„Tag der Freude“ auch in Ulm
Israel Michael Joukov hat seine Solidaritäts-Kette mit den Geiseln nach deren Freilassung abgelegt. Er und Rabbi Shneur Trebnik sind im Hinblick auf einen dauerhaften Frieden dennoch skeptisch.
Ein Tag der Freude, für Israel und die ganze Welt – mit solchen Schlagzeilen berichteten Medien am Montag über die Freilassung der 20 noch lebenden israelischen Geiseln aus den Händen der palästinensischen Terrororganisation Hamas. Bei deren Familien und Freunden war die Freude nach zwei Jahren andauernder Angst und Sorge riesig. Wie geht es an diesem Tag dem Ulmer Rabbi Shneur Trebnik und Michael Joukov, dem jüdischstämmigen Landtagsabgeordneten der Grünen?
„Es ist ein Freudentag, ohne Frage. Damit geht ein langer Leidensweg zu Ende“, sagt Joukov. Aber er fügt auch an, dass es ein hebräisches Wort gibt für ein „Freudenfest, das aber kein fröhliches Fest ist“. Denn schließlich werden neben den 20 lebend in die Freiheit entlassenen Geiseln weitere 28 Israelis „leider nur tot“ zurückkehren. „Doch in der jüdischen Tradition ist es sehr wichtig, dass man die sterblichen Überreste sehen kann“, erklärt er weiter.
Ihm selbst war die Freilassung der Geiseln ein persönliches Anliegen: Am 4. November 2023, also einen knappen Monat nach dem brutalen Überfall der Hamas, ist der Ulmer in Israel gewesen. Unter anderem im Kibbuz Be´eri, der in der Nähe des Gaza-Streifens liegt, in dem über 100 Menschen durch das palästinensische Massaker starben und 30 Menschen verschleppt wurden. Michael Joukov übernahm damals eine Patenschaft für ein entführtes Ehepaar und legte eine Kette an, die er seither immer sichtbar trug – und die er ausdrücklich erst nach deren Rückkehr ablegen wollte. Auf der stählernen Plakette standen die englischen Worte „Bring them home – now!“ und in hebräischen Worten die Botschaft „Unser Herz wurde nach Gaza entführt“, zusammen mit dem Davidstern und dem Datum 7.10.2023.
Von der geglückten Freilassung hat der Abgeordnete am Montagvormittag erfahren, als er auf der Besichtigung eines Dampfkraftwerks der ENBW in Karlsruhe war. „Daraufhin habe ich die Kette abgenommen und sie in die Altschlacke-Entsorgung geworfen“, erzählt er. „In der jüdischen Tradition ist es wichtig, dass sie zerstört wird, damit es nicht wiederkommt.“ Die Frau, für die Joukov die Patenschaft übernommen hatte, ist übrigens schon vor einigen Monaten freigekommen; „der Mann ist verstorben und wird leider nur noch tot zurückkehren“, berichtet er.
Und wie groß ist die Hoffnung des Ulmer Grünen, dass in Israel und Gaza jetzt ein dauerhafter Frieden einkehren kann? „Ich bin ein optimistischer Mensch: Ich habe Hoffnung. Aber es gibt derzeit keine Gewissheit, dass es gelingen kann. Um eine tragfähige Lösung zu finden, braucht es viel guten Willen auf beiden Seiten“, sagt Joukov. Ob das eine Zwei-Staaten-Lösung sein kann, kann Joukov nicht abschätzen. „In jedem Fall muss es eine Lösung sein, bei der beide Seiten in Sicherheit leben können.“ Es müsse auf beiden Seiten viel Hass überwunden werden, der über Jahre und Jahrzehnte aufgebaut wurde.
Mit dem Waffenstillstand, dem Rückzug der israelischen Armee hinter die vereinbarte Linie und die Freilassung der Geiseln durch die Hamas „ist jetzt der erste Schritt gemacht“. Nun müssten weitere folgen. Als Realist sieht er aber auch: „Oft genug hat uns der Nahe Osten gezeigt, dass es beim ersten Schritt bleibt. Aber diesmal darf es nicht so bleiben!“
Wichtig ist für Michael Joukov auch, dass die Weltgemeinschaft – und damit auch Deutschland – bei der weiteren Lösung des Konflikts „eine konstruktive Rolle übernimmt. Und das wird nicht zum Nulltarif gehen: Guter Wille allein reicht nicht, da wird es auch um Geld gehen.“
Auch für Shneur Trebnik war der gestrige Montag „ein Tag mit sehr vielen gemischten Emotionen“: Auf der einen Seite natürlich Freude über die Freilassung der 20 Geiseln und Glück der Familien, „die ihre Lieben wieder in die Arme nehmen können“. Anderseits aber auch das Leid der Angehörigen, zu denen nur die sterblichen Überreste zurückkehren. „Es geht darum, dass man versucht, stark zu bleiben und zu feiern.“
Der Rabbiner der jüdischen Gemeinde in Ulm ist auch noch skeptisch, wie sich die Situation in Israel weiter entwickeln wird. „Unsere bisherigen Erfahrungen lassen keine große Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden wachsen“, sagt Trebnik. Es sei denn, „dass die Terroristen jetzt beweisen würden, dass es diesmal anders wird“.
Dennoch betont Shneur Trebnik: „Ich bin ein gläubiger Mensch und vertraue darauf, dass Gott weiß, was er tut. Und dass er am Ende einen Frieden und Ruhe bringt.“ Er hoffe auch darauf, dass „irgendwann beide Seiten das Existenzrecht der jeweils anderen anerkennen“ können und sich dann ein Weg eröffnet, um „nebeneinander leben zu können“.
Für eine tragfähige Lösung braucht es viel guten Willen auf beiden Seiten. Michael Joukov Grünen-Politiker