Schneller Booster

Finanzen Die Kommunen sollen Milliarden aus dem Investitionstopf des Bundes erhalten. Aber auch die Landesregierung will ihnen helfen. Wo kommt das Geld her?

Baden-Württemberg plant einen Nachtragshaushalt, das hat die grün-schwarze ­Landesregierung Anfang Oktober verkündet. Es geht um viel Geld – Mittel, die vom Bund ­kommen und bei der Verabschiedung des laufenden Doppel­haushalts 2025/26 noch nicht abzusehen waren. Aber auch Geld, das das Land den Kommunen versprochen hat und nun noch auftreiben muss.

Warum ein Nachtragshaushalt? Zuallererst geht es um Geld aus Berlin. Der Bund hat für die kommenden zwölf Jahre 100 Milliarden für Infrastruktur bereitgestellt, davon gehen 13,1 Milliarden Euro nach Baden-Württemberg. Das Land hat zugesagt, zwei Drittel davon an die Kommunen weiterzugeben, nämlich 8,75 Milliarden Euro. Damit es möglichst schnell ankommt, hat Grün-Schwarz einen Nachtragshaushalt angekündigt. Er wird außerdem gebraucht, weil das Land den Kommunen auch eigenes Geld versprochen hat, das im bisherigen Doppelhaushalt nicht eingeplant war.

Wie viel Geld muss das Land aufbringen? In den Verhandlungen mit den Kommunen hat Baden-Württemberg für dieses und nächstes Jahr 550 Millionen Euro zugesagt, die in den kommunalen Finanzausgleich fließen sollen. Außerdem hat es Unterstützung bei Bundesteilhabegesetz, schulischer Inklusion, Schulbegleitungen an Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) und der Ganztagsbetreuung versprochen. Alles zusammen addiert sich in diesem und nächstem Jahr auf rund 800 Millionen Euro. Zum Vergleich: Der Doppelhaushalt 2025/26 hat einen Umfang von knapp 135 Milliarden Euro.

Warum kam die Entscheidung jetzt? Dass sie nicht früher gefallen ist, dürfte neben unterschiedlichen Motiven der politischen Akteure einerseits daran liegen, dass die Verhandlungen mit den Kommunen bis vor Kurzem noch liefen. Später wiederum wäre ein Landtagsbeschluss noch vor der Weihnachtsentscheidung gefährdet gewesen. Die Kommunen brauchen Planungssicherheit fürs kommende Jahr. Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) und die Regierungsfraktionen kennen seit Kurzem die neueste Konjunkturprognose, die darüber entscheidet, welche Kreditaufnahme die Schuldenbremse im Rahmen der sogenannten Konjunkturkomponente erlaubt. Am 24./25. Oktober wird die Herbst-Steuerschätzung erwartet, dann lassen sich auch die zu erwartenden Einnahmen besser abschätzen.

Will sich das Land die fehlende Summe leihen? Nein. Mit der Neuregelung der Schuldenbremse Anfang des Jahres hat der Bund zwar auch den Ländern eine Verschuldung von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ermöglicht. Grün-Schwarz hat aber entschieden, davon in diesem Nachtragshaushalt keinen Gebrauch zu machen. Aus der Konjunkturkomponente ergibt sich nach Auskunft des Finanzministeriums im Vergleich zur Kreditaufnahme, die im laufenden Doppelhaushalt eingeplant war, sogar ein um 290 Millionen Euro geringeren Betrag für die Verschuldungsmöglichkeiten.

Wo soll das Geld herkommen? Für Mehrkosten beim Bundesteilhabegesetz gibt es Bayaz‘ Pressestelle zufolge die Möglichkeit, Geld aus der Rücklage für Haushaltsrisiken zu entnehmen. Nach Auskunft von Bayaz’ Pressestelle gilt das für die Inklusion nicht. Allerdings werde aktuell zusammen mit den Ministerien geprüft, welche Mittel 2025 tatsächlich abgeflossen sind und welche zur Verfügung gestellt werden können. „Die Finanzierung der Mehrbedarfe im geplanten Nachtragshaushalt erfolgt nach heutigem Stand aus den aktuell guten Steuereinnahmen“, sagt Bayaz‘ Sprecher. „Diese liegen bislang höher als im Haushalt geplant.“ Ob es im Jahr 2025 einen Überschuss gebe, werde dann im Jahr 2026 festgestellt.

