Ulm debattiert Sperrstunde
Gastronomie Ein Antrag der FWG will den Lokalen im Sommer längere Öffnungszeiten im Freien erlauben. Was die Wirte freut, sorgt bei Anwohnern für Unruhe.
Mitten im Herbst diskutiert Ulm über den Sommer, genauer gesagt über die Außenbewirtschaftung während der warmen Monate: Die Fraktion der Freien Wähler (FWG) hat im Gemeinderat beantragt, die Bewirtungszeit für die Außengastro um eine Stunde zu verlängern. Konkret soll an Donnerstagen, Freitagen und Samstagen während einer sechsmonatigen Sommersaison Außengastronomie künftig bis 1 Uhr morgens möglich sein, unter der Woche bis 0 Uhr.
Die Freien Wähler begründen ihren Vorstoß unter anderem mit den massiven Belastungen durch die vielen Baustellen in der Stadt. Gastronomie und Einzelhandel seien dadurch gleichermaßen betroffen. FWG-Stadtrat Leo Baumholzer betont, dass besonders junge Gäste und Touristen den Vorschlag begrüßen. Mit Blick auf die bevorstehende Sperrung der B10 ab dem 29. November warnt er vor einem möglichen „Niedergang der Ulmer Innenstadt“ und einem beispiellosen „Verkehrschaos“. Angesichts dieser Herausforderungen müsse die Stadt „jede Möglichkeit zur Attraktivitätssteigerung“ nutzen.
Unterstützung kommt aus der Gastronomie selbst. Willi Schubert, Betreiber des Zunfthauses der Schiffleute und der Lochmühle im Fischerviertel sowie zweiter Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, hält die Forderung der FWG für sinnvoll: „Man muss sich an das Klima anpassen – auch in Ulm wird es immer wärmer. In Italien sitzen die Leute nachts lange draußen, und ich sehe kein großes Problem mit Lärmbelästigung“, so Schubert. Die Gäste hielten sich ja trotzdem an Recht und Gesetz „und fangen nicht plötzlich an herumzugrölen.“ Auch wirtschaftlich sei die Maßnahme ein wichtiges Signal: „Mit der B10-Erneuerung kommen schwierige Jahre auf uns zu, da täte der Gastronomie und der Innenstadt ein besseres Stadtflair gut.“
Ähnlich äußert sich Sandra Walter, die Ulmer Citymanagerin. Eine flexiblere Regelung für die Sommermonate sei aus ihrer Sicht „ein echter Gewinn für die Ulmer Innenstadt – vor allem während der Baustellenphase“. Wenn Menschen länger draußen verweilen können, stärke das nicht nur die Aufenthaltsqualität, sondern auch die Lebendigkeit der City. „Unsere Gastronomiebetriebe leisten einen wichtigen Beitrag zur Belebung des öffentlichen Raums – insbesondere in den Abendstunden“, so Walter. Gleichzeitig betont sie, dass Lärmminderung und Rücksicht auf Anwohner „essenziell“ seien, um eine tragfähige Lösung zu schaffen.
Nicht alle sind begeistert
Doch nicht alle teilen die Begeisterung. Martin Plenio, Sprecher des Anwohnervereins Leben in der Stadt (ehemals Leise e. V.), warnt davor, die Balance zwischen Wohnen und Ausgehen aus dem Gleichgewicht zu bringen. „Das Innenstadtkonzept 2020 legt Wert auf eine Mischung aus Handel, Dienstleistungen, Wohnen und Gastronomie“, erinnert Plenio. Fast die Hälfte der Gebäude in zentraler Lage sei bewohnt – die Belange der Anwohner dürften nicht übergangen werden. Immer wieder würden Lockerungen der Sperrzeiten als Ausnahme eingeführt und später beibehalten. „Auf solche Zusagen kann man sich leider nicht verlassen“, sagt Plenio. Zudem sieht er in den späteren Abendstunden wachsende Sicherheitsprobleme in der Innenstadt und bezweifelt, dass längere Außengastronomie hier förderlich sei.
Verwaltung ist zurückhaltend
Auch die Stadtverwaltung mahnt zur Zurückhaltung. Daniel Hadrys, Pressesprecher der Stadt Ulm, verweist auf die rechtliche Abwägung: „Längere Öffnungszeiten, insbesondere in den Sommermonaten, können die Aufenthaltsqualität steigern. Dem steht jedoch der Schutz der Nachtruhe gegenüber, dem die Rechtsprechung derzeit ein höheres Gewicht beimisst als wirtschaftlichen Aspekten.“ Außerdem bedeute jede Verlängerung der Außengastro mehr Aufwand für Polizei und Rettungsdienste. Hadrys erinnert: „Ulm gehört schon jetzt zu den Stadtkreisen mit den großzügigsten Öffnungszeiten.“ Ziel bleibe ein ausgewogener Umgang zwischen lebendigem Nachtleben und dem Schutz der Nachtruhe.
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