Kunsthalle Weishaupt Willi Siber zeigt mit „Cosmos Color“ seine bislang größte Einzelausstellung. Mit seinen Bildern und Objekten will der 76-Jährige das Publikum vor allem optisch überwältigen.
Willi Siber war früher selbst Kunsterzieher, er kennt sich also aus. Und dieses Unterrichtsmaterial hat er praktischerweise sogar selbst hergestellt. 70 einzelne Farbtafeln in verschiedenen Tönen, aufgehängt in einem makellosen Raster. „Da steckt alles drin, was die Farbenlehre zu bieten hat“, kommentiert der Künstler zufrieden. Ein Satz, der auch für die ganze Ausstellung gelten könnte: „Cosmos Color“ in der Kunsthalle Weishaupt zeigt, wie der studierte Bildhauer von der Form zur Farbe fand – und welches Spektakel er mit deren Kombination zu inszenieren imstande ist.
Siber, der in Dietenwengen bei Biberach lebt und arbeitet, ist ein Künstler, der das Publikum nicht intellektuell überzeugen, sondern optisch überwältigen will, eine Art baden-württembergischer Jeff Koons – mit Betonung auf der Herkunft. Siber, so Kunsthallen-Chefin Kathrin Weishaupt-Theopold, sei ein „Vollblut-Oberschwabe“, so wie ihr Vater, der Sammler Siegfried Weishaupt. Die „beiden Herren“ hätten sich vor etwa zwei Jahren zusammengesetzt und die Ausstellung vereinbart.
Keine Retrospektive
Man kennt und schätzt sich in der Region. Siber sitzt im Stiftungsvorstand des Museums Villa Rot in Burgrieden, seine Frau Stefanie Dathe leitet das Museum Ulm, das bis vor wenigen Wochen im ersten Stock der Kunsthalle mit „Museum neu buchstabiert“ gastierte. Für Siber hingegen hat das Haus beide Etagen eingeplant, es ist seine bisher größte Einzelausstellung. Eine Retrospektive soll „Cosmos Color“ allerdings nicht sein, betont Direktorin Weishaupt-Theopold. Eine solche gab es 2024 zum 75. des Künstlers in der „Fähre“ in Bad Saulgau.
Der Fokus in Ulm liegt auf dem Schaffen seit der Jahrtausendwende, mit ein paar Rückblicken. Diese sind erhellend und – aus heutiger Sicht – überraschend. Denn der erste Raum von „Cosmos Color“ begrüßt die Besucherinnen und Besucher mit monochrom weißen Skulpturen aus Holz. Siber, der Steinbildhauerei in Stuttgart studiert hatte, erbte nach dem Tod seines Vaters 1983 das Holzlager von dessen Schreinerei. Die wichtigsten Arbeiten dieser Phase sind biomorphe Holzkörper, über und über bedeckt mit kleinen Holzteilen wie ein Massageball mit Noppen. Siber drängte aber auch da schon an die Wand, mit Objekten aus verleimten Holzleisten.
„Meine Bilder haben immer eine dritte Dimension“, sagt Siber. Titel haben sie keine, sie heißen nüchtern „Wandobjekte“ oder „Tafelobjekte“, doch nüchtern ist an ihnen gar nichts, Siber will berauschen. Es gelingt ihm mit einem Medium, das 2002 in Amsterdam in sein Leben trat: Lack beziehungsweise Epoxidharz. Der „Cosmos Color“ hatte sich für Siber geöffnet. Hochglänzend, hochästhetisch: Kunst, die auch im Showroom eines Sportwagenherstellers ihren Platz behaupten könnte. Schon deswegen, weil Siber häufig mit Interferenzlacken arbeitet, die ihren Farbton je nach Lichteinfall und Standpunkt verändern.
Diesem Teil von Sibers Werk gehört das zweite Obergeschoss der Kunsthalle. Der Künstler arbeitet nicht in klar abgegrenzten Werkphasen, neue Findungen verfolgt und variiert er über Jahre, parallel zu anderen. Dadurch ergibt sich in der Ausstellung ein Nebeneinander von Vergangenheit und Gegenwart, viele der gezeigten Arbeiten entstanden erst 2024 und 2025. Manche Elemente kehren immer wieder, etwa an Bohnenkerne erinnernde Formen, konvex und konkav. Alles übrigens laut Siber immer aus einem Stück Holz (maschinell) gefräst, dann aufwendig manuell geschliffen und in mehreren Schichten lackiert.
Immer sind die Oberflächen perfekt, aber nicht alles erreicht dasselbe Energielevel. Zwei großformatige Diptychen spielen so virtuos mit Schärfe und Unschärfe, dass man als Brillenträger gleich die eigene Sehhilfe überprüft. An anderer Stelle sieht man eher bunte Smarties über die Wand fliegen. Eine große, aus gefalzten Rohrteilen zusammengeschweißte Plastik aus der Sammlung Weishaupt wirkt wie die pinkfarbene Pop-Antwort auf die Schrottpressenkunst von John Chamberlain. Ähnlich verknotete, kleinere Objekte aus rundem Stahlrohr wirken dagegen wie eine Spielerei.
Aber diese Ausstellung sollte man wohl nicht kleinteilig betrachten: Willi Sibers „Cosmos Color“ ist ein Gegengift zum Grau des Herbstes, eine Flucht aus der Düsternis der Gegenwart. Solche Kunst wird gerade gebraucht.