Rettet Hall den Waldkindi?
Erziehung Die Gemeinde Braunsbach sieht keinen Bedarf am Waldkindergarten Bühlerzimmern, weil nur Haller Kinder die Einrichtung besuchen. Das könnte nun zum Problem für die Stadt werden.
Erst gleiten sie über die metallene Rutsche, dann flitzen die Kinder, mit Matschhosen und warmen Jacken ausgestattet, über das Gelände, vorbei an zwei Bauwagen und der Jurte. Die Blätter drumherum haben sich längst herbstlich gefärbt. Diebach, Wald und ein Hang trennen Bühlerzimmern oben von den unten im Kochertal liegenden Ortschaften Enslingen (Gemeinde Untermünkheim) und Geislingen (Gemeinde Braunsbach). Zwar gehört Bühlerzimmern auch zu Braunsbach, doch durch den Höhenunterschied und die Lage auf der Ebene bei Veinau orientieren sich viele eher Richtung Hall. So wird der Waldkindergarten aktuell ausschließlich von Haller Kindern besucht.
Das war einer der Gründe, wieso der Gemeinderat von Braunsbach im September beschlossen hat, den Waldkindergarten in freier Trägerschaft zum 1. Januar 2026 aus dem Kindergartenbedarfsplan zu streichen. Schließlich gebe es in Braunsbach selbst ausreichend Betreuungsplätze. Die klamme Kommune könne so mindestens 25.000 Euro im Jahr sparen, die sie dann nach Ansicht des Bürgermeisters David Beck nicht mehr als Zuschüsse an den Verein zahlen müsste.
Schließung droht
Der Verein schrieb in einem offenen Brief: „Der Beschluss hat zur Folge, dass keine Löhne mehr bezahlt werden können und ab 1. Januar 2026 neun Kinder keinen Kindergartenplatz mehr haben, zwei Erzieher ihren Arbeitsplatz verlieren, Eltern keinen Betreuungsplatz mehr für ihre Kinder haben und somit auch dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen können.“
In Hall ist den Verantwortlichen sehr wohl bewusst, dass die Situation in Braunsbach die Lage in den städtischen Kindergärten deutlich verschärfen kann. Die Stadt kämpft ohnehin mit einem enormen Fachkräftemangel. Öffnungszeiten sind eingeschränkt, Plätze fehlen. So müssen manche Eltern aus Bibersfeld ihre Kinder allmorgendlich in Einrichtungen am anderen Ende der Stadt fahren, sofern sie überhaupt einen Betreuungsplatz bekommen haben. Auf der Warteliste der Haller Kindertageseinrichtungen standen bei der letzten Erhebung etwa 145 Unterdreijährige sowie 75 Überdreijährige.
Auf 20 Plätze erweiterbar
Kommen zum 1. Januar 2026 neun weitere plus das zehnte Kind, für das jetzt die Eingewöhnung beginnen soll, nach Hall, weil der Waldkindergarten mangels Finanzierung schließen muss, obwohl dieser eigentlich sogar auf 20 Plätze hätte erweitert werden können? „Das wäre ein Problem“, meinte Andrea Herrmann, Sprecherin der Grünen, als sie das Thema am Ende der jüngsten Haller Ratssitzung ansprach. „Es sind in diesem Waldkindergarten vor allem Haller Kinder.“ Und: „Wenn die Plätze wegfallen, kommen sie zu uns.“ Sie regt an, den Waldkindergarten samt Ausstattung direkt zu übernehmen. Das sei das kostengünstigste.
Oberbürgermeister Daniel Bullinger erwiderte, dass bereits Gespräche zwischen Stadt und Gemeinde liefen – „mit Blick auf eine gute Lösung für die Kinder“. Auf die Frage Herrmanns, ob der Kindergarten nicht in den Bedarfsplan der Stadt Hall aufgenommen werden kann, erwiderte Fachbereichsleiter Christoph Klenk, dass dies „eine spitzfindige Frage“ sei. Ihm sei kein Fall bekannt, dass Kindergärten in den Bedarfsplan einer Kommune aufgenommen wurden, obwohl sie auf einer anderen Gemarkung liegen.
