Flucht in den sicheren Hafen

Geldanlage Der Goldpreis ist erstmals auf mehr als 4000 US-Dollar je Unze gestiegen. Politische Krisen, Konflikte und auch die US-Politik treiben Investoren zum Edelmetall.

Am vergangenen Mittwoch kletterte der Goldpreis erstmals über die Marke von 4000 US-Dollar je Unze (etwa 31,1 Gramm). Damit war das Edelmetall so teuer wie noch nie. Am Donnerstag stieg der Goldpreis weiter bis auf 4242 US-Dollar je Unze. „Tatsächlich erleben wir derzeit die stärkste Goldrallye seit Ende der 1970er Jahre“, erklärt Ronald-Peter Stöferle, Autor des „InGoldWeTrust“-Reports und Partner des Vermögensverwalters Incrementum. Der Goldwert stieg um fast 50 Prozent gegenüber dem US-Dollar seit Jahresbeginn, mit besonderer Beschleunigung im August und September.

Eine Kombination aus verschiedenen Gründen erklärt die immer stärkere Nachfrage nach Gold. Zuletzt spielten dabei vor allem politische Krisen eine wichtige Rolle. Den jüngsten Kursschub erhielt der Goldpreis durch den Stillstand mehrerer US-Regierungsgeschäfte, weil sich im US-Kongress Demokraten und Republikaner nicht über Haushaltsgesetze zur Finanzierung der Bundesregierung einigen konnten. Seit dem 1. Oktober sind viele Ämter und Behörden deshalb geschlossen oder arbeiten stark eingeschränkt.

„Ein wichtiger Faktor für den aktuellen Anstieg des Goldpreises ist die Politik von Donald Trump in den USA“, betont Olaf Stotz, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management. Und auch die sich zuspitzende Staatskrise in Frankreich sowie der Handelsstreit zwischen den USA und China dürften Gründe gewesen sein, warum viele Investoren zuletzt verstärkt auf Gold setzten, das bei Anlegern als „sicherer Hafen“ in politisch unsicheren Zeiten gilt.

Weitere Gründe für den Preisanstieg sind die Spekulation auf sinkende Zinsen in den USA und der verstärkte Kauf von Gold durch Notenbanken, die ihre nationalen Reserven unabhängiger vom US-Dollar machen wollen. „Wir beobachten derzeit eine stille Re-Monetisierung des Goldes. Zentralbanken kauften 2024 netto über 1000 Tonnen – das höchste Volumen seit Beginn der Aufzeichnungen. Im ersten Halbjahr 2025 kamen bereits 483 Tonnen hinzu, womit sie inzwischen ein Drittel der globalen Minenproduktion absorbieren“, sagt Stöferle. Besonders die derzeitigen Top-Käufer Polen, Indien und China möchten damit ihre Abhängigkeit vom US-Dollar reduzieren. Da Gold in US-Dollar gehandelt wird, führt eine Abwertung des Dollar dazu, dass Gold für Anleger außerhalb der USA günstiger wird – was Nachfrage und Preis antreibt.

Mehr als Wertanlage

„Gold ist nicht nur eine Wertanlage, sondern auch ein Symbol. Es steht für Status, für Freude, für etwas, das uns schon ewig begleitet – viel länger als Münzen oder andere Zahlungsmittel“, erklärt die Finanzpsychologin Monika Müller. Gold begegne Menschen in allen Lebensphasen und habe deshalb für viele eine besondere Bedeutung. „Gerade in Krisenzeiten besinnen wir uns auf Dinge, die wir schon lange kennen. Im Unterschied zu Krypto oder Bitcoin ist Gold etwas, das über Jahrhunderte hinweg da war“, sagt Müller. Wer Gold besitze, habe das Gefühl, in einer Krisensituation handlungsfähig zu bleiben „auch wenn das rational gesehen gar nicht unbedingt zutrifft“. Und selbst wer gar kein Gold hat, empfinde die Vorstellung, es sich kaufen zu können, als beruhigend.

Doch Stotz warnt vor zu viel Euphorie: „Ein Investment erzeugt von sich aus Renditen. Eine Aktie zahlt Dividende, eine Anleihe Zinsen, eine Immobilie Miete. Gold bringt keinen Ertrag. Man kann nur hoffen, es später teurer zu verkaufen.“ Als langfristige Altersvorsorge sei das Edelmetall daher ungeeignet, denn es gebe über Jahrzehnte zu viele Phasen ohne Rendite. Und dass Gold ein sicherer Inflationsschutz sei, lasse sich wissenschaftlich nicht bestätigen. „Langfristig bietet der Aktienmarkt den deutlich besseren Schutz bei ähnlichem Risiko“, betont Stotz.

