Koalitionsstreit über Wehrdienstreform eskaliert

Bundeswehr Union und SPD wollten ihren Disput über die nötigen Veränderungen eigentlich beilegen. Jetzt ist das Gegenteil passiert. Grüne sprechen von Chaos.

Der Streit zwischen Union und SPD über den neuen Wehrdienst eskaliert. Die Koalitionspartner ließen am späten Nachmittag eine Pressekonferenz zu dem Gesetzentwurf wegen zu großer Unstimmigkeiten kurzfristig platzen. Eine von Unterhändlern beider Seiten gefundene Grundsatzeinigung hatte zuvor in der SPD-Fraktion keine Zustimmung gefunden. Für Unmut sorgt vor allem ein von der Union vorgeschlagenes Losverfahren bei der Auswahl von Wehrdienstleistenden. Ob das von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) stammende Gesetz wie geplant am Donnerstag in den Bundestag eingebracht wird, ist völlig offen.

In der SPD-Fraktionssitzung soll vor allem Pistorius selbst gegen die Einigung der Unterhändler Stimmung gemacht haben. Beim Verlassen der Fraktionssitzung distanzierte er sich vom Unions-Vorschlag eines Losverfahrens: „Das war nicht meine Idee, das war eine Unions-Idee.“

CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn hatte die Idee des Losverfahrens kurz vor der Eskalation des Streits noch verteidigt. Dieses Verfahren für die Auswahl der Wehrdienstleistenden sei „das fairstdenkbare“.

Das Kabinett hatte sich im August auf den von Pistorius vorgelegten Entwurf verständigt, der zunächst auf Freiwilligkeit bei der Rekrutierung von Wehrdienstleistenden setzt. Die Union war damit unzufrieden und drängte auf automatische Einführung der Wehrpflicht, wenn bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht genug Freiwillige gefunden werden. Nachverhandlungen wurden von Siemtje Möller und Falko Droßmann für die SPD sowie Norbert Röttgen und Thomas Erndl für die Union geführt. Am Sonntag berichteten Medien über eine Einigung auf ein Losverfahren. Am Montagabend fand eine finale Verhandlungsrunde statt, nach der von einer Grundsatzeinigung die Rede war. Am Dienstagvormittag wurde die Einladung zur Pressekonferenz verschickt. Die Rechnung wurde aber ohne die SPD-Fraktion gemacht. Grünen-Chef Felix Banaszak sagte, die Absage sei ein Zeichen des Chaos in der Koalition.

Kommentar Themen des Tages

Hamas will weiterkämpfen

Nahost-Konflikt Furcht vor neuer Gewalt in der Region. Ausmaß der Zerstörung ist enorm.

Gaza. Nach den Freudenfeiern in Gaza und Israel wird deutlich, welche Zerstörung der Krieg hinterlassen hat. In dem Küstengebiet müssen nach Schätzungen mehr als 55 Millionen Tonnen Schutt weggeschafft werden, bilanzierte die UN. Für Aufsehen sorgen auch Berichte, die Terrororganisation Hamas habe im Gazastreifen politische Gegner und mutmaßliche israelische Kollaborateure öffentlich hingerichtet und sich Schießereien mit rivalisierenden Kräften geliefert.

In Israel mischte sich am Tag danach in die Freude über die Freilassung der lebenden Geiseln Unmut, dass nur die Leichen von vier Geiseln zurückgegeben wurden. Die israelische Regierung habe in dieser Frage Berichten zufolge „Fortschritte“ bis spätestens Dienstagabend gefordert.

Zudem wuchs die Sorge, die ausgehandelte Waffenruhe könnte schnell bröckeln: Eine israelische Drohne tötete in Gaza-Stadt drei Menschen, die israelische Armee teilte mit, mehrere Personen hätten sich israelischen Stellungen genähert und eine Bedrohung dargestellt. Dies sei eine Verletzung der Waffenruhe.

Außenminister Johann Wadephul sagte indes, gebraucht werde nun ein Rahmen für Schutztruppen in Gaza. Dazu sei eine Resolution des UN-Sicherheitsrats notwendig, der auch Peking und Moskau zustimmen müssten. Erste Gespräche mit beiden Staaten liefen schon. Voraussetzung, dass der Friedensprozess erfolgreich sein könne, sei die Entwaffnung der Hamas. Die kündigte aber an, den Kampf gegen Israel fortzusetzen.

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