Auf Nachfrage teilte er mit, dass aus dem Jahr 2024 ein Überschuss von 2,4 Milliarden Euro besteht, der als Reserve dienen könnte, falls die Steuerhoffnungen platzen. Er betonte allerdings, dass das Land im Vergleich zur mittelfristigen Finanzplanung mehr als fünf Milliarden Euro im Defizit liege und die Tarifrunde für den öffentlichen Dienst im Spätherbst dieses Loch noch deutlich vertiefen könne. Falls alle Stricke reißen, müsste das Land zu klassischen Konsolidierungsmaßnahmen greifen: sparen oder an der Steuerschraube drehen.

Was macht das Land mit seinen Milliarden? Ein Drittel der 13,1 Milliarden Euro, die der Bund in den kommenden zwölf Jahren aus seinem Sondervermögen nach Baden-Württemberg geben will, behält das Land selbst. Es hat ebenfalls Infrastruktur, die es sanieren oder neu bauen will – von Verkehrswegen, Hochschulgebäuden, Unikliniken und Behörden bis zu Rettungswachen sowie Erstaufnahmeeinrichtungen.

Großes Vertrauen in Palantir

Analysesoftware Experten sehen ein gut gemachtes Gesetz und ausreichend Vorkehrungen, um das Programm des US-Anbieters sicher anzuwenden.

Nach heftigen Debatten in der grün-schwarzen Koalition verständigten sich Grüne und CDU Ende Juli 2025 darauf, das Landespolizeigesetz zu ändern. Dies ist notwendig, um die Analysesoftware Gotham des US-Unternehmens Palantir zum Datenabgleich bei der Landespolizei im Kampf gegen die Kriminalität einzusetzen. Innenminister Thomas Strobl (CDU) wie die Polizeiführung hatten immer die dringende Notwendigkeit und die Alternativlosigkeit beim Anbieter betont, um schnell bei der Polizei bereits vorhandene Datenbestände zu untersuchen.

Bisher muss dies weitgehend händisch und mit großem Aufwand erledigt werden. Die Umstände des Kaufs der Software im Frühjahr für 25 Millionen Euro lange vor einer notwendigen Änderung des Polizeigesetzes hatte zu Irritationen bei den Grünen geführt, das Ministerium wiederum verwies auf die bereitgestellten Mittel im Haushalt und Zeitdruck aufgrund einer drohenden Kostensteigerung.

Am Dienstagnachmittag sprachen vor dem Innenausschuss des Landtags vier Experten in dieser Sache. Bis auf einen lobten sie ausdrücklich den Gesetzesentwurf des Innenministeriums, beziehungsweise sahen einen sicheren Betrieb mit der Software von Palantir möglich. Das demnächst zu verabschiedende neue Polizeigesetz soll strikte Leitlinien für deren Nutzung setzen, außerdem soll sie nur bis Vertragsablauf in fünf Jahren genutzt werden. Und es soll eine europäische Alternative gesucht werden. Unterdessen rollt die Protestwelle weiter, die Kritik entzündet sich wesentlich an der Person des US-Milliardärs Peter Thiel, Anteilseigner von Palantir und seine Äußerungen über die Demokratie.

Thomas Berger, Präsident des Polizeipräsidiums Technik und Logistik, eröffnete den Reigen der Befürworter, er gilt als treibende Kraft hinter der Anschaffung der Software. Er betonte: „Die Gegenseite, die Täter, gehen mit der Zeit, wir müssen die Fähigkeiten haben, die Menschen zu beschützen.“ Er könne den Einsatz dieser Software von Palantir wie jede andere Software verantworten – auf der Basis des Gesetzes.

