Kommunen schlagen Alarm

Brandbrief Der Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg warnt: Die Kommunen haben große finanzielle Probleme. Der Kreisverband des Gemeindetags steht hinter den Forderungen.

Zum 35. Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober hat Steffen Jäger einen „Brief an die Bürgerinnen und Bürger in den Städten und Gemeinden“ veröffentlicht. Der Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, des größten Interessenvertreters der kreisangehörigen Städte und Gemeinden im Land, warnt eindringlich: Die meisten Kommunen seien finanziell am Ende ihrer Möglichkeiten. Es kämen immer mehr Aufgaben dazu, die ihnen von Land und Bund aufgebürdet würden. Das sei so nicht mehr zu stemmen. Neben einer besseren finanziellen Ausstattung der Kommunen müsse man aber auch dringend den Bürokratieabbau voranbringen. Ukraine-Krieg, Rezession und Gefahren für die Demokratie: „Die Lage ist ernst“, schreibt Jäger.

Das Problem nach außen tragen

Das kann man im Kreisverband Schwäbisch Hall des Gemeindetags voll und ganz unterschreiben. „Wir müssen die Problematik mehr nach außen tragen. Es ist einfach noch nicht so richtig bei den Menschen angekommen“, sagt Damian Komor. Der Bürgermeister von Mainhardt und Vorsitzende des Kreisverbands ergänzt: „In den Kommunen arbeiten wir schon immer lösungsorientiert, aber mittlerweile sind wir am Anschlag.“ Man stehe hinter dem Brief Jägers, in zahlreichen Kommunen sei er auch auf der Gemeindewebsite und im Amtsblatt veröffentlicht worden. Es gehe ihm darum, das Problem zu „lokalisieren“, sagt Komor. Also aufzuzeigen, dass es nichts Abstraktes ist, sondern auch viele der Kommunen im Landkreis Schwäbisch Hall betreffe.

„Wenn wir zur Bürgermeister-Dienstbesprechung zusammenkommen, ist Geld immer Thema“, sagt Komors Stellvertreter Julian Tausch, der Bürgermeister von Rosengarten. Die finanzielle Schieflage habe vor allem durch den Ukraine-Krieg Fahrt aufgenommen, kommunale Projekte könnten nicht mehr so umgesetzt werden wie bislang. „In der Geschwindigkeit, wie wir sie noch vor der Pandemie kannten, geht es nicht mehr. Die Finanzen geben es nicht mehr her“, sagt Tausch. Langsam sei man „am Ende der Kreativität“ angelangt, „wir können jeden Euro eben nur einmal ausgeben“. Die Rücklagen würden immer weiter schrumpfen, das dürfe so nicht weitergehen. Auch größere und wohlhabendere Kommunen müssten mittlerweile an ihr Gespartes.

Umsetzung mit eigenen Mitteln

Komor konkretisiert: „Wir haben immer mehr Aufgaben zu erledigen. Der Gesetzgeber gibt Vorgaben und das letzte Glied in der Kette, also wir Kommunen, muss es umsetzen. Und das mit eigenen Mitteln.“ Er bringt die Forderung des Gemeindetags auf den Punkt: „Wer bestellt, bezahlt!“ Wenn der Staat etwas wolle, beispielsweise die Ganztagsbetreuung in Kindertageseinrichtungen, müsse man dies auch komplett durchdenken. „Wenn ich mir ein neues Auto kaufen will, kann ich ja auch nicht hingehen und sagen, dass der Julian Tausch das dann zu zahlen hat“, ergänzt der Mainhardter Schultes. 93 Prozent der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Baden-Württemberg forderten eine „konsequente Reform in diesem Sinne“, schreibt Steffen Jäger. Er habe unter den Kolleginnen und Kollegen im Landkreis Schwäbisch Hall zwar nicht explizit nachgefragt, sagt Damian Komor dazu, „aber ich bin sicher, dass die Zahl ähnlich hoch sein wird“.

Brötel: Keine Alarmismen

Tausch spricht als Beispiel das Thema Schulsozialarbeit an, für deren Umsetzung die Schulträger, also die Kommunen, aufzukommen hätten. Streichen könne man so etwas beispielsweise nicht mehr. Man erhalte zwar eine gute Unterstützung durch den Landkreis, aber das reiche nicht immer. „Außerdem haben die Kreise ja ganz ähnliche Probleme“, ergänzt Tausch. Ein paar Tage nach Erscheinen des Bürgerbriefs des Gemeindetags hatte sich Achim Brötel, Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg, entsprechend in einem Interview mit der Südwestpresse geäußert. „Das sind keine Alarmismen, sondern es ist echte Not. Wenn die Kommunen jetzt im Herbst ihre Haushalte aufstellen, wird diese Situation ganz schnell auch auf die Lebenswirklichkeit der Menschen durchschlagen.“ Mit diesen Worten lässt sich Brötel zitieren, der auch Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises ist.

Komor und Tausch fassen die Forderungen ihres Verbandspräsidenten so zusammen: Es brauche nicht nur eine Reform der Gemeindefinanzen, sondern auch eine klare Aufgaben- und Standardkritik. Entbürokratisierung sei hier das Stichwort. Bund und Land könnten zwar bestimmte Dinge durch Zuschüsse oder Förderungen steuern, das löse aber nicht die grundlegenden Probleme. Damian Komor drückt es drastisch aus: „Die kommunale Selbstverwaltung steht auf dem Spiel. Wir fordern mehr Vertrauen der Politik in unsere kommunalen Gremien.“ Man brauche auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt, um Reformen anzugehen. Dabei seien die Bürgerinnen und Bürger gefragt. So hatte es auch schon Steffen Jäger ausgedrückt.

