Ein heißes Eisen für die Europäische Union
Reformprojekt Die Energiekrise hat einst die Zeitumstellung hervorgebracht. Ihr ursprünglicher Sinn ist längst widerlegt, doch alle Anläufe, sie abzuschaffen, sind bisher gescheitert.
Brüssel. Eigentlich hat Markus Ferber ein sonniges Gemüt. Zweimal im Jahr brauen sich über dem CSU-Mann aber dunkle Wolken zusammen. „Die Zeitumstellung muss ein für alle Mal abgeschafft werden“, poltert der gebürtige Augsburger. Seit 1994 sitzt er im Europaparlament und fast ebenso lange währt sein Kampf gegen eine Regelung, die die Deutschen seit 1980 regelmäßig umtreibt. An diesem Wochenende ist es wieder so weit: Um drei Uhr morgens werden die Uhren um eine Stunde zurückgestellt. Dann ist es morgens früher hell und nachmittags eher dunkel.Zuletzt keimte in Markus Ferber 2018 die Hoffnung, dass die Regelung zu Fall gebracht werden könnte. Damals startete die EU-Kommission in ganz Europa eine Online-Umfrage. Das Ergebnis war eindeutig: 80 Prozent der fast fünf Millionen Teilnehmenden stimmten für ihre Abschaffung. „Eine schnelle Umsetzung schien damals fast schon selbstverständlich“, betont deshalb der CSU-Politiker. Zumal „ein Nutzen, beispielsweise fürs Energiesparen, nicht nachgewiesen ist“.
Doch es kam anders. Denn es begann ein für die EU typischer Ablauf. Studien wurden erstellt, öffentliche Konsultationen durchgeführt, das Europäische Parlament äußerte sich umfänglich und dann passierte – nichts! 2019 kam die EU-Kommission zu dem „Schluss, dass die Mitgliedstaaten am besten in der Lage sind, selbst zu entscheiden, ob sie die Sommer- oder Winterzeit dauerhaft beibehalten wollen“. Ein Begräbnis erster Klasse.
Markus Ferber hat die Schuldigen längst ausgemacht: die nationalen Regierungen. Angesichts des seit sieben Jahren dahinsiechenden Prozesses befürchtet er, dass „dieses Gesetzesvorhaben in den Archiven der Europäischen Kommission verschwindet“. Damit das nicht geschieht, hat sich das Europaparlament am Donnerstag wieder einmal des Themas angenommen. In ungewohnter Einigkeit verabschiedeten die Abgeordneten eine Erklärung, in der die EU-Kommission aufgefordert wird, mehr Druck auf die Mitgliedstaaten auszuüben.
Sommer- oder Winterzeit?
Allerdings will keine Regierung das heiße Eisen anfassen. Stattdessen wird darauf verwiesen, dass das Thema derzeit keine Priorität habe. Außerdem sind sich die Staaten nicht einig darüber, ob dauerhaft Sommer- oder Winterzeit gelten soll. Der Grund: Käme die Sommerzeit, würde etwa im Westen Spaniens im Winter die Sonne erst kurz vor zehn Uhr aufgehen. Mit der Winterzeit würde es in Warschau im Sommer aber schon um drei Uhr morgens hell.
Aus diesem Grund fordert Markus Ferber, dass die EU-Mitgliedstaaten bei einer Abschaffung der Zeitumstellung auf jeden Fall „die Standardzeiten koordinieren“ müssten. Andernfalls drohe Europa ein Tohuwabohu, was zu einer „Beeinträchtigung des Binnenmarkts und Chaos in grenznahen Regionen“ führen würde, warnt er als Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Währung im Europaparlament.