Der Informatiker Michael Waidner, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Sichere Informationstechnologie in Darmstadt, hatte ebenfalls keinerlei Bedenken: „Wir sprechen von einem Werkzeug, das die Arbeit der Polizei übernimmt, dieses Werkzeug hat kein Eigenleben.“ Sicher gebe es Risiken, dafür aber Lösungsansätze. Der Gesetzentwurf enthalte klare Vorgaben, die Verantwortung und Prüfung liege immer beim Menschen,

Das Risiko eines externen Angriffs werde minimiert, die Arbeit finde in abgeschotteten Rechenzentren statt, nicht in einer Cloud, so der Wissenschaftler weiter. Er verwies darauf, dass sein Fraunhofer-Institut die Software von Palantir untersucht habe. „Ein sicherer Betrieb ist möglich. Entscheidend ist das IT-Management der Betreiber.“ Und über das Unternehmen: „Die Kritik entzündet sich eher an den Gründerpersonen – das halte ich nicht für zielführend.“ Er sehe aktuell keine europäischen Alternativen. „Palantir ist bisher allen überlegen.“

Johann Justus Vasel, Juniorprofessor für öffentliches Recht an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, betonte ebenfalls: In mehreren Bundesländern werde diese Software bereits eingesetzt, auch wenn teilweise die gesetzliche Grundlage nicht gegeben seien. Der Gesetzentwurf sei überwiegend gut gelungen, er könne Baden-Württemberg dazu nur gratulieren, so Vasel, Änderungen seien allenfalls in Details vorstellbar.

Als Kritiker sprach Peter Kothe, Präsident des Anwaltsvereins Baden-Württemberg. Er monierte, dass der Vertrag mit Palantir schon vor der Gesetzesänderung gemacht wurde. „Wir kennen den Vertrag nicht und wie abgesichert ist, dass keine Daten abfließen.“ Es gebe keine Software, die fünf Jahre ohne Update laufe. Der Gesetzesentwurf sei nicht am Recht der Informationellen Selbstbestimmung der Bürger ausgerichtet, sondern an den polizeilichen Erfordernissen. „Das weckt Bedenken an der ganzen Konzeption.“

Die Nachfragen der Abgeordneten im Innenausschuss drehten sich wesentlich um die technischen Sicherheitsvorkehrungen. Der Grünen-Abgeordnete Peter Seimer fragte nach einem möglichen Datenabfluss, was Berger mit dem Verweis auf vielfach gesicherte Datennetze und jahrzehntelange Erfahrung bei der Polizei beantwortete. Ihm sei kein Fall bekannt, wo jemals über den Netzbetrieb Daten abgeflossen seien.

Und der SPD-Abgeordnete Sascha Binder fragte noch einmal nach möglichen Alternativen. Bergers Antwort: „Die Fachlichkeit bei Palantir war einfach herausragend und speziell für Sicherheitsbehörden.“

ADAC warnt vor langen Staus

Ferienstart Wer am Wochenende in Baden-Württemberg unterwegs ist, muss mit viel Verkehr rechnen.

Stuttgart. Die Menschen in Baden-Württemberg müssen vor allem am Freitag auf den Straßen Baden-Württembergs mehr Zeit einplanen. Zum Beginn der Herbstferien am Wochenende rechnet der ADAC Württemberg landesweit mit dichtem Reiseverkehr und Staus.

Besonders staureich werde der Freitag. „An diesem Tag erwarten wir eine hohe Staugefahr“, sagte Holger Bach, Abteilungsleiter Verkehr und Umwelt beim ADAC Württemberg. 2024 gab es am Freitag vor den Herbstferien (25. Oktober 2024) Staus mit einer Gesamtlänge von 551 Kilometer in Baden-Württemberg. Die Wartezeit summierte sich damals auf insgesamt 228 Stunden.

Am Wochenende vom 24. bis 26. Oktober belastet die Straßen zudem der Rückreiseverkehr aus anderen Bundesländern wie Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz, in denen die Herbstferien bereits wieder enden.

Da Allerheiligen in diesem Jahr auf einen Samstag (1. November) fällt, erwartet der ADAC am Feiertag ein deutlich ruhigeres Verkehrsgeschehen. „Durch den Start der bayerischen Herbstferien könnte es jedoch am Freitag, 31. Oktober, auch in Baden-Württemberg etwas voller auf den Straßen werden“, sagte Bach. Für den letzten Ferientag am 2. November rechnet der ADAC Experte mit stärkerem Rückreiseverkehr.

