„Verrat am Vaterland“?
Parteien Kleine Anfragen für den Kreml? Das werfen zahlreiche Politiker der AfD vor. Experten halten das Fragerecht für zentral.
Berlin. Spioniert die AfD mit ihren parlamentarischen Anfragen für den Kreml? Diesen schwerwiegenden Vorwurf erhob der Thüringer Innenminister und SPD-Landeschef Georg Maier in dieser Woche – und erhielt direkt Unterstützung von Marc Henrichmann (CDU), dem Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag, der „krasse Indizien“ dafür sieht, sowie vom Grünen-Politiker Konstantin von Notz. Unionsfraktionschef Jens Spahn sprach von einem möglichen „Verrat an unserem Vaterland“.
Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke kochte vor Wut, sprach von Verleumdung. Er will rechtliche Schritte gegen Maier prüfen. Was ist dran an den Vorwürfen der Spionage?
Das Thüringer Innenministerium verwies auf Anfrage dieser Zeitung auf acht kleine Anfragen der AfD-Landtagsfraktion, die bei Maier dessen Verdacht ausgelöst haben. In diesen geht es durchaus um heikle sicherheitsrelevante Themen, zum Beispiel Militärtransporte durch Thüringen, die operative Drohnenabwehr, die IT-Sicherheit der Kommunalverwaltung oder den Zustand der Brücken. Informationen, die der Kreml sicherlich interessant findet. Nur: legitimerweise die Opposition ebenso. Und die Informationen sind nicht geheim.
„Das parlamentarische Frage- und Informationsrecht ist ein grundlegendes Recht des Parlaments und der Abgeordneten, das von der Verfassung geschützt wird“, sagt der Oldenburger Staatsrechtler Volker Boehme-Neßler dieser Zeitung. Das Parlament solle ja die Regierung kontrollieren, das könne es aber nur, wenn es sich die dafür nötigen Informationen beschaffen kann.
„Ohne das Fragerecht können die Abgeordneten ihren Job nicht ordentlich machen“, sagt Boehme-Neßler. Deshalb dürfe die Regierung nur in ganz wenigen Ausnahmefällen Antworten verweigern. „Dass der Innenminister in Thüringen versucht, dieses Recht durch Spionagevorwürfe zu diskreditieren und einzuschränken, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht höchst problematisch“, findet der Oldenburger Staatsrechtler. Die Regierung habe kein Recht, dem Parlament und den Abgeordneten vorzuschreiben, was sie fragen dürften und was nicht.
Mit Blick auf das Strafrecht lässt sich festhalten, dass der Vorwurf der Spionage nur gegen einzelne Personen erhoben werden kann, nicht gegen eine ganze Partei. Laut Paragraf 99 Strafgesetzbuch macht sich strafbar, wer „den Geheimdienst einer fremden Macht“ mit Informationen versorgt, die im Gesetz als „Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse“ definiert werden.
Wichtig mit Blick auf die AfD ist, dass es sich dabei nicht um geheime Informationen handeln muss. Gleichzeitig reicht ein naheliegendes Interesse eines anderen Staates an den Informationen nicht aus, um von Spionage zu sprechen. Es muss nachgewiesen werden, dass es eine direkte Verbindung zum Geheimdienst gibt.