„Wenn die Unsicherheit in den USA anhält, kann der Goldpreis kurzfristig noch weiter steigen. Aber das ist reine Spekulation“, sagt Stotz. Derzeit befinde man sich erst „in der mittleren Phase“ eines langfristigen Aufwärtstrends an den Finanzmärkten, der sich über mehrere Jahre erstreckt, betont hingegen Stöferle. Trotz möglicher kurzfristiger Korrekturen sieht er Gold deshalb weiter im Aufwind: „Der beginnende Zinssenkungszyklus der Fed, die steigende Geldmenge, ETF-Zuflüsse und rekordhohe Zentralbankkäufe sprechen für Goldpreise von 4500 bis 5000 US-Dollar bis Ende 2026.“

Die größte Goldreserve hatten Ende des Jahres 2024 die USA mit 8133 Tonnen. Das geht aus Daten des World Gold Council hervor. Deutschland liegt mit 3351 Tonnen auf Platz zwei.

Kommentar

Grenzen ziehen

Regelmäßig kassiert das Bundesverfassungsgericht Gesetze. Gleichzeitig riskiert die Regierung mit waghalsigen Regelungen auch genau das. Was sagt uns das?

Als das Bundesverfassungsgericht vor zwei Jahren den Nachtragshaushalt 2021 für verfassungswidrig erklärte, war vielen die Tragweite dieser Entscheidung nicht auf den ersten Blick klar. In Oppositionskreisen feierte man, dass Karlsruhe die kreativen Pläne der Regierung in einer Notlage bewilligte, aber ungenutzte Kredite umzuwidmen und für andere Zwecke aufzunehmen, einkassierte. Recht schnell wurde aber deutlich, wie tief das Gericht die Haushaltspolitik durch das Urteil regulierte und damit die Gestaltung künftiger Politik massiv beeinflusste.

Dass die Karlsruher Richterinnen und Richter Gesetze kassieren, ist nicht neu. Immer wieder setzt das Gericht der Politik Grenzen – das ist auch seine Aufgabe. Umgekehrt testet der Gesetzgeber immer wieder seine Grenzen, trifft riskante Entscheidungen und setzt darauf, dass entweder niemand klagt – oder dass das Gericht für die Politik entscheidet.

Ein Prozess, der zur Demokratie dazugehört. Wenn Gerichte unabhängig Entscheidungen treffen dürfen und gegebenenfalls dem Regierungshandeln einen Riegel vorschieben können – in autokratischen Systemen undenkbar –, bezeugt das die Stärke einer Demokratie. Doch wann ist der Punkt erreicht, an dem verfassungsgerichtliche Vorgaben die Gestaltungsfreiheit zu sehr beschränken? Wie viel Macht für das Verfassungsgericht ist zu viel, wann droht eine Verrechtlichung der Politik?

Auch die aktuelle Bundesregierung wird sich früher oder später mit einer Entscheidung des Gerichts konfrontiert sehen. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit werden ihre Pläne zur neuen Grundsicherung für Arbeitsuchende beklagt werden. Denn mit dem Plan, Leistungen unter bestimmten Umständen in Gänze zu streichen, bewandert Schwarz-Rot einen schmalen verfassungsrechtlichen Grad. Ob hier der nächste Rüffel für Schwarz-Rot wartet, oder das Gericht die Lage neu bewertet, wird sich zeigen.

Klar ist, dass auch das Verfassungsgericht Umstände neu interpretieren, neue Erkenntnisse in seine Urteilsfindung fließen lassen und gegebenenfalls anders entscheiden können muss. Die Richterinnen und Richter seien trotz ihrer Fähigkeiten „auch nur fehlbare Menschen und keine über allem schwebenden Geschöpfe eines objektiven Weltgeistes“, befand die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts Jutta Limbach.

Nur weil eine Norm einmal als verfassungswidrig eingestuft wurde, muss der Gesetzgeber nicht auf alle Ewigkeit die Finger von diesem Gebiet lassen. Die Politik sollte sich aus Angst vor dem Verfassungsgericht niemals selbst geißeln und zurückhalten. Andernfalls droht der politische Prozess zu erlahmen und die politische Kultur Schaden zu nehmen. Gleichzeitig sollte eine Regierung immer so verantwortlich handeln, dass nicht bei jeder Norm spekuliert wird, ob jemand gegen das Gesetz klagen könnte. Und nicht bei jeder Politikgestaltung kann die Regierung eine Verfassungsrüge riskieren. Das würde am Vertrauen in die Politik ebenso kratzen wie an der Akzeptanz des Verfassungsgerichts.

leitartikel@swp.de

Kommentar

Neue Chancen

In Bolivien gewinnt Mitte-Rechts-Kandidat Rodrigo Paz die Präsidentschaftswahlen. Das ist auch eine Chance für Deutschland und Europa.

