Vier neue „Ulmer Köpfchen“
Besondere Ehrung für zwei Frauen und zwei Männer, die hier alle auf ihre individuelle Weise mit Verstand und Herz die Welt für andere Menschen besser machen oder voranbringen.
Das „Ulmer Köpfchen“ ist eine Erfindung des Ulmer Goldschmieds Wolf-Peter Schwarz: Aus den anfänglichen individuellen Schmuckstücken, die als Form die Silhouette eines Kopfes hatten, ist mittlerweile eine Auszeichnung für Menschen geworden, die „fernab des Mainstreams Dinge tun oder sagen, die niemand von ihnen erwartet hatte“, heißt es in der Konzeption des Preises, der am Samstag (18. Oktober 2025) zum vierten Mal vergeben wurde. Die ausgewählten Personen eint, dass sie nicht nur Verstand haben, sondern auch mit „Herz, Mut, Empathie und Gemeinsinn wirken“, so beschreibt Schwarz seine Initiative. Die siebenköpfige Findungskommission um Schwarz hat heuer dafür zwei Frauen und zwei Männer ausgewählt: Maria Gmeiner, Berra Yildiz, Klaus-Michael Debatin und Wolfgang Schleich. Jeder Preisträger durfte dabei einen Laudator oder eine Laudatorin für sich bestimmen.
Maria Gmeiner bekommt das „Ulmer Köpfchen“, weil sie „wie keine andere die soziale Landschaft in der Weststadt prägt und mit kreativen, inklusiven und nachhaltigen Projekten für eine zukunftsweisende Gemeinwesenarbeit steht“, heißt es in der Begründung der Jury. „Es ist ihr eine Herzensangelegenheit, Menschen zu verbinden.“ Die 61-Jährige ist Sozialarbeiterin und Ressourcenmanagerin in der Weststadt, Leiterin des Canapé Cafés, das zugleich Begegnungsstätte ist und stellt inzwischen mit dem „Cookie“, einem kleinen Food-Truck, mittlerweile auch mobile Angebote auf die Beine, unter anderem auf dem Söflinger Friedhof.
„Maria, ohne dich würde in der Weststadt was fehlen“, meinte Laudatorin Marlies Blume (alias Kabarettistin Heike Sauer), die eine langjährige Weggefährtin Gmeiners ist. „Du steigerst unser Bruttosozialglück!“ Blume hob die Fähigkeit Maria Gmeiners hervor, andere Menschen zu fördern und zu motivieren, „über sich hinauszuwachsen“. Die Geehrte nahm dies auf und sagte ihrerseits: „Jeder kann etwas geben, egal ob mit Handicap oder ohne.“ Maria Gmeiner betonte auch, dass sie die Auszeichnung für ihr Team aus 80 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer annehme. Bei der launigen Canapé-Café-Hymne, die ihr Mann Siegfried Gmeiner auf Schwäbisch reimte und auf dem Akkordeon begleitete, sang das Publikum im voll besetzten Felix-Fabri-Saal begeistert mit.
Dr. Berra Yildiz ist Ärztin und Genforscherin an der Ulmer Uniklinik. Dabei war der 30-Jährigen eine solche Karriere als Kind einer Migrantenfamilie ohne jegliche akademische Tradition nicht in die Wiege gelegt. „Sie zeigt, dass Herkunft, finanzielle Barrieren oder gesellschaftliche Hürden nicht darüber bestimmen, wie weit wir im Leben kommen“, begründet die Findungskommission ihre Wahl. Als Laudator hatte Yildiz ihren Ehemann Enes gewählt. Laut dem Rechtsanwalt ist Bildung „die beste Investition, die ein Land seinen Bürgern mitgeben kann“. Seine Frau habe „mit Disziplin, Mut, unerschütterlicher Energie und dem Glauben an sich selbst“ ihren Weg von der Hauptschule bis zum Abitur, weiter übers Studium und die Promotion gemacht: „Es war ihre Entscheidung, jeden Tag ein Stück weiterzugehen, auch wenn der Weg steinig war.“ Dabei habe sie ihre Herkunft nicht hinter sich gelassen, sondern sehe sie als Kraftquelle.
Berra Yildiz bezeichnete das „Ulmer Köpfchen“ als „besondere Anerkennung meiner Arbeit und meines bisherigen Weges“. Die Molekularmedizinerin sieht sich als jemand, „der das Eis bricht, damit es Nachfolgende vielleicht leichter haben. Zumal wissenschaftliche Forschung Vielfalt an Ideen und Lebenswegen braucht.“ Sie dankte ihrer Familie für die Unterstützung, „unkonventionelle Wege zu gehen“.
Prof. Klaus-Michael Debatin hat 27 Jahre lang die Kinderklinik der Uni Ulm geleitet und „als Experte für pädiatrische Onkologie die Klinik geprägt und zugleich Maßstäbe für die Forschung gesetzt“, hält die Köpfchen-Jury fest. Der 72-Jährige ist vergangenes Jahr in den Ruhestand gegangen. Seine Laudatio hielt der langjährige Ulmer Uni-Kollege und Psychiater Jörg Fegert. Dieser betonte, dass es Debatin gelungen sei, zwei Seiten zu vereinen: Im Alltag der Uniklinik für all die Familien da zu sein, „die Angst um das Leben ihrer Kinder haben“, und zugleich in der Forschung auf höchstem Niveau tätig zu sein, wovon zahlreiche Preise zeugen. „Debatin hat als Arzt und Kliniker unzähligen Menschen geholfen“, sagte Fegert. Besonders hob er Debatins „Haltung als Arzt“ hervor, die von Fürsorge geprägt sei. Zudem habe es sein empathischer Führungsstil vielen jüngeren Medizinern ermöglicht, auf ihrem eigenen Weg voranzukommen.
Debatin selbst betonte, dass es nicht darauf ankomme, zurückzublicken: „Für die Zukunft ist das Wichtigste, nach vorne zu schauen.“ Sein Antrieb sei es stets gewesen, „dass man immer noch was machen kann“. In diesem Sinne freue er sich über die Auszeichnung und sei stolz, „dass ich jetzt auch ein Ulmer Köpfchen bin“.
Prof. Wolfgang Schleich bekam die Auszeichnung für seine „mehrfach ausgezeichnete Forschungsarbeit im Bereich der Quantenphysik“, die er „mit Zuversicht und Geduld“ vorangetrieben hat, lautet die Begründung der Jury. Als Laudator fungierte der Physiker und Kollege Prof. Hansjörg Dittus. Der hob heraus, dass Schleich seine Vorträge „immer mit einem Bild vom Ulmer Münster beginnt, daher ist er ein Ulmer Botschafter“. In seinem Spezialgebiet Quantenoptik sei es dem 68-Jährigen gelungen, international anerkannte Forschung zu betreiben und „trotz großzügiger Angebote aus den USA“ seiner Ulmer Professur „in all den Jahren immer treu zu bleiben“. Laut Dittus ist Schleich „nicht nur ein hervorragender Wissenschaftler, Organisator und Stratege, sondern auch ein guter Kommunikator, der viele junge Forscher motiviert und als unermüdlicher Ratgeber gefördert hat“.
Auch Schleich bedankte sich für das „Köpfchen“ und meinte, dass er „keine Veranstaltung wie diese erlebt habe, die so voller Herz war“.