Warnschuss mit Folgen
Russland Experten reden die Sanktionen weg. Aber tatsächlich erhöhen diese schon vorweg den Druck auf die Wirtschaft.
Moskau. Die Sanktionen seien ein Segen: Maxim Oreschkin, Wirtschaftsberater des russischen Präsidenten, reagierte bei einer Investorentagung in Wladiwostok erfreut auf die neuen Strafmaßnahmen des Westens. Die Einschränkungen, mit denen Russland belegt worden sei, hätten nur seine wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit erhöht, so Oreschkin. „In Anbetracht des positiven Effekts wird mit der Zeit jedes Land der Weltmehrheit darum bitten, dass man Sanktionen gegen es verhängt.“
Am Donnerstag hatten die USA neue Sanktionen gegen die Ölkonzerne Rosneft und Lukoil verkündet, am selben Tag veröffentlichte die EU ihr 19. Sanktionspaket. Aber nicht nur russische Experten erwarteten kaum Schäden für die eigene Wirtschaft. „Bisher ist es nicht mehr als ein Warnschuss“, kommentiert die BBC. So treten Donald Trumps Sanktionen erst in einem Monat in Kraft. Und die EU verhängte ein Importverbot für russisches Flüssiggas, das erst 2027 allgemein gelten soll. Aber der Markt reagierte heftiger, als Freund und Feind erwartet hatten. Indische Firmen begannen laut Reuters, ihre Bestellungen zu überprüfen, um sicherzustellen, dass sie kein Öl von Rosneft oder Lukoil kaufen. Vertreter indischer Raffinerien sprachen von der Bereitschaft, ihre Importe aus Russland stark einzuschränken, um Trumps neuen Sanktionen gerecht zu werden. Und Chinas staatliche Ölfirmen setzten am Donnerstag ebenfalls die Einkäufe russischen Öls auf dem Seeweg aus.
Russlands vom Rohstoffexport angetriebene Wirtschaft gerät ins Kreuzfeuer. Nach monatelangen ukrainischen Drohnenangriffen sind 38 Prozent der russischen Raffineriekapazitäten außer Gefecht, Moskau musste die lukrative Benzinausfuhr einstellen. Aber auch im Inland klettern die Preise steil. So verteuerte sich Normalbenzin in der Region Tjumen in den ersten acht Monaten 2025 um etwa acht Prozent, allein von September bis Oktober erneut um acht Prozent. Damit steigen auch die Unkosten in fast allen Branchen. Und die stecken zum Teil schon tief in der Krise.
Nach Angaben des Agrarportals sd.expert.ru schrumpfte die Menge des geernteten Getreides im ersten Halbjahr um 80,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Zum Teil klimabedingt, aber auch wegen der Treibstoffpreise, oft überteuerter und mit großen Wartezeiten gelieferter Ersatzteile für Importmähdrescher und 25-prozentigen Zinskrediten zum Kauf russischen Geräts.
Um den Kriegshaushalt 2026 zu finanzieren, wird der Staat Strom- und Gaspreise erhöhen, außerdem die Mehrwertsteuer. Auch etwa Kleinbetriebe mit mehr als umgerechnet 105.000 Euro Jahresumsatz, die bisher davon befreit waren, sollen zahlen. Nach einer Umfrage der Unternehmervereinigung Opora denken ein Drittel der Betroffenen daran, dichtzumachen, ein weiteres Drittel will in die Schattenwirtschaft wechseln.