Riesiges Dach-Teil kracht in Gebäude der Müller-Drogerie

Unwetter Orkanartige Windböen richten gestern am Grasmarkt in der Altstadt schwere Schäden an. Passanten kommen mit dem Schrecken davon.

Am Donnerstag um kurz nach 10 Uhr braut sich über der Haller Innenstadt ein Unwetter zusammen. Heftiger Regen geht nieder und schwere Windböen reißen an den Dächern der jahrhundertealten Gebäude. Das Dach der Sulengasse 12, in dessen Erdgeschoss die Wüstenrot-Bausparkasse eine Filiale betreibt, hält der Naturgewalt nicht stand. Ein großes Blechteil wird herausgerissen und fliegt rund 50 Meter weit zur Südfassade von Neuer Straße 22-24 – dem Gebäude, in dem sich die Müller-Drogerie befindet. Dort schlägt das mehrere Meter große Dach-Teil zwischen zweitem Obergeschoss und Dachgeschoss ein, hinterlässt Schäden an Dachrinne und Fensterläden. Anschließend kracht das völlig zerbeulte Stück Blech in die Fußgängerzone – direkt neben dem Eingang des Drogeriemarktes.

Müller schließt zur Sicherheit

Passanten und Anwohner berichten einige Minuten später davon, sie hätten einen lauten Schlag gehört. Und es herrscht Verwirrung. Zunächst ist unklar, von welchem Dach das riesige zerbeulte Blechteil stammt. Weitere kleinere Dach-Teile und einige Ziegel liegen in der Fußgängerzone auf den Pflastersteinen, doch von unten ist der Schaden nicht erkennbar. Die Haller Feuerwehr ist schnell vor Ort, kann aber auf Anhieb auch keine Aufklärung schaffen. Das Drehleiterfahrzeug wird angefordert. Zwei Einsatzkräfte werden nach oben befördert, um einen Überblick über die Dächer zu bekommen. Währenddessen sperren Polizisten die Neue Straße für den Lieferverkehr ab und sichern den Eingang der Müller-Drogerie mit Absperrband. So soll vermieden werden, dass Menschen von herunterfallenden Teilen der beschädigten Fassade getroffen werden. Zunächst können Kunden noch über einen schmalen Zugang ins Geschäft gelangen. Später am Vormittag wird die Drogerie aus Sicherheitsgründen für den ganzen restlichen Tag geschlossen.

Polizisten, Feuerwehrleute und Gerrit Rozek, Abteilungsleiter Gewerbe/Polizei/Bußgeld/Verkehr bei der Haller Stadtverwaltung, diskutieren die Lage, überlegen, ob noch weitere Sicherungsmaßnahmen nötig sind. Ein Polizist bestätigt gegenüber unserer Zeitung vor Ort, dass das riesige Blechteil von der Sulengasse 12 wahrscheinlich über die Dächer der Gebäude Schwatzbühlgasse 4 (Handarbeitswelt) Schwatzbühlgasse 2 (Modehaus Wanner) und Neue Straße 25 (H&M) hinwegflog. Ob auch dort Schäden entstanden, war zunächst unklar. Vom Drehleiterfahrzeug aus startete die Feuerwehr noch weitere Untersuchungen.

„Der Sachschaden dürfte auf jeden Fall mehrere Zehntausend Euro betragen“, sagt der Polizist vor Ort. „Gott sei Dank stand niemand vor der Müller-Drogerie, als das Dach-Teil runtergekommen ist.“ Auch eine Mitarbeiterin der Haller Dachdeckerfirma Blessing bestätigt wenig später, dass der Schaden beträchtlich sei. Im Dach der Sulengasse 12 sei wegen des weggewehten Blechteils Wasser eingedrungen. Zudem habe das Teil während seines Flugs das Dach des H&M-Gebäudes beschädigt. Auch dort gelte es, den Schaden schnellstmöglich zu beheben. Das Blechteil, das fast ein wenig an ein Kunstobjekt erinnerte, wurde am frühen Nachmittag schließlich abtransportiert.

Jonas Ilg, Sprecher des Polizeipräsidiums Aalen, teilt mit, dass die Eigentümer der betroffenen Gebäude über die Lage informiert wurden. Über einen zivilrechtlichen Ausgleich müsse der Schaden nun geregelt werden.

