ordnungsruf zugleich ein Ordnungsgeld von 2000 Euro, im Wiederholungsfall 4000 Euro festsetzen. Das entspricht einer Verdoppelung der bisherigen Sätze.

Bisherige Sätze verdoppelt

Die Bundestagspräsidentin oder die sitzungsleitenden Stellvertreter haben weiterhin einen breiten Spielraum bei der Erteilung von Ordnungsrufen. Es gibt keine Liste von „unsagbaren“ Ausdrücken oder Formulierungen. Die neue Geschäftsordnung belässt es bei der Feststellung, dass die Parlamentsrede „von gegenseitigem Respekt und der Achtung der anderen Mitglieder des Bundestages sowie der Fraktionen geprägt sein“ soll.

Zu den robusteren Werkzeugen des Bundestages gehört nun auch Regelungen für Wahl und Abwahl von Bundestagsvizepräsidenten. Das hat einen konkreten Hintergrund: Immer wieder war die AfD mit ihren vorgeschlagenen Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten gescheitert. Künftig gilt nun diese Regelung: Wenn eine Fraktion dreimal mit Vorschlägen für das Amt gescheitert ist, braucht sie künftig für die Einbringung eines erneuten Wahlvorschlags ein Quorum von einem Viertel der Abgeordneten des Bundestags. Neu geregelt sind die Verfahren zur möglichen Abwahl von Vize-Präsidenten und Ausschussvorsitzenden. Darüber kann nur abgestimmt werden, wenn die Hälfte der Abgeordneten dafür sind.

AfD fühlt sich bestätigt

Parteien Die CDU diskutiert über einen neuen Umgang mit den Rechtspopulisten. Erfahrungen gibt es aus anderen Ländern.

Berlin. „Die Art und Weise, wie alle anderen Parteien in den vergangenen Jahren mit der AfD umgegangen sind, hat nicht dazu geführt, dass sie schwächer wurde.“ Diese ernüchternde Bilanz des sächsischen CDU-Generalsekretärs Tom Unger in der „Bild“ sorgt in der Union für Debatten über die Brandmauer zu der in Teilen rechtsextremen Partei. Das Dilemma ist offensichtlich: Die eigene Basis wird ungeduldiger ob der Kompromisse, die Kanzler Friedrich Merz in der Koalition mit der SPD eingehen muss. Gleichzeitig würde eine Öffnung zur AfD die Union spalten.

Wenig überraschend fühlt sich die AfD durch die Debatte bestätigt. „Es ist sehr erfreulich, dass einzelne Köpfe in der Union die Vernunft und demokratische Selbstverständlichkeiten in den Vordergrund stellen“, sagt Parteichefin Alice Weidel dieser Zeitung. Es werde sich zeigen, ob auch das CDU-Präsidium bereit sei, den Weg der undemokratischen Brandmauer zu verlassen.

Ihr Stellvertreter Peter Boehringer erklärt: „Die Union muss sich – statt die Brandmauer immer höher und absurder zu ziehen – inhaltlich in ihren Lebenslügen um fast 180 Grad bewegen. Andernfalls wird sie bald unter 20 Prozent und dann weiter in die dauerhafte Bedeutungslosigkeit fallen.“ Dieser inhaltliche Schwenk, glaubt Boehringer, werde die Brandmauer zum Verschwinden bringen.

In der AfD setzt man darauf, dass der Nachfolger von Friedrich Merz die Mehrheit im Bundestag nicht mehr links, sondern rechts sucht. Inwiefern die AfD dadurch schwächer würde, ist offen. Eine Studie der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung hat entsprechende Kooperationen in zehn europäischen Ländern untersucht – und dabei wenige Konstellationen gefunden, die für die konservativen Parteien gut ausgegangen sind. Allerdings nennen die Studienautoren auch zwei Beispiele, die den Brandmauer-Gegnern Mut machen könnten. Die spanischen Konservativen hätten der rechtspopulistischen Vox erfolgreich Paroli geboten. „Auch wenn in manchen Regionen eine Kooperation mit Vox eingegangen wurde, geschah dies stets unter PP-Führung. Vox bekam sekundäre Ressorts, verlor an Profil – und damit weiter an Zustimmung“, heißt es.

In Finnland habe der Ansatz der Konservativen in der Regierung mit den Rechtspopulisten, Nulltoleranz bei rassistischen oder demokratiefeindlichen Entgleisungen zu zeigen und rote Linien bei Verfassungsfragen zu ziehen, dazu geführt, dass demokratische Mindeststandards gesichert wurden.

Klar ist: Die AfD will vorbereitet sein. Sebastian Münzenmaier – Fraktionsvize und Weidel-Vertrauter – besuchte in dieser Woche die österreichische FPÖ in Wien. Laut „Table.Briefings“ ging es bei dem Treffen auch darum, wie man als Rechtsaußen-Partei in Koalitionsverhandlungen zieht.

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