Voll gesperrt

Geduld wird am letzten Ferienwochenende auf der A8 im Bereich des Albaufstiegs zwischen Mühlhausen und Merklingen gefragt sein. Dort ist die Autobahn in Fahrtrichtung München von Freitag (31. Oktober) 21 Uhr bis Montag (3. November), 5 Uhr voll gesperrt. Notwendig ist die Sperrung wegen der Erneuerung der Fahrbahn sowie Ausbesserungsarbeiten an Brücken und Geländern. Für den Fernverkehr gibt es eine großräumige Umfahrung ab dem Autobahnkreuz Weinsberg über die A6 und A7.

Mögliche Stau-Hotspots sind etwa: A5 Heidelberg–Karlsruhe, A6 Mannheim–Heilbronn, A7 Würzburg–Ulm–Füssen/Reutte, A8 Karlsruhe–Stuttgart–München oder A81 Heilbronn – Stuttgart.

„Wir helfen den Leuten“

Corona-Hilfen Im Fall unrechtmäßig zurückgeforderter Zahlungen wollen die Fraktionen großzügig vorgehen.

Stuttgart. Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Mannheim um unrechtmäßig zurückgeforderte Corona-Hilfen wollen alle fünf Landtagsfraktionen eine möglichst großzügige Regelung für betroffene Unternehmen finden. Das wurde am Mittwoch in einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses deutlich. Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) äußerte sich ähnlich, will aber die Urteilsbegründung abwarten.

Strittige Aspekte wie Liquiditätsprobleme seien in den ersten Hilfsbeschlüssen des Landtags nicht enthalten gewesen, sondern erst später durch den Bund eingeführt worden, sagte Winfried Mack (CDU). „Da sollten wir einfach zurückkehren zu dem, was wir als Landtag damals einstimmig gesagt haben: Wir helfen den Leuten.“ Der VGH hatte am 8. Oktober mehrere Musterverfahren zur Rückzahlung von Corona-Soforthilfen entschieden. Das Gericht hat dabei geurteilt, dass die Rückforderung von Soforthilfen, die vor dem 8. April 2020 beantragt wurden, rechtswidrig war. In einem weiteren Fall hatte die Rückforderung hingegen Bestand.

Der Unterschied lag jeweils im Zeitpunkt der geleisteten Hilfe: Bis zum 8. April 2020 erfolgte sie aufgrund einer Richtlinie des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums („Soforthilfe Corona“). Danach griff eine Vereinbarung zwischen Bund und Land, für die eine Verwaltungsvorschrift mit anderem Wortlaut galt. Insbesondere der Zweck, für den das Geld verwendet werden durfte, war hier enger gefasst; es wurde ein Liquiditätsengpass vorausgesetzt.

Im Oktober 2021 forderte die L-Bank die Empfänger der Soforthilfe auf, anzugeben, ob sie im Rückblick tatsächlich einen Liquiditätsengpass gehabt hatten. Sie ging andernfalls von einer Rückzahlungspflicht aus. Nach Auffassung des VGH hätte sie das für Fälle mit einem Bewilligungsformulare aus der Zeit vor dem 8. April 2020 aber nicht tun dürfen. Das schriftliche Urteil wird im November erwartet.

Dem im ersten Sitzungsteil öffentlichen tagenden Wirtschaftsausschuss präsentierte Ministerin Hoffmeister-Kraut am Mittwoch erstmals Zahlen dazu. Insgesamt gibt es gegen Entscheidungen aufgrund der Richtlinie des Landes genauso Widersprüche und Klagen wie gegen solche, die sich auf die Verwaltungsvorschrift des Bundes beziehen. Zusammen sind es 1800 Widersprüche mit einem Volumen von 13,8 Millionen Euro und 1000 offene Klagen, bei denen es um weitere 10,7 Millionen Euro geht.

Bei der kritischen Gruppe, denen die Landes-Richtlinie zugrunde liegt, sind 1300 Widersprüche offen, bei denen 10,5 Millionen Euro strittig sind, und außerdem 800 Klagen mit einem Volumen von acht Millionen Euro.

< VORHERIGE SEITE NÄCHSTE SEITE >