Bau für Biotech-Goldrausch

  • Hier wächst die neue Medien- und Pufferstation: Auf vier Etagen entstehen bis 2028 hochmoderne Anlagen. Foto: Rentschler Biopharma SE
  • Vorstandschef Benedikt von Braunmühl und Christiane Bardroff, die im Vorstand das operative Geschäft verantwortet, setzen auf Innovation statt Krisenstimmung. Die neue Anlage sei ein Bekenntnis zum Biotech-Standort Deutschland, sagen sie. Foto: Rentschler Biopharma SE

Rentschler Mit einem Millionenprojekt baut das Laupheimer Pharma-Unternehmen seine Kapazitäten aus. Automatisierung und KI stehen im Fokus.

Während in der Autoindustrie und im Maschinenbau die Stimmung gedrückt ist, blickt die Biotech-Branche optimistisch nach vorn. Das zeigt sich auch an Rentschler Biopharma in Laupheim, einem der weltweit führenden Dienstleister für Pharma- und Biotech-Unternehmen. Dort entsteht seit dem Frühjahr eine hochmoderne Produktionsanlage für Puffer- und Medienlösungen. Es ist die bisher größte Einzelinvestition des Familienunternehmens in Deutschland. Die Kosten liegen im hohen zweistelligen Millionenbereich.

Mit rund 3.400 Quadratmetern Fläche, vier Etagen, drei Medientanks und sechs Puffertanks bildet die Anlage künftig das Herzstück der biopharmazeutischen Produktion. Sie liefert die Nähr- und Pufferlösungen, die lebende Zellen benötigen, um Wirkstoffe herzustellen, und die bei der weiteren Verarbeitung zum Einsatz kommen. Die Anlage soll bis 2028 in Betrieb gehen.

Für Vorstandschef Benedikt von Braunmühl ist das Bauprojekt mehr als eine Erweiterung: „Diese Investition steht für nachhaltiges Wachstum und Innovationskraft. Sie ist ein klares Bekenntnis zum Standort Laupheim und zu Deutschland.“ Der Rentschler-Chef erinnerte daran, dass die Gesundheitsindustrie in den vergangenen Jahrzehnten einen Wandel erlebt hat: „Ein Brustkrebs wurde früher mit neun Komponenten behandelt, heute sind es mehr als vierzig.“ Solche Entwicklungen verlangten von Herstellern, Prozesse ständig anzupassen. Die neue Anlage soll die Grundlage für schnelleres und effizienteres Arbeiten schaffen. Künstliche Intelligenz werde dabei, so der CEO, „eine der wichtigsten Stellschrauben“ sein. Um innovativ zu bleiben, brauche es dazu Partnerschaften, etwa mit „NXTGN“. Diese Innovationsplattform aus Baden-Württemberg möchte Start-ups, Wissenschaft und Wirtschaft verbinden.

Christiane Bardroff, Chief Operating Officer, hob die Bedeutung des Projekts für die Beschäftigten hervor: Die neue Anlage sei hochautomatisiert, digital vernetzt und ergonomisch gestaltet. „Das verbessert das Arbeitsumfeld erheblich, manuelle Arbeitsschritte entfallen und es bleibt mehr Zeit für qualitativ anspruchsvollere Aufgaben“, so Bardroff. Arbeitsplätze sollen durch die Automatisierung nicht wegfallen, betonte sie. Vielmehr bilde sie die Basis, um auf die gestiegene Nachfrage nach Biopharmaka zu reagieren.

Rentschler Biopharma hat sich in seiner 150-jährigen Geschichte mehrfach neu erfunden. Hervorgegangen aus einer Laupheimer Apotheke, wagte es als eines der ersten deutschen Unternehmen vor rund fünfzig Jahren den Schritt in die Biotechnologie. Heute konzentriert sich Rentschler ganz auf seine Rolle als Dienstleister, der Biopharmazeutika für Kunden entwickelt und produziert. „Wir entwickeln jetzt Hacken und Schaufeln für den Biotech-Goldrush und graben nicht mehr selbst“, beschreibt von Braunmühl die Strategie.

Bewusste Expansion

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit setzt das Biopharma-Unternehmen bewusst auf Expansion. Neben Laupheim betreibt es einen Standort in US-amerikanischen Milford in der Nähe von Boston, wo 2024 eine neue Produktionslinie in Betrieb ging. Ein kleiner Standort in Großbritannien, der auf Zell- und Gentherapien spezialisiert war, wurde hingegen geschlossen. In Zukunft wolle man sich stärker auf Biopharmaka konzentrieren.

Mit dem Ausbau in Deutschland und den USA richtet das Unternehmen den Blick verstärkt nach Asien. Auf der Fachmesse Bio-Process International Asia in Kyoto will Rentschler in diesem Monat neue Kunden in Japan und Südkorea gewinnen. „Wir hatten dort schon einen guten Kundenstamm. Den wollen wir ausbauen“, sagt von Braunmühl.

Trotz globaler Unsicherheiten, etwa angekündigter US-Zölle oder Preisdiskussionen im Pharmamarkt, sieht sich Rentschler Biopharma gut aufgestellt. „Unsere Partner profitieren davon, dass wir bereits Produktionsmöglichkeiten in den USA haben“, so der CEO. „Sie müssen nicht erst selbst dort bauen.“

Zwischen Baukränen und Betonwänden herrscht Aufbruchstimmung. Beim Festakt am Freitag, 10. Oktober, wurde eine Zeitkapsel mit Briefen, Bildern und Proben der Puffer- und Medienlösungen in den Rohbau eingelassen. Ein Probengefäß und eine Klemme stehen darin sinnbildlich für Prozesse, die künftig digital und automatisiert ablaufen werden. Rentschler versteht das Projekt als Beitrag dazu, die Biotech-Branche in Deutschland und Europa wettbewerbsfähig zu halten – durch technologische Innovation und enge Kooperation mit Partnern aus Wissenschaft, dem Biopharma Cluster South Germany und Start-ups. Rentschler beschäftigt rund 1400 Mitarbeiter, 1100 davon am Standort Laupheim, und erwirtschaftete zuletzt einen Jahresumsatz im dreistelligen Millionenbereich.

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