Gemeinhin sind Wahlen in Bolivien kein großes Thema in den europäischen Nachrichten. Dabei hat der Erfolg des Christdemokraten Rodrigo Paz über den Wirtschaftsliberalen Tuto Quiroga durchaus geopolitische Bedeutung. Denn erstmals seit 20 Jahren wird in La Paz wieder ein Präsident ins Amt kommen, der dem Westen, Europa und Deutschland freundlich gegenübersteht. Das ist aus zweierlei Sicht wichtig: Erstens wird Bolivien künftig zum vollwertigen Mitglied im südamerikanischen Handelsbündnis Mercosur aufsteigen und damit eine deutlich proeuropäischere Haltung einnehmen als die linken Vorgänger-Präsidenten Evo Morales oder Luis Arce.

Zudem ist Bolivien das lithiumreichste Land der Welt. Unmittelbar vor den Wahlen hatten die alten Mächte noch zwei hoch umstrittene Lithium-Verträge mit Russland und China in geheimer Abstimmung durch das Parlament gepeitscht. Mit Paz dürften aber auch westliche Investoren neue Chancen bekommen, um den für die Mobilitätswende so wichtigen Rohstoff zu erhalten. Für Deutschland könnte sich eine zweite Chance ergeben, nachdem ein früheres Joint Venture scheiterte.

Auf den neuen Präsidenten warten schwere Aufgaben: Im Land ist der Sprit knapp geworden, die Dollar-Reserven sind fast aufgebraucht, Bolivien steckt in einer veritablen Wirtschaftskrise. Die Implosion des Sozialismus bei den Wahlen verschafft Paz aufgrund möglicher Kooperationen in den Kammern eine Mehrheit, die notwendige Reformen möglich macht. Diesen Weg sollten Berlin und Brüssel unterstützen, auch weil Deutschland und Europa einen zuverlässigen Partner in Südamerika gut gebrauchen können.

Studie: Werden Klimaziele nicht erfüllt, droht eine Klagewelle

Umweltpolitik Die EU streitet über den Abbau des Schadstoffausstoßes und verliert selbstgesteckte Vorgaben aus den Augen. Das könnte juristische Konsequenzen haben.

Brüssel. Die EU sieht sich als Vorreiterin im Kampf gegen den Klimawandel, allerdings ist sie selbst kein allzu gutes Vorbild. Wenige Wochen vor der Weltklimakonferenz im brasilianischen Belém (COP30) kann sich die Union nicht auf gemeinsame Klimaziele einigen.

Nun haben die Grünen im Europaparlament eine Studie zur Rechtslage in Auftrag gegeben. Das Fazit ist eindeutig: Würde die EU ihre geplanten Klimaziele nicht einhalten, könnte eine Klagewelle auf alle Beteiligten zurollen. Das sei geradezu eine Einladung, vor Gericht zu ziehen, betont der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss. Die Staats- und Regierungschefs wollen Ende dieser Woche über die EU-Klimaziele beraten.

„Die Nichterreichung eines 2040-Ziels im Einklang mit internationalen und Menschenrechten würde zu erheblichen rechtlichen Risiken und Unsicherheiten führen“, heißt es in der Studie, die unserer Zeitung vorliegt. „Dies würde die EU und ihre Mitgliedstaaten potenziellen Haftungsrisiken gegenüber Drittländern aussetzen und Auswirkungen auf das europäische Rechtssystem haben.“ Erarbeitet wurde die Studie unter anderem von Roda Verheyen, eine auf Klimarechtsfragen spezialisierte Rechtsanwältin und Richterin am Hamburgischen Verfassungsgericht. Sie warnt, dass auch privaten Akteuren und Unternehmen Rechtsunsicherheit drohe, „wenn sie sich im Rahmen von Regulierungen, Geschäftsbeziehungen und Handelsabkommen nicht auf die Rechtmäßigkeit der EU-Ziele verlassen können“.

