Traditionelle Geschlechterrollen sollen aufgebrochen werden

  • Referent Malte Meyer gab Einblick in seine eigenen Erfahrungen. Foto: Margit Haas

Familie Zum 20. Male haben die Gleichstellungsbeauftragten von Stadt und Landkreis zu den Frauenwirtschaftstagen eingeladen – erstmals auch Männer.

Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr“ – das wusste bereits Wilhelm Busch vor weit mehr als 100 Jahren. Die Gedanken, die ihn zu seinem zwischenzeitlich geflügelten Wort inspiriert haben, dürften freilich andere gewesen sein, als die, die heute junge Familien umtreiben, wenn sie überlegen, wie die Familienarbeit und Kindererziehung gerecht verteilt, wie Mütter und Väter gleichermaßen Aufgaben und Verantwortung übernehmen können.

„Es braucht Öffnungen in allen Lebensbereichen“, betonte Tamara Orban im Göppinger Landratsamt. Die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises hatte gemeinsam mit ihrer Kollegin von der Stadt Göppingen, Anja Verena Schick, der Wirtschaftsförderung, der Agentur für Arbeit, dem Regionalbüro für berufliche Fortbildung Esslingen sowie der Kontaktstelle Frau und Beruf Stuttgart zu den zwischenzeitlich 20. Frauenwirtschaftstagen eingeladen – zum ersten Male ganz gezielt auch Männer. „Vater sein statt nur Vater werden – Warum sich gleichberechtigte Elternschaft lohnt“ hatten sie die Veranstaltung überschrieben, die tatsächlich ebenso viele junge Väter wie Mütter ansprach.

Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus, das regelmäßig die Schirmherrschaft über die Veranstaltungsreihe übernimmt, hatte das Thema vorgegeben. „Es ist aktueller und wichtiger denn je“, betonte Orban. Gerade auch für Männer. Zunächst hatte Malte Meyer von seinen eigenen Erfahrungen berichtet. Der Coach für moderne Führung, Väter, Jobsharing und Vereinbarkeit hatte bei einem großen Automobilkonzern eine Führungsaufgabe inne, war die erste Führungskraft, die ihre Arbeitszeit reduzierte und für 18 Monate Elternzeit nahm. Dabei sei es „um Vereinbarkeit gegangen“. Heute ist er selbständiger Coach und übernimmt einen paritätischen Anteil der Aufgaben innerhalb der Familie.

Dies bedeute „das Möglichmachen der Gleichzeitigkeit der Dinge im beruflichen und privaten Kontext.“ „Unser Ziel ist eine gleichberechtigte Elternschaft“, stellte ein junger Vater mit einer sechs Monate alten Tochter fest. „Die Mutter des Kindes hat das gleiche Recht wie ich als Vater, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen. Es geht um das Gleichgewicht der Interessen.“

Dieser Anspruch scheitere aber an der Realität, an den Rahmenbedingungen. Also daran, dass es schwierig ist, eingefahrene Geschlechterrollen aufzubrechen. Das sei aber Voraussetzung, „um beide Elternteile zu entlasten“, bekräftigte Meyer. Die Gesellschaft müsse Rahmenbedingungen schaffen „für eine faire Aufteilung“. Innerhalb der Familie brauche es – so seine Erfahrung – „ganz viel Kommunikation und Ehrlichkeit, vor allem zu sich selbst“. Gerade Männer müssten ihr eigenes Rollenverständnis kritisch betrachten, sich auch mal einen Kommentar ersparen, wenn der teilzeitbeschäftigte Kollege um 15 Uhr Feierabend macht. „Für ihn geht die Arbeit zu Hause weiter.“ Anhand von wenigen Zahlen belegte er, dass in Deutschland Familie indes noch immer in traditionellen Konstellationen organisiert sei. So nehmen Frauen im Durchschnitt 11,6 Monate Elternzeit, Männern 2,8. In Teilzeit arbeitet fast die Hälfte aller Frauen, bei Männern sind es zwölf Prozent. „Ziel muss sein, Abhängigkeiten zu reduzieren.“ Die bestehen bleiben bis über den Rentenbezug hinaus. Auf die Frage, wie es bei ihm zu einem Umdenken gekommen sei, stellte er freimütig fest: „Meine Frau forderte dies ein.“ Heute betont er vor allem die Chancen, die die gleichberechtigte Elternschaft mit sich bringe. „Wir können unsere jeweiligen Stärken besser einbringen und das, was wir ungern machen, dem Partner überlassen, der es vielleicht gerne macht.“

In zwei Arbeitsgruppen diskutierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Fragen „Was gewinne ich, wenn ich Verantwortung wirklich teile?“ und „Wie sieht Erfolg aus, wenn ich ihn familiengerecht definiere?“ Ergebnis: Gerade der Begriff Erfolg wird im Privaten oft gar nicht verwendet. Die Diskutanten waren sich einig: „Es wäre aber lohnend, hier nicht nur von ‚Erfüllung‘ zu sprechen.“ Fazit der Veranstaltung war, dass es insbesondere gesellschaftliche Rahmenbedingungen brauche. „Oftmals ist es für junge Paare weniger eine Frage des Wollens als des Könnens“, betont Tamara Orban.

Eltern sollten gleichberechtigt sein, das ist wichtiger denn je. Tamara Orban Gleichstellungsbeauftragte

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