Authentisch – auch im Netz

  • Live-Schalte aus der Ukraine in den Saal: Rüdiger Linhof, Bassist der Band „Sportfreunde Stiller“, lässt Musiker aus der Ukraine bei Livestreams auf Festivals auftreten – an diesem Abend im Wiley Club. Gitarrist Alex spielt in einem Schutzbunker in Charkiw. Foto: Matthias Kessler

Digitalisierung Beim Jahrestreffen der Initiative Ulm Digital im Neu-Ulmer Wiley Club dreht sich alles um Künstliche Intelligenz, soziale Medien und ihre Bedeutung für die Gesellschaft.

Sind die sozialen Medien Fluch oder Segen? Wie wichtig ist es für Politiker und Unternehmer, dort präsent zu sein? Bei der Jahresveranstaltung der Initiative Ulm-Digital wurde das heiß diskutiert - beim Speed-Dating auf der Bühne. Die Podiumsgäste waren sich einig: soziale Medien können nützlich sein, wenn sie klug genutzt werden und die Beiträge authentisch sind. Künstliche Intelligenz kann helfen, Probleme zu lösen. Was sie nicht ersetzen kann, sind das eigene Denken und und vor das soziale Miteinander.

Es waren vielschichtige Sichtweisen und Ansichten, die die Gäste von dem Abend mitnehmen konnten. Insgesamt 13 hochkarätige Persönlichkeiten aus Bereichen wie Wissenschaft, Politik und Wirtschaft stellten sich im bis auf den letzten Platz gefüllten Wiley Club Fragen zum Thema „Social Media & KI: Auswirkungen auf die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Politik.“ Der Vorsitzende der Initiative, Heribert Fritz, hatte zu kleinen Gesprächsrunden mit thematischen Schwerpunkten eingeladen, die von SWP-Chefredakteur Ulrich Becker im 15-Minuten-Rhythmus moderiert wurden.

KI-Vordenker Chris Boos, Andreas Buchenscheit, Begründer der frühen Online-Community „Team Ulm“, und der Ulmer Professor Frank Kargl sprachen über die Anfänge des Internets, die mit hohen Erwartungen einhergingen, etwa, dass die Demokratisierung des Wissens die Menschen klüger machen würde. Ein Irrglaube, wie man heute wisse, sagte Boos: Vielmehr würden Menschen heute vom Denken abgehalten, weil im Internet auf Emotionen gesetzt würde. „Aber das müssen wir nicht mit uns machen lassen. Wir müssen einfach mehr nachdenken.“

Nur gepostet, was geklickt wird

Kargl sagte, dass die Künstliche Intelligenz zwar inzwischen fast überall eingesetzt würde, dass aber die Frage gestellt werden müsse, ob diese auch böswillig manipuliert werden könne. Professor Wolfang Schweiger von der Uni Hohenheim bezeichnete die Welt der sozialen Medien als „Bildzeitung auf Speed“ – da oft nur gepostet würde, was viel geklickt werde, zum Beispiel Verschwörungstheorien. Wer dahinterstecke und was dieser im Schilde führe, wisse man dabei meist nicht. Einen anderen Blick brachte Aurelia Heinz mit. Die 24-jährige Ulmerin und Medizinstudentin ist Influencerin, hat auf Instagram 300.000 Follower, auf TikTok 556.000. Trotz aller Erfolge, die sie mit dem sozialen Medien feiert, sagte sie klar: „Wenn ich die Macht hätte, social media abzuschaffen, würde ich es tun.“ Denn es erfordere viel emotionale Reife, um damit gesund umzugehen. Dies brächten viele Menschen nicht mit, hinzu kämen Problemfelder wie Privatsphäre, Kinderschutz oder sinkende Aufmerksamkeitsspanne.

Die Neu-Ulmer Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger hat auf ihrem Instagram-Account 10.000 Follower. Es sei kein Muss, sagte sie, aber sie empfehle allen, die politisch aktiv seien, selbst Inhalte zu posten. Der Ulmer OB Martin Ansbacher – rund 4700 Follower – bezeichnete sich zwar als weniger aktiv in diesem Bereich, wohl aber als „Ulmfluencer.“ „Man kann Dinge, die in der Stadt passieren, auf diese Weise sichtbar machen.“

Die Liste der Podiumsgäste war lang – es kamen auch Philipp Utz, Stefan Bill, Petra Engstler-Karrasch, Hubert Ketterer und Michael Fiedler zu Wort.

Ein besonderer Gast kam zum Schluss des Abends: Rüdiger ­Linhof, Bassist der Band „Sportfreunde Stiller“, lässt Musiker aus der Ukraine bei Livestreams auf deutschen Musikfestivals auftreten – und auch im Wiley Club. „Mir ist es wichtig, Realitäten mithilfe von Technologien zusammenzuführen“, sagte er und machte zwei Live-Schaltungen in die Ukraine – darunter mit Gitarrist Alex, der aus einem Schutzbunker in Charkiw in den Saal blickte. Trotz Krieg versuche er, sein Leben zu leben. „Jeder Tag ist wie ein Geschenk“, sagte er, bevor er den Gästen im Wiley ein kleines Live-Konzert mit einem Song von Oasis bot.

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