„Führende KI-Plattform in Europa“

IPAI Beim Spatenstich nehmen neben Bundeskanzler Friedrich Merz auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Bundesforschungsministerin Dorothee Bär sowie rund 250 weitere hochrangige Gäste teil.

Für Friedrich Merz hatte das Ganze irgendwie etwas vom Tag der Glühbirne. Im launigen Auftakt seiner Rede im Festpavillon verglich er die Bedeutung des Innovation Park Artificial Intelligence (IPAI) mit Menlo Park in New Jersey, USA. Dort hatte auf den Tag genau vor 146 Jahren Thomas Alva Edison seine bahnbrechende Erfindung präsentiert. „In Menlo Park begann die Elektrifizierung der Welt“, so der Bundeskanzler. „Im Innovation Park entsteht etwas in einer ganz neuen Dimension für die vierte industrielle Revolution.“

Merz nannte den Bau des neuen Campus am Steinäcker im Norden Heilbronns eine „großartige Wette auf die Zukunft“. Das geplante, 30 Hektar große Areal stehe für „Public-Private-Partnership der Extraklasse“ und setze ein breites Signal „weit über die Grenzen unseres Landes hinaus“. Der Ansatz des IPAI, technologischen Fortschritt in Wachstumspotenziale für die Industrie umzusetzen, fördere Wohlstand und Wachstum in der Bundesrepublik. „Der IPAI hat das Potenzial, die führende KI-Plattform in Europa zu werden.“ Merz sah darin auch einen direkten Beitrag zur Strategie der Bundesregierung, Deutschland zu einer führenden KI-Nation zu machen. Mit einem Anteil von 5,7 Prozent am Bruttoinlandsprodukt läge Baden-Württemberg allerdings weit über den 3,1 Prozent des Bundes bei den Investitionen in Forschung und Entwicklung.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann nannte Künstliche Intelligenz das „Betriebssystem unserer Wirtschaft“. Der IPAI werde „die gesamte Wertschöpfungskette der KI abbilden.“ Zumindest im geschäftlichen Bereich habe der Campus damit die Chance, „in der Champions League zu spielen“. Der Dieter-Schwarz-Stiftung, einem der Hauptgeldgeber für das Großprojekt, bescheinigte Kretschmann „großartiges Mäzenatentum“. Stiftung und Land steuern jeweils 50 Millionen Euro zum Aufbau des IPAI in mehreren Tranchen bei.

Der Geschäftsführer der Dietrich-Schwarz-Stiftung, Reinhold Geilsdörfer, betonte die Rolle der Schwarz-Unternehmensgruppe als „Hauptakteur, ohne den das Projekt nicht möglich wäre“. Zu der Gruppe gehören neben den Discountern Lidl und Kaufland unter anderem auch das IT-Haus Schwarz Digits, das wiederum Teil des IPAI ist.

Der Spatenstich schlägt das nächste Kapitel einer Erfolgsstory auf, die 2022 mit dem Aufbau der Innovationsplattform begann und an der sich heute zahlreiche Unternehmen beteiligen – darunter DAX-Konzerne wie Telekom, Audi und SAP sowie Mittelständler wie Fischer, EBM-Papst und Gemü. Mit modernen Arbeits- und Innovationsräumen, Co-Creation-Projekten und Matchmaking-Formaten unterstützt der IPAI Unternehmen dabei, Potenziale Künstlicher Intelligenz zu identifizieren und in konkrete Anwendungen zu überführen. Ergänzt wird das Angebot durch Qualifizierungsprogramme, spezialisierte KI-Infrastruktur-Services sowie den Zugang zu einem Netzwerk aus Partnern und Mitgliedern.

Kommentar

Bitte mehr „Utopisten“

Historisch? Mit solchen Begriffen sollte man wählerisch umgehen. Wenn große Ereignisse immer gleich als historisch gelten, blickt man irgendwann in den Geschichtsbüchern nicht mehr durch. Dennoch: Für die Region Heilbronn-Franken war dieser Dienstag so ein Datum. Und es ist nicht übertrieben, wenn man dem Ganzen eine bundesdeutsche Dimension beimisst. Denn so etwas wie den IPAI-Campus, der jetzt in Heilbronn gebaut wird, gibt es kein zweites Mal hierzulande: ein „Tempel“ für Forschung und Entwicklung rund um Künstliche Intelligenz, in dem Wissenschaftler, Studierende und Unternehmen Hand in Hand arbeiten und an den neuesten Anwendungen für die Wirtschaft tüfteln.

Übertrieben? Keineswegs. Die Initiative Baden-Württembergs und der Dieter-Schwarz-Stiftung ist bitter nötig in einem Land, das nur noch zwischen Stillstand und Frust zu taumeln scheint. Zu hohe Energiekosten, zu viel Bürokratie, miserable Infrastruktur – die Klageliste ist lang. Und sie ist natürlich auch berechtigt. Doch der IPAI in Heilbronn zeigt auf, was Wirtschaft zu einem großen Teil auch ausmacht: Psychologie. Das so oft beschworene „einfach mal machen“. Freilich, wenn Fördersummen von 100 Millionen Euro und mehr fließen, ist dieses Machen denkbar einfach. Aber die Mittel würden eben auch nicht fließen, wenn nicht Menschen an den Geldhähnen säßen, die vom unbedingten Glauben an das Machbare überzeugt wären.

Utopisch? Wenn dieser Glaube an das Machbare keine Substanz hätte, wäre die ganze Euphorie nicht nur umsonst, sondern fahrlässig. Ja, die Konkurrenz ist übermächtig. In den USA und China werden Budgets für KI in die Hand genommen, da bekommt man in Deutschland gleich Schluckauf. Aber wieso sich überhaupt in einen Wettbewerb stürzen, den man nicht gewinnen kann? Der IPAI fährt folgerichtig auf einer ganz anderen Spur: Am Campus wird nicht die x-te generative Chat-KI entstehen. Hier wird an der industriellen Revolution des 21. Jahrhunderts geforscht: KI-Technologien gezielt für die Wirtschaft.

Sinnvoll? Mehr als das: überfällig. Dass Deutschland den Fachkräftemangel nicht mehr in den Griff bekommen wird, ist ein offenes Geheimnis. Die Zukunft liegt in der fortschreitenden Automatisierung von Prozessen. Und hierfür ist KI prädestiniert. Sie wird leider sicherlich Arbeitsplätze ersetzen. Aber eben auch fehlende Arbeitskräfte.

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