Gefängnis oder doch Bewährung?
Justiz Im Fall des Todes eines ukrainischen LKW-Fahrers in Oberrot drohen vor dem Landgericht Heilbronn hohe Strafen.
Heilbronn/Oberrot. Dramatische Situation im Heilbronner Landgericht bei der Verhandlung gegen die beiden Angeklagten, die für den Tod des ukrainischen LKW-Fahrers in Oberrot verantwortlich sein sollen. Das Plädoyer der Staatsanwältin ist bereits beendet und auch Jörg Meyer, der Verteidiger des Angeklagten T. hat bereits plädiert, als mitten im Vortrag von Dr. Viktor Schulz dessen Mandant K. zusammensackt. Richter Dr. Martin Liebisch reagiert: Er unterbricht die Verhandlung umgehend und alarmiert einen Notarzt. Nach längerer Behandlungspause kann die Verhandlung weitergehen, ein Arzt hatte festgestellt, dass K. wieder verhandlungsfähig war.
Elf und zehn Jahre Haft drohen
Zuvor hatte Staatsanwältin Rührich bereits elf Jahre Haft für K. und zehn Jahre für T. gefordert - sie sieht den gemeinschaftlichen Totschlag, den sie angeklagt hatte, für erwiesen an. Die Analysen von Erbgut und Blutspuren sowie Blutspuren an den Schuhen von K. sowie fehlende Blutspuren an den Schuhen von T. ergäben, dass K. die mindestens fünf Stampftritte gegen Kopf und Hals des Opfers, die letztlich das Ersticken im eigenen Blut verursacht haben, ausgeführt habe.
Der eigentliche und wiederholte Aggressor sei allerdings T. gewesen. Juristisch müsse er sich daher die Tritte von K. zurechnen lassen. Auch wenn sich die Aussagen der Hauptaugenzeugen, die allerdings die eigentliche Tat auch nicht wirklich gesehen zu haben scheinen, in einigen Punkten nicht decken, hält sie deren Aussagen dennoch für beweiskräftig genug, um den Tatvorwurf zu belegen. Sie wirft den Angeklagten vor, den Tod des Opfers zumindest billigend in Kauf genommen zu haben. Also sei die Tat als ein Totschlag zu werten.
Selten gehen Plädoyers weiter auseinander als an diesem Tag: Verteidiger Jörg Meyer sieht drei getrennte Tatkomplexe und erkennt für seinen Mandanten beim ersten Streit eine Körperverletzung, beim zweiten eine gefährliche Körperverletzung und beim dritten, während dem der Tod eintrat, gar keine Beteiligung seines Mandanten. Die widersprüchlichen Aussagen der Zeugen und die gezeigten Videos mit Zeitstempel passen nicht zusammen, erläutert er.
Bewährung angemessen
Er verweist darauf, dass während des dritten Komplexes, also während der Tritte, ein Mann mit einer Lichtquelle auf dem Parkplatz herumgelaufen ist, weitab vom Tatort. Für ihn kann diese Person nur sein Mandant gewesen sein, kein anderer komme vernünftigerweise infrage. Ein Jahr und zwei Monate Gesamtfreiheitsstrafe für die Körperverletzungen hält Meyer für angemessen. Aufgrund einer positiven Sozial- und Kriminalprognose könne diese Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden, findet Meyer.
Anders argumentiert Schulz: Er sieht es nicht als erwiesen an, dass sein Mandant die zum Tode führenden Tritte zu Kopf und Hals gesetzt hat. Dass T. genau dies gesehen habe, bezeichnet er als Schutzbehauptung. Die belastenden Aussagen des Zeugen M. bei der Polizei und im Saal seien so unterschiedlich, dass er sie für wenig glaubwürdig hält. K. sei in den Konflikt hineingezogen worden, habe sogar schlichten wollen. Wenn K. aber getreten hätte, käme allenfalls eine Körperverletzung mit Todesfolge und keinesfalls Totschlag in Betracht - denn seinem Mandanten sei keine Tötungsabsicht nachzuweisen. Und dann müsse die Kammer „im Zweifel für den Angeklagten“ auf Körperverletzung mit Todesfolge erkennen.
Der Strafrahmen nennt hier 3 bis 15 Jahre, allerdings liege, so argumentiert Schulz, ein minder schwerer Fall vor. Sein Mandant sei nicht vorbestraft, habe eine feste soziale Bindung mit Familie und acht Kindern. Er fordert eine Strafe im bewährungsfähigen Bereich, also maximal zwei Jahre, die dann auch zur Bewährung auszusetzen sei, weil die Voraussetzungen vorlägen. „Ohne Alkohol wäre das nicht passiert“, resümiert Schulz.
Beide Angeklagten beteuern in ihrem letzten Wort ihr Bedauern über die Tat und bitten um Entschuldigung. „Ich will nur zu meiner Familie“, endet K.
Falls die Kammer, bestehend aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffen, den Verteidigern folgt, könnten die Angeklagten auf freien Fuß kommen. Die Urteilsverkündung soll noch im Oktober erfolgen.
Ich will nur zu meiner Familie. K. aus Usbekistan Angeklagter