Mit den Grünen in unglücklicher Zweckehe gebunden, unter Druck der erstarkenden AfD und geführt von einem unbekannten Nachwuchstalent: Wo steht die CDU Baden-Württemberg im Herbst vor den Landtagswahlen?
Im grün-schwarzen Regierungsalltag rumpelt es zunehmend. Am 8. März 2026 wählt Baden-Württemberg einen neuen Landtag. Vier Monate noch, davon vielleicht zwei, in denen die Koalition des scheidenden Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) halbwegs geschlossen agiert. Spätestens im Januar beginnt dann der heiße Wahlkampf.
Dessen Vorboten sind längst unüberhörbar. Ob beim Verbrenner-Aus, der Mietpreisbremse oder der Stadtbild-Debatte – einig ist man sich eigentlich nie. Hinter den Kulissen jammern, fluchen und lästern die Koalitionäre ohnehin seit Jahren derart übereinander, dass man fast vergisst, wie passabel sie teils regieren.
Davon profitiert vor allem die AfD, die in Bund und Land in den Umfragen zulegt. Zwar steht die CDU (zuletzt 29 Prozent) weiter klar vorne, doch die AfD (21 Prozent) hat die Grünen (20) überholt.
Dies muss auch CDU-Spitzenkandidat Manuel Hagel beunruhigen. Er gilt seit Monaten als Favorit auf die Kretschmann-Nachfolge, doch der Vorsprung seiner Partei schmilzt. Hagel, das schneidige, aber wenig bekannte Polit-Talent aus Ehingen, sollte sich langsam festlegen, wo, wie und womit er seinen Wahlkampf zu führen gedenkt.
Harte, potenziell verlustreiche Auseinandersetzung mit den Grünen will er eigentlich vermeiden. Der Hauptgegner, versichert er seit Monaten, wird die AfD. Keine andere Partei attackiert Hagel so scharf. Der 37-Jährige will konservative Kante zeigen und zugleich für eine moderne, freundliche, offene CDU stehen. Doch manche Vertreter von CDU und AfD sind sich in Habitus, Identität und Verhalten nicht völlig fremd. Es eint der ländliche Konservatismus, das kulturelle Traditionsbewusstsein – und die Abneigung gegen die Grünen.
Deren Werte und Weltvorstellungen, ihre Staats-, Wirtschafts- und Gesellschaftsbilder, das ständige Gerede von Transformation sowie der Impetus moralischer Überlegenheit triggern viele CDU-Abgeordnete regelrecht. Dass die Grünen ihre Partei in den letzten beiden Landtagswahlen schlugen und großspurig Koalitionsbedingungen diktierten, wirkt nach.
Zudem ist Hagel gegen Grünen-Kandidat Cem Özdemir schon das entscheidende Duell. Geschieht kein Wunder, wird einer von beiden Regierungschef, denn mit der AfD will niemand koalieren. Doch Hagel meidet das Duell, geht direkten Aufeinandertreffen bisher aus dem Weg. Er weiß, er kann dabei wenig gewinnen, zumal Schwarz-Grün, also eine Fortsetzung des aktuellen Bündnisses mit vertauschten Rollen, die wahrscheinlichste Koalitionsoption nach der Wahl 2026 darstellt.
Alles nicht unkompliziert also. Die CDU liegt zwar vorne, steckt aber in einer Art Sandwich-Position zwischen Grünen und AfD fest. Den von Teilen seiner Basis ersehnten Anti-Grünen-Wahlkampf à la Friedrich Merz und Markus Söder will Hagel nicht führen. Doch der erste CDU-Reflex in Sachkonflikten besteht nun mal oft darin, gegen die Ökos auszuteilen. Es wird Zeit, dass Hagel stattdessen langsam anfängt, genauer zu erklären, wo er mit diesem Land hinwill. Demnächst steht er mit Söder auf einer Bühne. Vielleicht sieht man anschließend klarer.
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