Justiz Das Urteil im Oberroter Totschlag-Prozess steht. Der Hauptangeklagte erhält eine lange Gefängnisstrafe. Sein Kollege wird wegen gefährlicher Körperverletzung zu fast drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Nach 16 Verhandlungstagen, mehr als 40 Zeugen und mehreren Sachverständigengutachten fand der Prozess um den Tod eines ukrainischen Fernfahrers in Oberrot am 24. Oktober sein Ende mit der Verkündung des Urteils.
Dieses Urteil klingt auf den ersten Blick überraschend: K., der ältere der beiden Angeklagten, muss wegen Totschlags für 11 Jahre hinter Gitter, während T. wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten verurteilt wird. Die Staatsanwaltschaft hatte einen gemeinschaftlich begangenen Totschlag angeklagt und auf Haftstrafen von 11 und 10 Jahren plädiert.
Richter Dr. Martin Liebisch begründet, warum die Kammer, bestehend aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffen, das anders sieht. Augenzeugen gab es keine, die Videokameras auf dem Gelände haben den Tatort der letzten Auseinandersetzung nicht erfasst. Einige Zeugen konnten bruchstückhaft, aber nicht immer widerspruchsfrei, das Geschehen am Tattag erhellen (wir berichteten).
Indizien erdrückend
Den Ausschlag für die Entscheidung des Gerichts gaben daher technische Beweise: Die Todesursache wurde vom Rechtsmediziner eindrücklich dargelegt: Die Luftröhre des Opfers war mit Blut gefüllt, sodass keine Luft mehr in die Lunge gelangen konnte. Ursache der Blutung war der durch einen Stampftritt zertrümmerte Kehlkopf. Der Ukrainer muss zu diesem Zeitpunkt nahezu regungslos, wahrscheinlich bewusstlos am Boden gelegen haben, das erkennt der Gerichtsmediziner an der Ausprägung seiner Kopfverletzungen, die durch mindestens vier Stampftritte hervorgerufen wurden. „Er war nicht mehr fähig, sich zu wehren“, erläutert Liebisch. Doch wer hat die Tritte gesetzt?
Für die Kammer kann das aufgrund technischer Beweise nur K. gewesen sein: Nur seine Schuhe waren „geradezu übersät“ mit Blutspuren des Opfers, auf den Schuhen von T. und des anfangs ebenfalls tatverdächtigen Zeugen M., die allesamt dasselbe Profilmuster hatten, wurde kein Blut gefunden.
Im Gegensatz zum Plädoyer von K.s Verteidiger Dr. Viktor Schulz bewertet die Kammer die Tat als Totschlag und nicht als Körperverletzung mit Todesfolge. Der Tötung des Ukrainers gingen an diesem Tag mehrere Streitereien voraus, jeweils wahrscheinlich aus geringem Anlass und unter Alkoholeinfluss. Der Ukrainekrieg scheint ein Trigger gewesen zu sein, eine zweite körperliche Auseinandersetzung könnte sich wegen eines umgefallenen Glases entwickelt haben. In diese Händel waren jeweils beide Angeklagten verwickelt, T. erweist sich dabei als der, der den Streit eher befeuert als abschwächt, „der Aggressor“, drückt Liebisch das aus. Da K. und T. gemeinschaftlich auf das Opfer eingetreten und -geschlagen haben, ist für das Gericht die gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung erwiesen, in deren Verlauf der Ukrainer zu Boden ging. Danach schleiften die beiden den Körper vor dessen LKW.
Nicht ohne Zweifel
Doch was war die Rolle von T., während K. dort die Tritte auf den am Boden liegenden setzte? Das hat keiner der Zeugen gesehen. T.s Verteidiger Jörg Meyer argumentierte, dass sein Mandant auf einem Video zu sehen ist, das zur Tatzeit eine Person mit einer Lichtquelle zeigt – ein Stück vom Tatort entfernt. „Wir können nur verurteilen, woran wir keinen Zweifel haben“, bezieht sich Liebisch auf den Zweifelsgrundatz. Die Aussage von T., er haben sich abgewendet, könne nicht widerlegt werden, betont Liebisch, eine Beteiligung an der Totschlagshandlung muss sich T daher nicht zurechnen lassen.
Kein minder schwerer Fall
Bleibt die Frage der Strafzumessung: Bei K. könne keine verminderte Schuldfähigkeit festgestellt werden. Zwar sei eine erhebliche Alkoholkonzentration festgestellt worden, er habe aber selbst einen Nachtrunk eingeräumt. Die Aussagen von Polizeibeamten hätten keine Anhaltspunkte ergeben, dass seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit eingeschränkt gewesen seien. Auch kann wegen des „brutalen Vorgehens gegen eine hilflose Person“ kein minder schwerer Fall angenommen werden. Der Strafrahmen bei Totschlag geht bis zu 15 Jahren – die Kammer erachtet 11 Jahre für angemessen.
Anders bei T: Bei ihm kann, einige der Zeugenaussagen legen das nahe, eine verminderte Steuerungsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden. Seine Strafe liegt daher im unteren Bereich des Strafrahmens, der bei gefährlicher Körperverletzung bis zu zehn Jahren geht.
Jörg Meyer, der eine Bewährungsstrafe erreichen wollte, ist über die Höhe der Strafe verwundert. Er rechnet damit, dass sein Mandant nach der Hälfte der Strafe in sein Heimatland abgeschoben wird – das könnte unter Anrechnung der Untersuchungshaft in einem halben Jahr der Fall sein. „Ich werde mit meinem Mandanten über eine Revision sprechen“, kündigt Viktor Schulz an. Seiner Meinung nach liegt kein Totschlag vor, sondern eine Körperverletzung mit Todesfolge. Aber auch da reicht das Strafmaß bis zu 15 Jahren. Revision müsste er innerhalb einer Woche einlegen.