Die Rentner in ihren Radlerhosen

Unterhaltung Comedienne Tahnee punktet im vollbesetzten Roxy mit Pfiff und Wortwitz.

„Senden finde ich ja besonders schön. Empfangen habe ich noch nicht gefunden.“ Die Begrüßungsrunde ist der erste Gradmesser für die Tagesform eines Stand-up-Comedians, wenn die Leute im Publikum abfragt werden, wo sie denn herkommen und was sie so arbeiten. Bei Tahnee Schaffarczyk erfuhr man am Samstag, dass die Besucher in der komplett gefüllten Roxy-Werkhalle bis aus Göppingen angereist waren und eine Supermarktverkäuferin von dort einen Platz ganz vorne ergattert hat: „Und was läuft so im Lager bei Lidl?“

Aus besagtem Senden ist eine Schwimmmeisterin da, die für ihren Job weit aus dem Osten hergezogen ist. Das muss natürlich erörtert werden. „Ist das Schwimmbad in Senden was Besonderes?“ Schweigen im Roxy, das sich in Lacher auflöst: Das Publikum kitzeln kann sie gut, die 33 Jahre alte frisch verheiratete Kölnerin, die ihre sexuelle Orientierung offensiv in ihr Programm „Blütezeit“ einbaut. „Eine Lesbenplage? Da muss irgendwo ein Nest sein.“

Die Vita der gelernten Tänzerin, bei der sich auch das Singen und das Schauspielern dazugesellt haben, ist ein beeindruckendes Potpourri aus Fernsehkomikerin, Radiosprecherin und Moderatorin, bei der sich die privaten und öffentlich-rechtlichen Gastgeber durchwechseln: Tahnee ist massenkompatibel, jedenfalls in der Abteilung Comedy-Unterhaltung, auch wenn sie verbal in sämtlichen Körperregionen unterwegs ist und man sich ihren Schlaf- und Badezimmerreport nicht immer bildlich vorstellen mag.

Baumkuchen ohne Baum

Aber die Kölnerin macht das immer mit einem gewissen Pfiff und einem eindrucksvollen Wortwitz, bei dem man über die Sprüche lachen kann, ohne den Sinn verstehen zu müssen. Auch wenn sie nur Texte aufsagt, merkt man ihre tänzerische Sozialisation, sie unterstreicht jede Silbe mit einer passenden kleinen Bewegung, hat auch kein Headset und hält nach alter Schule das Mikro in der Hand, um mit der anderen ausladend zu gestikulieren.

Und mit ihrer stimmlichen Variationsbreite könnte sie einen ganzen Comicfilm synchronisieren. Auf diese Weise lästert Tahnee über Tratschtanten im Treppenhaus, Rentner in Radlerhosen und wünscht sich einen KI-Assistenten, der beim Schlussmachen dem Partner die Trennungsbotschaft entgegenreimt: „Du bist die Qualle am Strand von Malle.“ Zwischendurch wird sie auch politisch, äußert sich als Merkel-Fan und schimpft auf den Plan, dass man Vegetarisches nicht mehr als Schnitzel bezeichnen darf. „Beim Baumkuchen erwartet auch keiner einen Baum.“ Da kriegt die Comedy sogar FAZ-Niveau – zumindest einen kurzen Moment lang.

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