Findet ein Gutachter die Ursache?
Baierstraße Ein Stuttgarter Ingenieurbüro für Umwelttechnik untersucht die Kanalisation der Gemeinde Böhmenkirch und die Produktion bei der Firma Fysam: Die Quelle des Gestanks soll gefunden werden.
Jetzt hoffen alle, dass ein Gutachten endlich Licht ins Dunkel bringt zum Gestank in der Baierstraße in Böhmenkirch. Das ist das Fazit eines Gesprächs zwischen Anliegern und Vertretern von Regierungspräsidium (RP), Landratsamt und Gemeinde am Dienstagabend im Böhmenkircher Rathaus. Der Austausch habe leider „wenig neue Erkenntnisse gebracht“, erläutert Anliegerin Susanne Heinzmann gegenüber der GZ: „RP und Landratsamt haben auf die jeweiligen Zuständigkeiten hingewiesen und Bürgermeister Nägele hat erklärt, dass er heute manches anders machen würde.“
Kritik am Regierungspräsidium
Heinzmann will sich angesichts der komplexen Situation zwar kein Urteil erlauben, beklagt indessen, dass sich die Sache viel zu lange hingezogen habe: „Es geht hier schließlich nicht nur um Gestank – es geht um unsere Gesundheit!“ Das Gutachten beim Stuttgarter Ingenieurbüro Jedele und Partner hätte daher viel früher in Auftrag gegeben werden müssen. Auch das RP steht in der Kritik – ein Brief an Präsidentin Susanne Bay habe „nur nichtssagende Antworten gebracht“. Gemeinderat Philipp Elwert stößt ins gleiche Horn: „Das RP wurde im Januar über die unhaltbaren Zustände informiert, hat Bürger und Gemeinde dann aber monatelang im Regen stehen lassen.“
Um weitere Erkenntnisse zur Ursache des Gestanks zu bekommen, hat die Gemeinde inzwischen spezielle Datenlogger gekauft. Seit 30. September sind vier der fünf Geräte installiert: Ein Logger misst Temperatur und Konzentration von Schwefelwasserstoff (H2S) im Übergabeschacht der Firma Fysam auf den Heidhöfen, ein weiterer im Pumpwerk zwischen Heidhöfen und Böhmenkirch. Zwei Messgeräte hängen im Kanal im oberen und unteren Bereich der Baierstraße. Den fünften Datenlogger will Bürgermeister Matthias Nägele in einem Wohnhaus installieren lassen. Nägele zufolge sind die per Funk übertragenen Dauermessungen bislang unauffällig.
Das Gutachten wiederum soll neben Untersuchungen in den Abwasseranlagen der Gemeinde klären, ob eventuell auch die Produktionsprozesse bei der Firma Fysam für den üblen Geruch verantwortlich sind. Wie berichtet, wurden im Abwasserübergabeschacht von Fysam am 14. Juli H2S-Konzentrationen von 88 parts per million (ppm) gemessen. Auf dem Weg bis zur Kanalisation in der Baierstraße waren die Werte bis auf über 200 ppm angestiegen. Der gesetzliche Grenzwert für H2S liegt bei 5 ppm.
Chemische Kettenreaktion?
Angesichts des exponentiellen Anstiegs der Werte hält es Bürgermeister Matthias Nägele für möglich, dass Abwasser von Fysam und anaerobe Bedingungen in der Abwasserdruckleitung der Kommune eine chemische Kettenreaktion auslösen (siehe Infokasten). Ein Indiz für Nägele: „Als Fysam nach den Ereignissen am 14. Juli eine Eloxalanlage außer Betrieb nahm, war der Gestank weg.“ Seitdem gelange auch kein Abwasser der betreffenden Anlage mehr ins öffentliche Netz, sondern werde von der Firma über einen „Vakuumverdampfer“ getrennt entsorgt.
Warum es dann an drei Sonntagen im August und anschließend am 1. September und 15. September trotzdem wieder stank in der Baierstraße, ist auch Nägele ein Rätsel. Aus diesem Grund soll der Gutachter die gesamte Produktion bei Fysam unter die Lupe nehmen: „Vielleicht hat die Firma noch anderswo ein Problem“. Nägele zufolge will Fysam kooperieren und dem Ingenieurbüro freien Zugang zu allen Anlagen gewähren. Außerdem will das Unternehmen sich an den Kosten des rund 15 000 Euro teuren Gutachtens beteiligen.
Bei den Anliegern hat man inzwischen eine eigene Theorie: Susanne Heinzmann ist aufgefallen, dass der Gestank immer am Wochenende auftrat, wenn bei Fysam nicht oder kaum gearbeitet wurde. Heinzmann: „Dann fiel auf den Heidhöfen weniger Abwasser an, das auch nicht so oft gepumpt wurde – und so Zeit zum Gären hatte.“ Der Bürgermeister widerspricht: Die Gemeinde habe die Pumpintervalle verkürzt und nach jedem Pumpen die Leitung mit Druckluft durchgeblasen. „Mehr können wir als Gemeinde nicht tun.“ Wann die ersten Ergebnisse des Gutachtens vorliegen, ist noch unklar: Der zuständige Ingenieur befindet sich derzeit im Urlaub und kommt erst in einer Woche zurück.
In der Baierstraße stinkt es schon seit Jahren immer wieder. Erstmals trat der penetrante Geruch nach faulen Eiern vor rund zehn Jahren auf –und verschwand dann nach einigen Wochen ebenso spurlos, wie er aufgetaucht war. Ab Juli 2024 kam es dann erneut zu Geruchsproblemen, die sich in periodischen Abständen bis in den September 2025 hinein fortsetzten. Nachdem die Ursache zunächst unklar war, ergaben am 14. Juli 2025 Messungen erheblich erhöhte Konzentrationen von H2S im Abwasser der Firma Fysam. Damit scheint zumindest eine Quelle des üblen „Stinkbomben-Geruchs“ geklärt zu sein.