Verkehr Die Zeit der großen Umwege hat für die Menschen aus Holzheim und Finningen bald ein Ende. Das neue Bauwerk über die Autobahn A 7 wird am 22. Oktober freigegeben.
Es hat gerade mal neun Grad. Nieselregen liegt über der Brückenbaustelle zwischen Finningen und dem Holzheimer Ortsteil Neuhausen. Klamm ist einem trotzdem nicht. „Wir haben hier eine Fußbodenheizung“, sagt Bettina Arnegger vom Staatlichen Bauamt Krumbach augenzwinkernd. Sie ist Projektleiterin des Brückenbaus über die A7 und meint damit den dampfenden frischen Asphalt. Endlich! Der Abschluss der einjährigen Bauarbeiten ist in Sicht: Am 22. Oktober wird das Bauwerk für Autos und breitem Weg für Radler und Fußgänger offiziell freigegeben.
An dem trüben Tag Ende September kommt die grobkörnige Tragschicht auf den Schotter. Die blitzblauen Geländer an den Seiten der Brücke ist bereits montiert. Fast ein Dutzend schwere Thermolastwagen karren im Pendelverkehr tonnenweise Asphalt vom Donautal an und kippen ihn in die gierigen Schlunde der beiden Asphaltfertiger. Die Ungetüme verteilen die Masse auf der Fahrbahn, um dann den Walzen das Glätten zu überlassen.
Bauingenieurin Arnegger lässt einen prüfenden Blick über die Fahrbahn wandern. „Der Bau der Brücke ist reibungslos gelaufen“, zieht sie zufrieden Fazit. Das Projekt sei für sie eine ganz besonderes gewesen, wegen der großen Anteilnahme der Holzheimer und Finninger. „So eine Abrissparty wie hier habe ich noch nie erlebt“, sagt die Brückenexpertin anerkennend.
Blick zurück, Ton ab. „Jüüürgen reiß die Brücke ab, die Brücke ab“, singt am 19. Oktober 2024 gegen 22.30 Uhr ein junger Mann ins Megaphon. Um ihn herum klatschen viele junge Leute dazu im Takt. Sie haben sich über Social Media verabredet. Aus einem weißen Zelt heraus dröhnt Techno-Sound. Es gibt Getränke. Mit Jürgen ist Jürgen Pietschmann gemeint. Er ist nicht nur Bauleiter Brückenabbruch bei der Firma Max Wild, sondern – welch Zufall – auch Holzheimer „Ureinwohner“ und Vorsitzender der Schützenkapelle. In der Nacht zum 20. Oktober dirigiert er vier große Bagger. Sie sehen bei Flutlicht und in den Staubwolken wie die gespenstischen Gerippe von Dinosauriern aus. Unter den lauten rhythmischen Schlägen der Hydraulikhämmer wird in einer Nacht den Überbau, samt Mittelstütze und Fundament abgebrochen – insgesamt 400 Kubikmeter Material fallen an. Für Pietschmann ist das nichts Besonderes: „Das ist easy hier, weil der Weg zur Arbeit kurz ist.“ Um 23.57 Uhr erreicht das Spektakel seinen Höhepunkt: Die 1974 gebaute Brücke fällt in sich zusammen.
Die Brücke ist weg, der Baustellen-Tourismus beginnt. Holzheimer und Finninger bekommen ein Gefühl, wie die Berliner nach dem Mauerbau. Von der einen Seite zur anderen rüberwinken geht noch, rüberlaufen nicht. Bis aus Osterberg kommt ein etwa 60-jähriger Mann mit seinem Roller angeknattert. „Das will ich mir unbedingt anschauen“, sagt er und stapft los. Unter den Holzheimer Pendlern werden die günstigsten Umleitungen diskutiert. „Fährsch obarom über Holzschwang oder hendarom über Schtoina?“
Ein Jahr später ist es mit den zeit- und spritverschwendenden Umwegen für Autofahrer bald vorbei. Auch die Radler sind am Aufatmen, denn sie können statt der ruppigen Schotterpiste am Waldrand demnächst auf dem neuen komfortablen Asphaltradweg über der Brücke dahingleiten.
Holzheims Bürgermeister Thomas Hartmann freut sich gleich doppelt über die vollendete Brücke – als Gemeindeoberhaupt und als Neuhauser Bürger. „Die Anwohner an der Umleitung über die Steinheimer Straße, die Besitzerin vom Lebensmittelladen und die Gastronomen sind erleichtert“, sagt der Bürgermeister. Für ihn und seine Familie werde es nun auch einfacher. „Zwei Töchter leben in Finningen und meine Frau ist dort Vorsitzende der Chorgemeinschaft. Da ist im vergangenen Jahr einiges an Kilometern und Zeit wegen der Umleitung zusammengekommen“, erzählt der Familienmensch und rechnet vor. Statt 1,5 Kilometern in drei Minuten über die Brücke, kamen mit Umleitung über Steinheim 6,5 Kilometer in 10 Minuten zusammen. Hin und zurück satte zehn Mehrkilometer. Hartmann sagt zusammenfassend: „Das war alles sehr mühsam. Ich bin froh, wenn wieder der Verkehr über die Brücke rollt.“