„Moderne brachte Sieder zu Fall“

Geschichte Jana Hornung untersucht die Salzgewinnung. In ihrer geschichtlichen Bachelorarbeit ist sie auf einen Fakt gestoßen, über den es in Hall kaum Zeitzeugnisse gibt.

Mit dem Auto braust sie aus Freiburg in ihre Heimat Hall zum Interview an. Neuerdings weiß sie genau, was sich einst auf dem heutigen Parkplatz abgespielt hat, wo ihr Auto steht. Auf mehr als 100 Pfannen wurde auf dem Haalplatz Salz gewonnen.

Wie gefällt Ihnen Freiburg?

Jana Hornung: Wundervoll. Es ist wirklich sehr schön. Am Anfang war es überwältigend, wenn man halt aus Schwäbisch Hall kommt. Freiburg ist eine deutlich größere Stadt. Die Nähe zu Frankreich und der Schweiz ist toll. Ich bin kein Fan von riesigen Städten, aber Freiburg hat eine optimale Größe. Auch kunstgeschichtlich hat es viel zu bieten, sodass ich mich mit meinem Studienschwerpunkt gut aufgehoben fühle.

Warum haben Sie sich dann in der Bachelorarbeit auf Hall konzentriert?

Das hat alles damit angefangen, dass ich ein Seminar mit dem Titel „Gesellschaft und Umwelt in historischer Perspektive“ belegt habe. Dafür habe ich ein Hausarbeitsthema benötigt. Ich habe mir dann lange Gedanken gemacht. Eher zufällig bin ich auf Hall gestoßen, da ich mich sehr für Lokalgeschichte interessiere. Die Salzsieder sind etwas Einmaliges, vor allem mit ihren gesellschaftlichen Aspekten und Einfluss auf die Stadt. Das wurde zu meiner Seminararbeit.

Welche Aspekte der Salzsieder reichen denn in die Stadtbevölkerung genau hinein?

Die Sieder haben über Jahrhunderte einen deutlichen Teil der Gesellschaft geprägt. Es war ja eigentlich fast schon eine Art autonome Zunft, die sich daraus entwickelt hat mit einer ausgereiften Organisations- und Verwaltungsstruktur des Salinewesens. Zwischen acht und zehn Prozent der Bevölkerung in Schwäbisch Hall hat mittelbar und unmittelbar von dieser Salzherstellung gelebt. Noch heute besteht diese Tradition in den Events, wie dem Kuchen- und Brunnenfest, dem Hoolgaaschtfest oder am Tag des Salzes. Die Feste prägen noch heute die Identität der Stadt. Und die gehen eben auf die alte Tradition zurück.

Und diesen Aspekt aus der Hausarbeit haben Sie dann in der Bachelorarbeit vertieft?

Genau, aber auch erweitert. Meine Betreuerin ist auf Umweltgeschichte fokussiert.

Was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff?

Umweltgeschichte beschreibt das interdisziplinäre Forschungsfeld aus der Wechselwirkung zwischen Mensch und Natur und steht eng mit der Wirtschafts- und Sozialgeschichte im Zusammenhang. Es geht um Natur- und Ressourcenfragen wie: Wie prägt der Mensch die Umwelt? In welcher Beziehung stehen beide zueinander? Inwiefern bedroht der Mensch im Verlauf der Jahrhunderte die Umwelt? Inwiefern ändert die Umwelt das Verhalten der Menschen? Ein Fokus kann auch auf Umweltereignissen liegen, wie einer Naturkatastrophe.

So wie der Ausbruch eines Vulkans, der so viel Asche spuckt, dass in Deutschland der Sommer ausfällt, wie im Jahr 1816?

Ja, das ist ein ganz großes umwelthistorisches Forschungsfeld. Und prinzipiell kann man sagen, dass in jedem kleinsten Detail eigentlich Umweltgeschichte steckt. Je genauer man etwas betrachtet, je mehr man etwas hinterfragt und die simpelsten Dinge mal wahrnimmt und auf sich wirken lässt, umso mehr merkt man: Überall kann Umweltgeschichte drinstecken. Das war mein Leitansatz. Zu großen Städten gibt es viele Studien, wie zum Beispiel für Köln. Aber für kleine Städte liegen relativ wenig Forschungen zu der Umweltgeschichte vor, deswegen war Hall für mich ein optimales Forschungsobjekt, um diese Lücken zu füllen.

Zumindest in Hall selbst sind die Sieder sehr bekannt. Hat Sie irgendetwas bei den weiterführenden Recherchen überrascht?

