Durch Umschulungen in den Job

  • Larysa Chernyak, Hanna Ozherelieva, Nataliia Yemelianova und Maryna Fedorets (von rechts) sind aus der Ukraine geflohen. Jetzt machen sie eine Umschulung bei der IHK Neu-Ulm. Foto: Volkmar Könneke

Integration Um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen, besuchen vier ukrainische Geflüchtete Kurse zur Weiterbildung. Sie erzählen von ihren Hintergründen und ihren Zielen.

Es ist nicht so leicht. Ich hoffe, wir schaffen es“, sagt Hanna Ozherelieva und lächelt. Neben ihr sitzen drei weitere Frauen. Alle vier sind im März 2022 wegen des russischen Angriffskriegs aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Mit ihrer Aussage meint Ozherelieva die Umschulung, die sie genau wie die anderen aktuell bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Neu-Ulm macht.

Die Frauen sind gut ausgebildet, ihre Abschlüsse werden in Deutschland allerdings zum Teil nicht anerkannt. Außerdem sprachen sie direkt nach der Flucht noch kein Deutsch. Wie wichtig die Sprache ist, stellte Maryna Fedorets fest, als sie sechs Monate in einem deutschen Brautmodengeschäft gearbeitet hat. Dafür war sie zwar fachlich bestens qualifiziert – in der Ukraine verkaufte sie nach einem Magister in Finanzen neun Jahre lang Brautkleider in ihrem eigenen Laden –, doch zum damaligen Zeitpunkt hat sie noch kein Deutsch gesprochen.

Also besuchte sie einen Integrationskurs und lernte die Sprache. Jetzt macht sie eine Umschulung zur Kauffrau für Büromanagement. Voraussetzung ist das Sprachniveau B1 des europäischen Referenzrahmens. Man muss sich also frei unterhalten können und komplexe Texte verstehen. Vor Beginn der Umschulung überprüfen die Institutionen und der Bildungsträger mit Tests, ob das Kursniveau passt. Laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit machten im August dieses Jahres knapp über 40 Prozent der ukrainischen Staatsangehörigen, die im Jobcenter Neu-Ulm gemeldet waren, eine Aus- oder Weiterbildung. Zwölf Prozent waren erwerbstätig, rund 38 Prozent arbeitslos.

Sind bestimmte Voraussetzungen erfüllt, erhalten Bürgergeldempfänger einen Bildungsgutschein. Mit diesem können sie sich für eine Umschulung bei einem anerkannten Bildungsträger anmelden. Ziel ist es, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und dabei auch das Potenzial von Frauen auszuschöpfen, sagt Silke Königsberger. Sie ist die Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit Donauwörth, zu der auch Neu-Ulm als Außenstelle gehört.

Die Umschulung dauert knapp zwei Jahre, in denen zunächst Theorie unterrichtet wird. Das zweite Jahr besteht fast durchgehend aus einem Praktikum. Häufig führt das auch zu einem festen Arbeitsvertrag im Anschluss. Fedorets hat bereits vor Beginn ihres Praktikums die Zusage, nach ihrer Abschlussprüfung weiter im Betrieb bleiben zu können.

Königsberger bezeichnet die Lebensgeschichten der vier Ukrainerinnen als „Bilderbuchbeispiele, was in drei Jahren an Integration möglich ist“. Ozherelieva hat in der Ukraine Bauingenieurwesen studiert, ein Diplom im Hoch- und Tiefbau erworben und einen kaufmännischen Master absolviert. Sie floh gemeinsam mit ihren Kindern nach Deutschland, weil sie um deren Sicherheit fürchtete. Jetzt gehen alle drei auf ein deutsches Gymnasium.

Ozherelieva ist alleinerziehend und macht eine Umschulung zur Industriekauffrau. Auch sie hat bereits einen Praktikumsplatz. „Mein Ziel ist es, alles allein bezahlen zu können“, sagt sie. Nataliia Yemelianova kam ebenfalls allein mit ihren zwei Kindern, die zehn und 17 Jahre alt sind, nach Deutschland. Ihr Mann ist in der Ukraine beim Militär. Sie ist Ingenieurin und arbeitete in ihrem Heimatland als Managerin in einem elektrotechnischen Unternehmen.

Deutscher Abschluss erwünscht

Bevor sie mit der Umschulung zur Industriekauffrau begonnen hat, hat sie sich in Deutschland ein halbes Jahr lang vergeblich beworben. Die Arbeitgeber wollten aber deutsche Abschlüsse oder Zertifikate. Dass man ohne eine deutsche Qualifikation auf dem hiesigen Arbeitsmarkt kaum Chancen hat, erfuhr auch Larysa Chernyak. Sie hat in der Ukraine am Institut für Fremdsprachen mit den Schwerpunkten Deutsch und Englisch studiert. Anschließend arbeitete sie als Flugbegleiterin und im Verkauf am Flughafen.

Chernyak macht jetzt die Umschulung zur Kauffrau für Büromanagement. Sie würde gerne in Deutschland bleiben, weil es ein „sicherer Staat ist, der Stabilität und Frieden bietet“. Auch die anderen Frauen möchten bleiben, da ihre Kinder bereits gut integriert sind. Ozherelieva sieht die Umschulung als „große Chance, sich in Deutschland zu integrieren und eine sichere Zukunft zu haben“.

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