Mitarbeit erwünscht

Der Präsident des baden-württembergischen Gemeindetags hatte zudem abschließend in seinem Schreiben den Schutz der Demokratie angemahnt. Dazu gehöre zuallererst „eine neue Ehrlichkeit und ein nüchterner Realismus“, man stehe vor den größten Herausforderungen seit Jahrzehnten. „Als Vertreter der Kommunen sagen wir Ihnen die Wahrheit: Dies wird uns allen etwas abverlangen“, betont Jäger. Dem pflichten Komor und Tausch uneingeschränkt bei. Mitarbeit sei erwünscht, in den Kommunen pflege man seit jeher den „direkten Draht“ zur Bürgerschaft und sei nah dran an den Menschen. Damian Komor bringt es auf einen Punkt: „Jetzt ist die Chance, mitzureden.“ Alle Demokratinnen und Demokraten seien angesprochen.

Stichwort

Kommentar

Auf ländlichen Raum blicken

Wacklige Haushalte bringen die Lokalpolitik ins Schwitzen. Der Hilferuf des Gemeindetags muss gehört werden.

Für aufmerksame Beobachtende der kommunalpolitischen Geschehens ist es nichts Neues: Die Kommunen ächzen seit Jahren unter der Last von immer neuen Aufgaben. Da machen diejenigen im Landkreis Schwäbisch Hall keine Ausnahme. Die Rufe nach Reformen und nach Hilfe von Land und Bund sind schon lange zu vernehmen, aber sie waren lange nicht mehr so laut Steffen Jägers Brief an die Bürger. Einzelne Stimmen, und seien sie noch so hochrangig, bleiben aber oftmals ungehört.

Umso besser, dass sich auch der Vorstand des Kreisverbands Schwäbisch Hall des Gemeindetags Baden-Württemberg jetzt in die Diskussion einmischt. Denn wenn es in den Gemeinden zu unpopulären Sparmaßnahmen kommen sollte, wird das Fundament der Gesellschaft, vor allem im ländlichen Raum, angegriffen. Und das wäre ein noch größeres Einfalltor für populistische Demokratieverächter.

Eine bessere finanzielle Ausstattung der Gemeinden ist machbar, wenn man sich einmal an Probleme herantrauen würde, die von der großen Politik gern kleingeredet werden. So muss die jährliche Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe ein Ende finden, und zwar schnell. Genauso muss man sich auch mal ehrlich machen in Bezug auf die Besteuerung irrsinnig hoher Vermögen oder das Vererben selbiger.

Demokratie bedeutet Gemeinsinn, so wie er beispielsweise in den ländlichen Kommunen praktiziert wird. Und das bedeutet, dass jeder seinen Teil beitragen muss. Augenwischereien wie die kürzlich beschlossene Umbenennung des Bürgergeldes helfen da nicht weiter.

Die Haushaltsdebatten im Herbst werden in einigen finanziell klammen Kreisgemeinden kein Zuckerschlecken. Kürzungen werden an der einen oder anderen Stelle unumgehbar sein. Und das ist nicht hinzunehmen in einem so reichen Staat wie der Bundesrepublik – Rezession hin oder her. Daher muss die große Politik schnell den Blick dorthin werfen, wo ein großer Teil der Gesamtbevölkerung zu Hause ist: auf die Kommunen im ländlichen Raum.

Städte und Gemeinden sind am Zug

Hohenlohe-Tauber. Der Verein Regionalentwicklung Hohenlohe-Tauber ruft zur Einreichung von Projektanträgen im europäischen Förderprogramm Leader 2023 bis 2027 auf. Antragsberechtigt sind öffentliche Träger, zum Beispiel Kommunen. Nicht antragsberechtigt bei diesem Projektaufruf sind private Antragsteller, Vereine oder ähnliche private Gruppierungen.

Folgende Bereiche sind förderfähig: Förderung Kultur und Tourismus; soziale und städtebauliche Dorfentwicklung; Sicherung und Ausbau der Grundversorgung; Genuss und regionale Produkte; Maßnahmen zum Klimaschutz- und zur Klimaanpassung; Nachhaltigkeit im Sinne der UN Agenda 2030; Förderung von Digitalisierung und Innovation; Anpassungen an den demografischen Wandel.Projektideen können ab sofort den Regionalmanagern vorgestellt und Förderanträge eingereicht werden. Auswahlgremium ist der Auswahlausschuss des Vereins Regionalentwicklung Hohenlohe-Tauber.

Alle grundsätzlich förderfähigen Projektanträge werden vom Auswahlausschuss mit transparenten Bewertungskriterien bepunktet und in eine Rangfolge gebracht, schreibt die Leader-Region. Abhängig von der Rangfolge und dem zur Verfügung stehenden Geld können beschlossenen Projekte gefördert werden. Insgesamt stehen im Projektaufruf 860.000 Euro zur Verfügung.

Frist endet am 14. November

Die Obergrenze der förderfähigen Kosten (netto) beträgt pro Projekt 700.000 Euro. Gefördert werden nur Projekte, die im Aktionsgebiet liegen und mit deren Umsetzung noch nicht begonnen wurde. Die Einreichungsfrist für den Projektaufruf endet am Freitag, 14. November. Vor Einreichung eines Projektantrags wird dringend empfohlen, rechtzeitig vor dem Fristende mit dem Regionalmanagement in Kontakt zu treten. Das Regionalmanagement hat seinen Sitz im Herrenhaus in Mulfingen-Buchenbach.

Fördergeld Bei der aktuellen Leader-Ausschreibung können Kommunen Projekte einreichen.

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