Was Innenstädte attraktiv macht

Kommunen Internet, Corona und Shoppingcenter vor der Stadt setzen der City zu. Es gibt kein Erkenntnisproblem, allein an der Umsetzung von Konzepten mangelt es mancherorten. Was hilft.

Innenstädte sind nicht erst seit der Stadtbild-Aussage von Friedrich Merz im Blickpunkt: Der Bundeskanzler hatte Probleme im Erscheinungsbild deutscher Städte teilweise Migranten zugeschrieben. Es gibt schon länger Schwierigkeiten. Seit 1971 unterstützen Bund und Länder Kommunen „bei der Bewältigung von städtebaulichen Problemen“. Und die sind gewaltig: So prognostizierten der Handelsverband Deutschland (HDE) und das Bundesinstitut für Bau‑, Stadt‑ und Raumforschung (BBSR) etwa eine „dauerhafte“ Leerstandsquote bei Geschäften von 14 bis 15 Prozent — vor der Corona-Pandemie lag die Quote bei etwa zehn Prozent.

An manchen Orten gibt es eine regelrechte Negativspirale: Durch Leerstände reicht die Kraft attraktiver Händler nicht mehr aus, Besucher anzuziehen. Fehlende Händler lassen Gewerbesteuereinnahmen sinken, Kommunen investieren deshalb weniger in Innenstädten, die Attraktivität nimmt weiter ab, noch mehr Händler schließen.

„Es ist wie ein Gebiss. Wenn ein Zahn fehlt, wackeln die anderen“, sagt die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg (HBW), Sabine Hagmann. Monokulturen mit Billigläden oder Spielhallen drohen. „Die derzeitige Lage in vielen Innenstädten zeigt, dass öffentliche Räume deutlich attraktiver werden müssen“, mahnt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

Viele verschiedene Probleme

Es ist nicht nur der Online-Handel, auf den „ein erheblicher Teil der stationären Händler spät oder zu passiv reagiert“ hat, wie es im „Dialogprozess Handel 2030“ heißt, den das baden-württembergische Wirtschaftsministerium auf den Weg gebracht hat. „Neben der Stadtgestaltung sind auch die Herausforderungen des Mobilitätswandels und des Klimawandels zu bewältigen“, sagt Genth. Der demografische Wandel hat wegen fehlender Nachfolger zur Schließung viele Fachgeschäfte geführt.

Dazu kommen die Ende des vergangenen Jahrhunderts außerhalb der Stadtgrenzen gebauten Fachmärkte und Zentren, die Besucher abziehen – und nun ihrerseits mit Leerstand kämpfen. „Das Bedürfnis nach einer warmen Mahlzeit können wir durch die Bestellung bei einem Lieferdienst befriedigen und anstatt ins Kino zu gehen, streamen. Darüber hinaus ist Homeoffice in vielen Berufen möglich und könnte sogar noch deutlich ausgeweitet werden“, heißt es von der IHK. Die Umsätze der Händler sinken.

Ein Drittel der Bevölkerung gibt an, die City seltener als vor Corona zu besuchen, hat die Beratungsgesellschaft Cima festgestellt. In Städten mit bis zu 50.000 Einwohnern ist die Parkplatzsituation ein maßgeblicher Hinderungsgrund eines Besuchs. Mit dem innerstädtischen Angebot am unzufriedensten ist die Altersgruppe 50 bis 64 Jahre. Ausgerechnet junge Menschen bis 29 Jahre beklagen sich über zu volle Innenstädte. In Mittelstädten von 50.000 bis 200.000 Einwohnern ist die Internetkonkurrenz größer als an anderen Standorten.

Gastronomie wichtig als Kitt

Als wären das nicht genug Probleme – es gibt es auch keine einheitlichen Lösungen. Jede Kommune müsse durch die unterschiedlichen Ausgangssituationen eigene Konzepte für ihr Zentrum entwickeln, sagt Stadtplanungsspezialist Thomas Krüger von der HafenCity Universität Hamburg. Dabei ist der Einkauf für die meisten Menschen noch immer der wichtigste Grund für einen Innenstadtbesuch. Der Einzelhandel lockt aber nicht allein die Menschen an. Sehr wichtig sind auch Gastronomie und Cafés, betont der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga, vor allem bei Touristen: Restaurants, Cafés, Wirtshäuser und Kneipen seien bei der „Revitalisierung der Innenstädte“ unverzichtbar. Sie machen aber weniger Umsatz pro Quadratmeter als manches Einzelhandelsgeschäft.

Ebenfalls entscheidend ist ein attraktives Stadtbild. „Mit mehr Grün, besserer Luftqualität und mehr sozialen Begegnungsräumen können unsere Innenstädte resilienter und lebendiger werden“, sagt Cima-MItarbeiterin Ingeborg Lang. „Third Places“ müssten zum Verweilen und als Treffpunkte einladen, fordert Jürgen Block, Geschäftsführer der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing. Eine Vernetzung der Akteure sei notwendig, viele Immobilieneigentümer blieben oftmals zu passiv, viele Gewerbetreibende seien verunsichert.

Kommunen kaufen Flächen auf

„Ein Erkenntnisproblem haben wir dabei eigentlich nicht“, sagt Hagmann: „Alle sind gefordert.“ Kommunen müssten sich überlegen, ob es richtig sei, die Gewerbesteuer für eine Radbrücke zu erhöhen. Vermieter, ob sie auf ihre Miete bestehen oder doch den in Not gekommenen Händler mit einem zeitweisen Mietverzicht helfen. „Innenstädte müssen attraktive Aufenthaltsorte sein und der Mix an Läden stimmen. Zu viele Ketten sind genauso schlecht wie zu viel Einzelhandel.“

Kommunen müssten flexibel auf leerstehende Flächen reagieren, Zwischenlösungen ermöglichen, Veränderungen in andere Nutzungsarten ermöglichen, sagt Andre Stromeyer, Geschäftsführer von HBB Centermanagment. Finanzielle Anreize lockten Investoren an. Die Grunderwerbssteuer sollte flexibel, Genehmigungen weniger komplex und langwierig gestaltet, die Bürokratie verringert werden. „Nur so kann die Innenstadt als lebendiger und attraktiver Standort für die Zukunft gesichert werden“, sagt Stromeyer.

Viele Kommunen sind auch schon aktiv, kaufen leerstehende Flächen auf, suchen aktiv Nachfolger, sorgen für Zwischenlösungen, um Leerstand zu vermeiden. Mittelstädte haben es dabei laut Hagmann einfacher als kleinere Kommunen.

„Früher waren Gaukler in der Innenstadt, wurden Hochzeiten gefeiert, traf man sich auf Plätzen“, sagt Krüger. „Es braucht eine Eventisierung, das Theater könnte Straßentheater machen, das Museum Projekte im Freien – allein schafft es die kommunale Verwaltung nicht.“

Hagmann denkt an Verkostungen, Modeschauen und Service wie Lieferungen eingekaufter Ware nach Hause. Vor allem aber: „Es braucht Kunden, die nicht nur schöne Innenstädte wollen, sondern dort auch einkaufen.“

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