Frist der UN ist abgelaufen

Der Druck auf die EU, sich festzulegen, ist hoch. Ende September war eine Frist der Vereinten Nationen an alle Vertragsstaaten des Pariser Klimaabkommens abgelaufen, ihre nationalen Klimaziele für 2035 zur Umsetzung des Abkommens zu überarbeiten und ehrgeiziger zu formulieren. Die EU-Kommission hat bis 2040 eine Emissionsminderung um 90 Prozent gegenüber 1990 vorgeschlagen, davon sollte ein Zwischenziel für 2035 abgeleitet werden.

Nachdem sich die EU-Staaten darauf nicht einigen konnten, wurde als Notlösung für 2035 eine Emissionsminderung um 66,25 bis 72,5 Prozent zugesichert. Anfang November wollen sich die EU-Umweltminister erneut mit dem Klimaziel für 2035 befassen und es knapp eine Woche vor Beginn der COP30 beschließen.

Michael Bloss nennt es „einfach nur peinlich“, wenn EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ohne ein ehrgeiziges EU-Klimaziel nach Belém reisten. Er warf der Bundesregierung vor, aus ihren Reihen kämen derzeit „tägliche Angriffe auf die europäische Klimapolitik“. Gemeinsam mit anderen habe Deutschland eine Einigung auf EU-Ebene blockiert, das gefährde „die wirtschaftliche Planungssicherheit“.

Merz nennt AfD „Hauptgegner“

Parteien Der CDU-Chef will die Rechtspopulisten bekämpfen – er trägt aber keine Ideen vor, wie dies gelingen soll.

Berlin. Was Bundeskanzler Friedrich Merz nach Beratungen des CDU-Präsidiums den wartenden Journalisten mitgebracht hat, soll wie eine möglichst harte Kampfansage an die AfD klingen. „Wir werden uns von diesen Leuten nicht zerstören lassen“, sagt der CDU-Chef. Seine Partei habe mit der AfD „keinerlei Übereinstimmung – weder in den Grundüberzeugungen noch in den tagespolitischen Fragen, die es zu beantworten gilt“.

Darüber hinaus sagt der Kanzler, das Präsidium habe sich keinesfalls hauptsächlich mit der AfD beschäftigt. „Wir haben uns mit uns beschäftigt“, sagt Merz. Er will das nicht als Selbstbespiegelung verstanden wissen, sondern als Auseinandersetzung mit für das Land wichtigen Fragen – von der Sicherheit bis hin zur wirtschaftlichen Lage.

Die Lage der CDU erinnert an die eines Fußballvereins in der Krise. Auch dort demonstriert der Trainer nach außen meist Selbstbewusstsein. Mit der Botschaft: „Wenn auf dem Platz alle abrufen, was sie können, dann werden die Ergebnisse auch besser.“ Nur dass er auch ratlos wirkt bei der Frage, was er genau ändern müsste.

Im Jahr 2026 werden in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Berlin, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern neue Landtage gewählt. Bundesweit liegen Union und AfD derzeit fast gleichauf zwischen 25 und 27 Prozent. In den ostdeutschen Ländern, in denen gewählt wird, liegt die AfD deutlich vorn.

Debatte auch im Westen

In der CDU hat die Debatte über den richtigen Umgang mit der AfD, die bislang vor allem in den Ostverbänden brodelte, auch den Westen erreicht. Viel Aufmerksamkeit hat eine Äußerung des früheren CDU-Generalsekretärs Peter Tauber bekommen: Die Union solle „über eine Politik der roten Linien nachdenken, die es dann aber auch erlaubt, Beschlüsse zu fassen, denen die AfD zustimmt“. Merz will das Wort „Brandmauer“ vermeiden, aber die Unterschiede zur AfD so deutlich machen wie möglich.

Und was sagt die SPD zur Debatte in der Union? Die AfD könne nie ein Partner für die Zusammenarbeit mit demokratischen Parteien sein, sagt Generalsekretär Tim Klüssendorf. „Und ich möchte Friedrich Merz glauben, wenn er als Bundeskanzler und CDU-Vorsitzender sagt, dass er das auch so sieht.“ Im Wort „möchte“ klingt ein Zweifel mit.

Keinen Zweifel lassen will Merz an seiner Entschlossenheit, dass die Union stärkste politische Kraft im Land bleiben müsse. Die AfD werde wahrscheinlich der Hauptgegner der Union bei den Landtagswahlen sein, sagt er. „Und ich kann jedem nur raten, es ernst zu nehmen, wenn wir jemanden als Hauptgegner bezeichnen“, formuliert es der CDU-Chef. Das, so Merz, hätten die Grünen bei der vergangenen Bundestagswahl erfahren.

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