Kommunen schlagen Alarm

  • Die Uhr tickt: Die Bürgermeister Damian Komor (Mainhardt) und Julian Tausch im Sitzungsaal des Uttenhofener Rathauses vor einer historischen Uhr aus Sanzenbach. Die beiden Vertreter der Kreisverbands Schwäbisch Hall des Gemeindetags Baden-Württemberg mahnen umfassende Reformen an, um die Kommunen handlungsfähig zu halten. Foto: Norbert Acker

Brandbrief Der Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg warnt: Die Kommunen haben große finanzielle Probleme. Der Kreisverband des Gemeindetags steht hinter den Forderungen.

Zum 35. Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober hat Steffen Jäger einen „Brief an die Bürgerinnen und Bürger in den Städten und Gemeinden“ veröffentlicht. Der Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, des größten Interessenvertreters der kreisangehörigen Städte und Gemeinden im Land, warnt eindringlich: Die meisten Kommunen seien finanziell am Ende ihrer Möglichkeiten. Es kämen immer mehr Aufgaben dazu, die ihnen von Land und Bund aufgebürdet würden. Das sei so nicht mehr zu stemmen. Neben einer besseren finanziellen Ausstattung der Kommunen müsse man aber auch dringend den Bürokratieabbau voranbringen. Ukraine-Krieg, Rezession und Gefahren für die Demokratie: „Die Lage ist ernst“, schreibt Jäger.

Das Problem nach außen tragen

Das kann man im Kreisverband Schwäbisch Hall des Gemeindetags voll und ganz unterschreiben. „Wir müssen die Problematik mehr nach außen tragen. Es ist einfach noch nicht so richtig bei den Menschen angekommen“, sagt Damian Komor. Der Bürgermeister von Mainhardt und Vorsitzende des Kreisverbands ergänzt: „In den Kommunen arbeiten wir schon immer lösungsorientiert, aber mittlerweile sind wir am Anschlag.“ Man stehe hinter dem Brief Jägers, in zahlreichen Kommunen sei er auch auf der Gemeindewebsite und im Amtsblatt veröffentlicht worden. Es gehe ihm darum, das Problem zu „lokalisieren“, sagt Komor. Also aufzuzeigen, dass es nichts Abstraktes ist, sondern auch viele der Kommunen im Landkreis Schwäbisch Hall betreffe.

„Wenn wir zur Bürgermeister-Dienstbesprechung zusammenkommen, ist Geld immer Thema“, sagt Komors Stellvertreter Julian Tausch, der Bürgermeister von Rosengarten. Die finanzielle Schieflage habe vor allem durch den Ukraine-Krieg Fahrt aufgenommen, kommunale Projekte könnten nicht mehr so umgesetzt werden wie bislang. „In der Geschwindigkeit, wie wir sie noch vor der Pandemie kannten, geht es nicht mehr. Die Finanzen geben es nicht mehr her“, sagt Tausch. Langsam sei man „am Ende der Kreativität“ angelangt, „wir können jeden Euro eben nur einmal ausgeben“. Die Rücklagen würden immer weiter schrumpfen, das dürfe so nicht weitergehen. Auch größere und wohlhabendere Kommunen müssten mittlerweile an ihr Gespartes.

Umsetzung mit eigenen Mitteln

Komor konkretisiert: „Wir haben immer mehr Aufgaben zu erledigen. Der Gesetzgeber gibt Vorgaben und das letzte Glied in der Kette, also wir Kommunen, muss es umsetzen. Und das mit eigenen Mitteln.“ Er bringt die Forderung des Gemeindetags auf den Punkt: „Wer bestellt, bezahlt!“ Wenn der Staat etwas wolle, beispielsweise die Ganztagsbetreuung in Kindertageseinrichtungen, müsse man dies auch komplett durchdenken. „Wenn ich mir ein neues Auto kaufen will, kann ich ja auch nicht hingehen und sagen, dass der Julian Tausch das dann zu zahlen hat“, ergänzt der Mainhardter Schultes. 93 Prozent der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Baden-Württemberg forderten eine „konsequente Reform in diesem Sinne“, schreibt Steffen Jäger. Er habe unter den Kolleginnen und Kollegen im Landkreis Schwäbisch Hall zwar nicht explizit nachgefragt, sagt Damian Komor dazu, „aber ich bin sicher, dass die Zahl ähnlich hoch sein wird“.

Brötel: Keine Alarmismen

Tausch spricht als Beispiel das Thema Schulsozialarbeit an, für deren Umsetzung die Schulträger, also die Kommunen, aufzukommen hätten. Streichen könne man so etwas beispielsweise nicht mehr. Man erhalte zwar eine gute Unterstützung durch den Landkreis, aber das reiche nicht immer. „Außerdem haben die Kreise ja ganz ähnliche Probleme“, ergänzt Tausch. Ein paar Tage nach Erscheinen des Bürgerbriefs des Gemeindetags hatte sich Achim Brötel, Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg, entsprechend in einem Interview mit der Südwestpresse geäußert. „Das sind keine Alarmismen, sondern es ist echte Not. Wenn die Kommunen jetzt im Herbst ihre Haushalte aufstellen, wird diese Situation ganz schnell auch auf die Lebenswirklichkeit der Menschen durchschlagen.“ Mit diesen Worten lässt sich Brötel zitieren, der auch Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises ist.

Komor und Tausch fassen die Forderungen ihres Verbandspräsidenten so zusammen: Es brauche nicht nur eine Reform der Gemeindefinanzen, sondern auch eine klare Aufgaben- und Standardkritik. Entbürokratisierung sei hier das Stichwort. Bund und Land könnten zwar bestimmte Dinge durch Zuschüsse oder Förderungen steuern, das löse aber nicht die grundlegenden Probleme. Damian Komor drückt es drastisch aus: „Die kommunale Selbstverwaltung steht auf dem Spiel. Wir fordern mehr Vertrauen der Politik in unsere kommunalen Gremien.“ Man brauche auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt, um Reformen anzugehen. Dabei seien die Bürgerinnen und Bürger gefragt. So hatte es auch schon Steffen Jäger ausgedrückt.

Mitarbeit erwünscht

Der Präsident des baden-württembergischen Gemeindetags hatte zudem abschließend in seinem Schreiben den Schutz der Demokratie angemahnt. Dazu gehöre zuallererst „eine neue Ehrlichkeit und ein nüchterner Realismus“, man stehe vor den größten Herausforderungen seit Jahrzehnten. „Als Vertreter der Kommunen sagen wir Ihnen die Wahrheit: Dies wird uns allen etwas abverlangen“, betont Jäger. Dem pflichten Komor und Tausch uneingeschränkt bei. Mitarbeit sei erwünscht, in den Kommunen pflege man seit jeher den „direkten Draht“ zur Bürgerschaft und sei nah dran an den Menschen. Damian Komor bringt es auf einen Punkt: „Jetzt ist die Chance, mitzureden.“ Alle Demokratinnen und Demokraten seien angesprochen.

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