Ich hatte mehrere Überraschungsmomente. Am meisten verblüfft hat mich, dass die Sieder in der Stadt und der städtischen Gesellschaft einen so großen Platz eingenommen haben. Heutzutage denkt man sich: Ach, da waren mal früher ein paar Sieder. Nein, das war wirklich sehr groß angelegt. Ihr Handwerk und der Salzhandel hat wirklich die ganze Stadt durchzogen. Relativ viele Feste wurden veranstaltet, auch um den Brunnen zu segnen, oder nach Restaurations- und Säuberungsarbeiten am Brunnen.

Was haben die anderen in ihrem Studiengang so für Arbeiten vorgelegt?

Das war ganz, ganz kunterbunt gemischt. Ein guter Kommilitone von mir hat über Öl in Texas geschrieben, weil der eben ein Auslandsjahr dort verbracht hat.

Vielleicht aber dafür umso mehr auf den Holzeinschlag im Limpurger Land?

Klar. Das Pendant zum Salz ist ja der Holzanbau kocheraufwärts, also im Limpurger Land. Das ist natürlich auch Teil einer der größten Umweltkatastrophen, wenn man so sagen will.

Gab es Weiterentwicklungen?

Ja. Der Holzverbrauch war am Anfang wirklich enorm. Bis ins 18. Jahrhundert wurde nach der Gewöhrdmethode verfahren, bei der der Brunnensole salzhaltiges Material, das Gewöhrd, beigefügt wurde, um deren Konzentration zu erhöhen. Nach dem Auslaugen der Sole wurde diese unter ständigem Befeuern in einer Eisenpfanne so lange bereinigt, bis sich das Salz herauskristallisierte. Später wurde die Gradiermethode eingeführt, bei der man zuvor die Sole über Schwarzdornreisig tröpfeln lässt, um Wasser verdunsten zu lassen. Allerdings merkte man schnell, dass man nun mehr Profit machen konnte, sodass schnell wieder die alte, große Holzmenge benötigt wurde. Die Gradierwerke standen um das Haal und in Nähe der Auwiese, bei der späteren Neuen Salinenanlage. Noch heute weist der Name Salinenstraße darauf hin.

Umweltgeschichte scheint sich an dem Brettspiel „Die Siedler von Catan“ zu orientieren: Sole, Holz und dann noch die richtigen Handelswege ergeben die Möglichkeit, Punkte zu sammeln.

Auf jeden Fall. Wissenschaftlich sagt man auch dazu: ,Urban Metabolism‘, also der urbane Stoffwechsel. Dabei wird in der wissenschaftlichen Forschung darauf eingegangen, wie Menschen natürliche Ressourcen nutzen, in welchem Zusammenhang diese stehen, und wie man was ausgebeutet hat. Vieles steht in Wechselwirkung miteinander. Die Industrialisierung mit dem Salzabbau aus Bergwerken hat die Haller Methode der Salzgewinnung schnell in den Schatten gestellt. Die Moderne brachte die Sieder zu Fall. Vielleicht würden wir heute noch hier stehen und Sole in Pfannen kochen.

Darf man auch einen Blick nach vorne wagen in der Geschichtswissenschaft?

Ja. Was ich beleuchten will in der Arbeit: Ändern sich kleine Aspekte, kann das riesige Auswirkungen haben. Die Auswirkung auf die Limpurger Wälder muss enorm gewesen sein, nur weil in Hall die Solequelle sprudelte. Ich bin auch auf noch etwas gestoßen, über das es wenige Quellen gibt.

Verraten Sie es uns bitte!

Auf dem heutigen Haalplatz war ja das Haal. Also die Stätte, an der die Sole, die aus dem Brunnen kam, gesotten wurde. 30 bis 40 Häuschen standen dort, in denen rund um die Uhr Feuer brannte. Diese Abgase, die wurden einfach ausgeleitet. Es muss eine unerträgliche Luft gewesen sein. Weil sich Hall in einer Kessellage befindet, die Feuer ausgerechnet am tiefsten Punkt loderten, muss die dicke Luft auch in der Stadt selbst gezogen sein. Erst später gab es Verbesserungsansätze in Form von Ableitung in Dörrräumen.

Waren unsere Vorfahren also alle Asthmatiker?

