Weltraum-Trip im Club
Konzert Zwei Bands zelebrieren im Haller Club Alpha ihre Interpretation psychedelischer Musik. Sounds mit klarer 1970er-Schlagseite treffen auf abgedrehte Elektrosounds.
Angekündigt war „The most psychedelic rock experience“, und das war nicht zu viel versprochen. Zwei Bands, die das Genre aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und beackern, haben am vergangenen Samstag das Publikum im Schwäbisch Haller Club Alpha auf eine Weltraumreise mitgenommen.
Authentisch, nicht angestaubt
Den Anfang macht die Elara Sunstreak Band mit Wurzeln im Landkreis Schwäbisch Hall. Die drei Musiker stehen knietief im Psychedelic Rock der 1960er- und 1970er-Jahre. Und das setzen sie authentisch um, ohne irgendwie angestaubt zu klingen. Logisch, dass man dabei auf radiotaugliche Songlängen keinerlei Wert legt. Unter zehn Minuten machen es Felix Schmid (Gitarre), Daniel Wieland (Bass und Gesang) und Kevin Pohlschneider (Schlagzeug) nicht. Um das zu verdeutlichen: Ihre aktuellste Veröffentlichung „Vostok 1“ ist auf Vinyl als Doppelalbum erhältlich. Es hat vier Songs, die jeweils auf eine Seite einer Platte passen. Der längste Song „Nexus“ ist fast 20 Minuten lang, der kürzeste 16 Minuten. Kann das live funktionieren? Selbstverständlich, vor allem, wenn es von derart versierten Musikern dargeboten wird.
Beeindruckende Dynamik
Die Dynamik der Band ist beeindruckend, von ganz leise bis zum brüllenden Löwen werden Steigerungen musikalisch aufgebaut. Die drei verlieren sich in episch langen Jams, finden aber immer wieder zielsicher zurück in ihre Songstrukturen. Das ist handgemachte Musik, die mit großer Leidenschaft zelebriert wird. So hat spaciger Rock zu klingen. Das wissen die Besucherinnen und Besucher des Clubs zu schätzen: Der Applaus nach den ellenlangen Songs ist euphorisch. Man merkt, hier sind Leute mit Erfahrung am Werk: Seit 13 Jahren gebe es die Band, die in Großerlach probt, erzählt Bassist und Sänger Daniel Wieland nach dem Auftritt. Rund 150 Konzerte habe man in dieser Zeit gespielt und mehrere Platten produziert. Zwei neue Songs habe man im Club im Programm gehabt, und demnächst wolle man ins Studio gehen, um einen Nachfolger für „Vostok 1“ einzuspielen.
Außerirdische auf der Bühne
Einen gänzlich anderen Ansatz verfolgen Future Jesus & The Electric Lucifer aus Düsseldorf. Die beiden mit Musik-Equipment vollgestopften „Arbeitsplätze“ auf der Bühne kündigen das unmissverständlich an. Denn Florian Hoheisel (Gitarre und Tasten), Richard Eisenach (Bass und Gesang) sowie Drummer Tamon Nüßner haben keine Scheu vor Berührungspunkten mit elektronischer Musik. Da blubbern die Synthies, die Beats knallen und die Stimme klingt wie von einem Roboter. Der Weltraum-Trip wird verstärkt durch das Konzept, das hinter der Band steht, die in Düsseldorf einen Proberaum in der Nähe des legendären Kling-Klang-Tonstudios von Kraftwerk hat. Die drei Musiker betreten die Bühne als Außerirdische, die die Erde besuchen. Das wird nicht nur musikalisch untermalt, sondern auch durch die abgedrehten Kostüme der Musiker.
Breakbeats und Metal-Soli
Sie spielen ihr komplettes aktuelles Album „Kosmo Cure“, animieren damit nicht nur zum Zuhören, sondern auch zum sich bewegen. Denn tanzbar ist das alles wie Hölle. Unglaublich, was Richard Eisenach für Sounds aus seinem Bass hervorzaubert, wenn er nicht an irgendwelchen Knöpfen von Soundmaschinen dreht. Oder wie flinkt Florian Hoheisel zwischen Gitarre und Tasten wechselt. Tamon Nüßner bietet eine verboten groovige Neuerfindung des Tiers aus der Muppets Show. Gitarrensoli im Stil von Eddie van Halen folgen auf Breakbeats, eingesprochene und mit Sounds unterlegte Interludes zwischen den Songs machen alles zu einem großen Ganzen.
Sie würden gerade an neuen Songs arbeiten, sagt Richard Eisenach, als es an der Zeit für Zugaben ist. Diese schon aufzuführen sei aber noch zu früh, daher habe man zwei Coversongs mit dabei. Ob es unbedingt ein 1990er-Dancefloor-Kracher wie „What is love“ von Haddaway sein muss, darüber kann gestritten werden. Aber „Run to the hills“ von Iron Maiden hat man sicherlich noch nie in solch einer abgedrehten Version gehört. Entsprechend euphorisch reagiert das Publikum.
Schade, dass der Club mit unter 100 Besucherinnen und Besuchern mager gefüllt ist. Aber das tut der Stimmung auf und vor der Bühne keinen Abbruch. Ein gelungener Konzertabend, der eines beweist: Ob „klassischer“ oder „experimenteller“ Psychedelic-Rock, das Genre lebt und bringt immer wieder spannende Neuinterpretationen hervor.