Sportler Sven Eckardt wollte zu den Paralympics – bis eine Verletzung den Traum zunichtemachte. In Blaubeuren hält er nun einen Vortrag.
Bis in den Landeskader hat es der querschnittsgelähmte Schwimmer Sven Eckardt in den 1990er-Jahren geschafft. Bis zur letzten Mannschaft, mit der er sich für die Paralympics hätte qualifizieren können. Doch dann macht eine Glasscherbe seinen Traum zunichte. Eine kleine Verletzung, eine Unaufmerksamkeit, mit fatalen Folgen: Die Wunde entzündet sich. Eckardt muss schließlich die Teilnahme an der Qualifikation absagen. Der Traum von den Paralympics: geplatzt. „Es war über vier Jahre lang mein innigstes Ziel, dahin zu kommen“, erinnert sich der Schwimmer heute. „Damals hab‘ ich Rotz und Wasser geheult und es waren dann schon anderthalb Jahre lang Wehmut angesagt.“
„Rückschläge hat jeder“
Heute aber sagt der 55-Jährige rückblickend: „Das war keine Niederlage, sondern das Ziel.“ Auch wenn er damals „zu Tode betrübt“ gewesen sei und alles infrage gestellt habe, habe er sich trösten, den Schmerz der Niederlage verwinden können. „Mental stärkt einen das, wenn man etwas durchgestanden und überstanden hat“, sagt er. Über solche Ereignisse, die einen aus der Bahn werfen, will Eckardt kommenden Donnerstag, 16. Oktober, in Blaubeuren sprechen. Ab 19 Uhr soll es im alten Postamt darum gehen, Extremsituationen zu meistern – mit „Selbstvertrauen, Motivation und Mut“, wie es im Titel der Veranstaltung heißt. Organisiert wird der Vortrag von der Volkshochschule Laichingen-Blaubeuren-Schelklingen, in Kooperation mit der Sportinsel Schelklingen. Über deren Geschäftsführer Christian Joh sei der Kontakt zustande gekommen, den Eckardt bereits länger kennt.
„Ich will die Menschen motivieren, das zu tun, was einem leicht fällt, was Freude bereitet“, erklärt der gebürtige Augsburger. „Rückschläge hat jeder im Leben. Es geht darum, aus den Niederlagen herauszukommen.“ Er selbst soll als motivierendes Beispiel dienen. Seit seiner Geburt ist der Langstreckenschwimmer querschnittsgelähmt, doch mithilfe von Krücken und orthopädischen Schuhen kann er sich mit und ohne Rollstuhl fortbewegen. „Ich habe noch Gefühl bis zu den Knien“, erklärt er. Eigentlich sitze man mit seiner Behinderung „gleich im Rollstuhl“. „Das ist meistens einfacher für die Angehörigen“, berichtet er. Doch seine Eltern hätten Wert darauf gelegt, dass er gehen und Radfahren lerne, um ein möglichst nicht behindertes Leben führen zu können.
So kam er in der Schulzeit zunächst zum Badminton. Doch die dafür wichtigen Vorwärts- und Rückwärts-Bewegungen seien ihm aufgrund seiner Behinderung schwergefallen. Schwimmen betrieb er nur in der Freizeit, „bisschen im Urlaub, bisschen im Freibad“, berichtet er. Erst als er für das Verfahrenstechnik-Studium nach Stuttgart zog, habe er das Schwimmen auf professioneller Ebene für sich entdeckt. „Ich habe meinen ganzen Freundeskreis missbraucht, um mit mir schwimmen zu gehen“, erzählt der Ingenieur und lacht.
Zweimal täglich ging es in Wettbewerbsphasen zum Schwimmen von Stuttgart nach Sindelfingen. „Der Kopf war dann wieder frei“, sagt er. „Ich konnte mich besser fokussieren, meine Gedanken im Wasser sortieren.“ So verging die Studienzeit. Eckardt schwamm und wurde nebenbei Ingenieur. Seine Diplomarbeit schrieb er dann tatsächlich in Blaubeuren beim Pharmahersteller Merkle. Anschließend wurde er übernommen, er blieb für zwei Jahre in der Region. Das Schwimmen begleitete ihn durchgehend, nach seiner verpassten Paralympics-Teilnahme hörte er nicht auf.
24-Stunden-Schwimmer
Eine große Leidenschaft sind heute 24-Stunden-Schwimmen: Innerhalb von 24 Stunden darf geschwommen und pausiert werden, so viel man möchte. Wer innerhalb dieser Zeit am meisten geschwommen ist, hat gewonnen. Mittlerweile hat Eckardt auch ein eigenes Team gegründet, das „Team Warmduscher“. Denn: „Schwimmen ist eine Mannschaftssportart.“ Das Team drumherum sei wichtig. „Man ist nur wenige Minuten im Wasser, aber viele Stunden am Beckenrand zusammen.“
Zudem schwimmt er gerne im freien Gewässer, zum Beispiel im Indischen Ozean, im Wörthersee oder im Bodensee. 2017 durchschwamm er diesen von Friedrichshafen nach Romanshorn – als erster Schwimmer mit einer Körperbehinderung. „Ich habe mir Ziele gesetzt“, fasst er zusammen. „Dieses gewöhnliche Tun und Training hat mir die Sicherheit und den Mut gegeben, das zu schaffen.“ Für ihn sei das 24-Stunden-Schwimmen der Weg zum Freiwasser geworden. Der Weg vom beschwerlichen Laufen mit Krücken ins Leichte, ins Schwerelose des Wassers.