(lacht) Kann sein. Ich habe dazu in den Quellen aber nicht so viel gefunden. Insgesamt kann man aber definitiv durch die Umweltgeschichte aus der Vergangenheit etwas für die Zukunft lernen. Wir können die Welt einfach umweltfreundlicher gestalten. Das ist ein Kernelement der Umweltgeschichte. Man möchte natürlich aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, man möchte diese negative Wechselwirkung des Menschen, der Natur natürlich in eine positive umwandeln.

Haben Sie Ihre Heimatstadt im Zuge der Arbeit mit neuen Augen gesehen?

Am Anfang von meinem Studium bin ich relativ viel in Freiburg gewesen. Jetzt war ich oft in Hall und auch im Stadtarchiv, das mich wunderbar unterstützt hat. Ich ertappe mich manchmal wirklich dabei, wie ich durch die Stadt gehe und Bilder von früher im Kopf habe und die Relikte der ehemaligen Salzherrlichkeit aktiv wahrnehme. Ich habe eben das Auto auf dem Haalplatz geparkt und mir mit Blick auf den Haalbrunnen das Schöpfwerk vorgestellt, das es damals gab. Es war für die Zeit revolutionär. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wieder zurück nach Hall zu kommen. Im Masterstudiengang steht ein Praktikum an, das ich im Stadtarchiv oder dem Hällisch-Fränkischen Museum absolvieren will. Ich könnte mir vorstellen, später einmal in einer dieser Einrichtungen zu arbeiten.

Sperrung: Busse fahren Umleitung

Nahverkehr Die Arbeiten in der Stuttgarter Straße in Hall sorgen dafür, dass kommende Woche Haltestellen wegfallen.

Schwäbisch Hall. Die Vollsperrung der Stuttgarter Straße in der kommenden Woche (wir berichteten) hat auch Auswirkungen auf den Busverkehr. Das teilt der Kreisverkehr mit. Die Busse fahren eine Umleitung über die Neue Reifensteige und können dann einzelne Haltestellen nicht bedienen. Es werde mit einem hohen Verkehrsaufkommen auf den Umleitungsstrecken gerechnet und damit einhergehend mit Verspätungen und Ausfällen. Fahrgäste sollten deshalb für Zuganschlüsse sicherheitshalber eine frühere Verbindung wählen. Die Regelungen im Einzelnen:

Am Scharfen Eck wird stadteinwärts nur die Haltestelle „Scharfes Eck/Katharinenstraße“ bedient.

Linie 1: Montag bis Freitag bis 19 Uhr fahren die Busse über die Neue Reifensteige direkt vom und zum Schulzentrum West. Die Halte „Reifenhof“, „Rollhof“ und „Gaildorfer Straße“ entfallen. Richtung Tullauer Höhe halten die Busse bei Bedarf zum Ausstieg an der Haltestelle „Neue Reifensteige“. Fahrten nach 19 Uhr sowie am Sonn- und Feiertag bedienen Roll- und Reifenhof regulär, und fahren umleitungsbedingt von der Tullauer Höhe über die Neue Reifensteige in die Stadt. Wer Montag bis Freitag bis 19 Uhr am Rollhof oder Reifenhof ein- oder aussteigen möchte, kann die Linie 9 benutzen und gegebenenfalls am Schulzentrum auf die Linie 1 umsteigen.

Linien 2 und 7: Alle Fahrten werden über die Neue Reifensteige umgeleitet und alle Halte bedient.

Linie 3: Die Busse werden über die Neue Reifensteige umgeleitet. Der Halt „Gaildorfer Straße“ entfällt, die Haltestelle „Aschenhausweg“ wird regulär bedient.

Linien 8 und 10: Alle Kurse fahren über die Neue Reifensteige. Der Halt „Gaildorfer Straße“ entfällt.

Linie 9: Wegen der Sperrung im Sudetenweg fahren die Busse derzeit die Halte „Reifenhof“ und „Rollhof“ an. Fahrgäste können am Schulzentrum von und zur Linie 9 umsteigen.

Linie 16: Die Busse fahren über die Neue Reifensteige. Der Halt „Gaildorfer Straße“ kann nicht bedient werden und wird zum Halt „Neue Reifensteige“ verlegt.

Linie 20: Die Busse fahren über die Neue Reifensteige. Alle Halte können bedient werden.

Linie 32: Die Busse werden über die Neue Reifensteige umgeleitet. Die Haltestelle „Heimbach/B 14“ entfällt.

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