Für Waldkindergarten-Vereinsvorsitzenden Gerhard Frontzek ist eher dies eine spitzfindige Aussage. Der Waldkindergarten legt der Redaktion eine schriftliche Stellungnahme des zuständigen Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) vor. Darin heißt es: „Eine Kommune kann eine Einrichtung in ihre Bedarfsplanung aufnehmen, auch wenn die Einrichtung selbst nicht in der Kommune liegt. Der Anspruch auf Betreuung richtet sich an die Wohnsitzgemeinde des Kindes, in Ihrem Fall demnach hauptsächlich Schwäbisch Hall. Demnach trägt Hall die Verantwortung, einen Platz zu ermöglichen. Und der Bedarf wäre ja gegeben, sofern Hall die Kinder nicht anderweitig unterbringen kann.“
Frontzek führt an, dass der städtische Fachbereichsleiter wohl nichts von Waldkindergärten halte. „Er hat uns am Telefon direkt gesagt: Er möge keine, er brauche auch keine.“ Zudem wolle, so angeblich die Aussage Klenks, die Stadt die Aufnahme in den Haller Bedarfsplan verhindern, weil der Verein dann im Zuge der Gleichbehandlung mit den anderen freien und kirchlichen Trägern gar einen Zuschuss in Höhe von 80 Prozent bekäme.
Fünfeinhalb Gruppen in Hall
Die Redaktion hat Fachbereichsleiter Christoph Klenk auf eine mögliche Abneigung gegenüber Waldkindergärten angesprochen. Auf seine persönliche Meinung geht er in seiner Antwort gar nicht ein, sondern teilt mit: „Wir haben auf unserer Gemarkung fünfeinhalb Gruppen mit Natur- und Waldkindergärten.“ Das zeige doch, dass Hall diese Art der Betreuung unterstütze. Was die Aussagen des KVJS betrifft, also dem gesetzlichen überörtlichen Träger im Land, dem alle 44 Stadt- und Landkreise angeschlossen sind, meint Klenk, dass ja der KVJS auch nicht immer richtig liegen muss. „Da gibt es unterschiedliche Auffassungen.“ Der Verein sieht sich jetzt zwischen den Fronten. Denn auch jene zum Braunsbacher Bürgermeister ist verhärtet. „Der hat uns gesagt, er spricht nur noch über einen Anwalt mit uns.“ Beck wiederum verwies gegenüber der Redaktion auf die gescheiterte Kommunikation mit dem Verein. Laut Frontzek sieht ein beauftragter Anwalt gute Chancen, die Rückzahlung zu verhindern und auch die Streichung der Mittel zum Jahreswechsel. „Sonst hätte der Landesverband die Anwaltskosten nicht übernommen.“ Ein wesentlicher Punkt sei, dass der Kindergartenbedarfsplan – angelehnt am Schuljahr – erst im Sommer 2026 auslaufe. Damit könne die Kommune diesen Schritt nicht einfach zum kalendarischen Jahreswechsel vollziehen, was für weitere Monate die Finanzierung sichern würde.
Umzug nach Hall denkbar
David Beck hatte erst vergangene Woche erneut Stellung bezogen. Kein Kind werde auf die Straße gesetzt. In Braunsbach gebe es Plätze – was dann aber mit längeren Fahrzeiten verbunden wäre. Beck betonte zudem, dass die Gemeinde sich auf der einen Seite nicht verklagen lassen könne und auf der anderen Seite dem Verein die Flächen kostenlos zur Verfügung stellen. Intern sei bereits überlegt worden, ob der Gestattungsvertrag vorsorglich aufgekündigt werden muss. Damit ist dem Verein klar, dass selbst ein Erfolg vor Gericht langfristig den Streit nicht beilegen kann und ein alternativer Standort benötigt wird. Für den Verein wäre ein Umzug nach Hall denkbar. „Das sind nur 400 Meter Luftlinie.“
Er hat uns am Telefon direkt gesagt: Er möge keine, er brauche auch keine. Gerhard Frontzek über den Haller Fachbereichsleiter zu Waldkindergärten