Abstimmung Die Münchner Bürger befinden am Sonntag darüber, ob sich die Stadt um Olympische Sommerspiele bewerben soll. Viele sehen darin eine Chance.
Auch mancher Münchner Sportmuffel bekommt bei der Vorstellung leicht glänzende Augen: Olympische Sommerspiele nochmal an der Isar, mehr als sieben Jahrzehnte nach dem legendären Olympia 1972? München will sich bewerben für die Jahre 2036, 2040 oder 2044. Eine erste Hürde dafür muss an diesem Sonntag genommen werden. In einem Bürgerentscheid stimmen die Münchner darüber ab, ob sie das wollen.
Die Pläne für die Spiele sind schon weitgehend ausgearbeitet. Die Stadt sieht ihren Vorteil darin, dass die meisten Sportstätten bereits vorhanden sind, etliche noch von 1972. Im Zentrum steht das Olympiastadion mit den Feierlichkeiten und den Leichtathletik-Wettbewerben. Weitere Austragungsorte: Geritten werden soll im Nymphenburger Park und in Riem, gerudert in der alten Regatta-Anlage in Oberschleißheim, die Theresienwiese ist für Beachvolleyball vorgesehen und das Giesinger Stadion für Rugby.
Die Stadt ist vollgepflastert mit Werbeplakaten. Politisch gibt es eine große Allianz der Befürworter aus CSU und SPD mit deren Oberbürgermeister Dieter Reiter, sie nennen sich OlympiJA. Reiter sagt: „Sport verbindet Menschen, woher sie auch kommen.“ München werde durch die Investitionen in Verkehr und Wohnungen sehr profitieren. CSU-Ministerpräsident Markus Söder meint: „Bayern kann Großereignisse.“ Olympia sei eine „Win-Win-Situation für den Sport, für junge Menschen und unsere Infrastruktur“.
Warnung vor den Kosten
Die Gegner von NOlympia bestehen aus der Linken, der ÖDP und dem Bund Naturschutz. Das Internationale Olympische Komitee, das die Spiele vergibt, prangern sie als undurchsichtige und korrupte Organisation an. Bekanntester Gegner ist der Grünen-Landtagsvizepräsident Ludwig Hartmann. Er sagt: Wenn der Wachstumsboom mit einem neuen Großereignis angeheizt werde, drohten den Münchner noch höhere Kosten als bisher, etwa für die Mieten. In öffentlichen Verkehr und Wohnraum müsse jetzt investiert werden, unabhängig von Olympia. Die Kosten werden auf rund 20 Milliarden Euro veranschlagt, der größte Teil davon für den Ausbau von U- und Trambahnen sowie einen – dringend benötigten – Fernzuganschluss am Flughafen.
Das Olympische Dorf draußen in Daglfing würde da mit 2,3 Milliarden Euro vergleichsweise billig kommen. Einige neue Sportstätten würden nur temporär errichtet und nach den Spielen wieder zurückgebaut werden. Kommt am Ende ein Plus oder ein Minus raus? Da möchten sich Experten der TU München in einer Studie nicht festlegen. Beides sei möglich, meinen sie.
Dass sich auch die Städte Berlin und Hamburg sowie das Ruhrgebiet bewerben wollen, scheint man mit typisch bayerischem Selbstbewusstsein gar nicht wahrzunehmen. München sei am besten dafür geeignet, lautet die vorherrschende Meinung.
Das liegt auch an 1972. Damals war das ein Aufbruch in eine neue Zeit. Die Bundesrepublik zeigte sich - 27 Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur – als weltoffenes, friedliches, freundliches Land. Das Stadion mit seinem durchsichtigen, schwebenden Dach und der geschwungene Olympiapark wurden zum Symbol dafür. Auch wenn die Entführung und Ermordung israelischer Sportler durch Palästinenser ein immer bleibender rabenschwarzer Einschnitt war. Das einstige olympische Dorf ist heute ein begehrter, autofreier Wohnort. München blühte auf, in den 1960er Jahren war es noch eher provinziell-verhockt gewesen mit seinem klassizistischen Erbe und dem Stempel der NS-„Hauptstadt der Bewegung“.