Sparmaßnahme, die alle freut?
Teilhabe Am sonderpädagogischen Zentrum soll künftig nur noch eine Schulbegleitung mehrere Kinder unterstützen. Doch die Sparmaßnahme hat einen Haken.
Der Alb-Donau-Kreis steht unter Spardruck. Kürzungen betreffen auch das Bundesteilhabegesetz, wie im Bildungsausschuss Ende September deutlich wurde. Bisher konnten Eltern für Kinder mit Einschränkungen quasi eine Eins-zu-eins-Betreuung beantragen: Eine Schulbegleitungskraft begleitet das Kind während des gesamten Unterrichts. Die Kosten trägt das Sozialamt des Kreises.
Künftig will das Landratsamt in diesem Bereich sparen. An der sonderpädagogischen Martin-Schule in Laichingen soll als Pilotprojekt eine Betreuungsperson mehrere Kinder unterstützen. Dadurch sollen die bisherigen Einzelbetreuungen reduziert werden. Das Sozialamt rechnet mit einer Kostenersparnis von rund 37.000 Euro. Später soll das Modell auf weitere Schulen übertragen werden. Im Ausschuss gab es Kritik. Ob das nicht zu Lasten der Kinder gehe? Ein Besuch vor Ort bei Schulleiter Martin Erstling zeichnet ein anderes Bild. „Ich stehe da absolut dahinter“, sagt Erstling. „Das hilft allen.“
Zur Selbstständigkeit erziehen
„Schulbegleitungen sind für Kinder gedacht, die die Schule sonst nicht schaffen würden“, erklärt Erstling – etwa bei starken Verhaltensauffälligkeiten oder Autismus. Das könne die Lehrkraft allein nicht leisten. Viele Schulbegleiter seien zwar sehr engagiert, aber nicht pädagogisch geschult. „Die Kinder lernen dann, dass sie nichts mehr selbst machen müssen“, so Erstling. Die Schule zählt zehn Lehrkräfte und 45 Schülerinnen und Schüler, von Klasse 1 bis 9. Aktuell ist eine Begleitperson dort beschäftigt, die nach alter Regelung ein Kind betreut.
Ziel sei es, die Kinder zu Selbstständigkeit zu erziehen, nicht ihnen alles abzunehmen. Erstling führt ein Beispiel an: Es komme etwa vor, dass ein Kind verlange, die Betreuungsperson solle ihm eine Schere holen – und manche tun das dann, in der Annahme, sie würden helfen. Doch die gut gemeinte Unterstützung führe so genau zum Gegenteil. Wenn ein Kind länger für Aufgaben brauche, sei das kein Problem. „Wir haben hier ja auch die Zeit dafür“, stellt Erstling klar. Problematisch werde es, wenn es gar nicht mehr selbst beginne.
In der Tendenz werden die Schulbetreuungskräfte eher mehr als weniger. Viele Eltern stellten einen Antrag für ihr Kind, in dem Glauben, ihm damit etwas Gutes zu tun. So wäre es Ende vergangenen Schuljahres dazu gekommen, dass an der Martin-Schule bis zu drei Kinder eine individuelle Schulbetreuung bekommen hätten. In einer Klasse wäre dann der Fall eingetreten, dass auf zehn Kinder drei Betreuungskräfte plus zwei Lehrkräfte gekommen wären – also fünf Erwachsene auf zehn Kinder. Für Erstling definitiv zu viel: „Das hat nichts mehr mit Schule zu tun.“
Betreuungskraft ab November
Eine gemeinsame Betreuungskraft sei die bessere Lösung. Sie könne flexibel dort eingesetzt werden, wo sie gerade gebraucht werde. Brauche ein Kind etwa Unterstützung im Sportunterricht, komme die Begleitung dort zum Einsatz. Anschließend könne sie einem anderen Kind helfen, das in einem anderen Fach Unterstützung benötigt. So werde die Hilfe gezielter verteilt, zudem sei die Kraft längerfristig angestellt.
Doch ein paar Wermutstropfen gibt es dann doch: Zum einen könne es durchaus zu zeitlichen Überschneidungen im Stundenplan kommen, wo die Betreuungsperson zur selben Zeit eigentlich jeweils ein Kind betreuen müsste. Darüber sei Erstling mit dem Landratsamt auch bereits im Gespräch. „Da gibt es Nachbesserungsbedarf“, sagt der Schulleiter.
Zum anderen fiel zum Schuljahresbeginn die vorgesehene Betreuungskraft aus. Erst ab November konnte eine neue Person gefunden werden. Trotz „intensiver Bemühungen“, wie das Landratsamt mitteilt, war ein Ersatz kurzfristig nicht verfügbar. Im aktuellen Schuljahr wurden für fünf Kinder Anträge für eine individuelle Betreuung gestellt, der Bedarf ist also groß.
Zwei Monate musste die Schule ohne auskommen. Deshalb wünscht sich Erstling zwar keine fünf Betreuungskräfte, aber zwei, die sich bei Ausfällen ablösen könnten. „Das kostet halt mehr Geld“, räumt er ein. „Aber mit einer wird es bei der Menge an Kindern nicht reichen.“
Darauf angesprochen teilt das Landratsamt mit, dass solche Änderungen in Abstimmung mit dem Amt als Schulträger erfolgen müssten. Ziel bleibe es, die Betreuungsstruktur am tatsächlichen Bedarf der Schülerinnen und Schüler auszurichten und vorhandene personelle Ressourcen bestmöglich einzusetzen.