Hilferuf an von der Leyen
Überbordende Bürokratie, obsessive Detailverliebtheit und Gesetzsprechung ohne Augenmaß: In einem Brief fordern 19 Staatschef den Abbau hemmender Vorschriften, um Europa wieder wettbewerbsfähig zu machen. Aber ist die Kommissionspräsidentinüberhaupt der richtige Adressat?
In einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fordern 19 Staatschefs von der EU eine drastische Entbürokratisierung, weniger Regelungswut und den Abbau von hemmenden Vorschriften, um Europa wieder wettbewerbsfähiger zu machen.
Ist das der richtige Ansatz? Teilweise. Natürlich gibt es eine ausufernde Leidenschaft der Brüsseler Zentrale, jeden Lebensbereich zu verrechtlichen. Natürlich gibt es viel Kleinteiligkeit und eine obsessive Detailverliebtheit bei der Ausgestaltung von Richtlinien. Das kann ein Hemmnis für Unternehmen sein. Und dort, wo diese Hemmnisse überflüssig sind, müssen sie weg.
Richtig ist auch die Stoßrichtung des Briefes: Europa verliert auf den Weltmärkten den Anschluss und das muss sich ändern, will der Kontinent eine Wohlstandsregion bleiben. Aber es ist eine populistisch verkürzte Sichtweise, die Brüsseler Bürokratie für die Terrainverluste auf den globalen Märkten verantwortlich zu machen. Tatsächlich verliert Europa ökonomisch an Boden, weil es den dramatischen technologischen Wandel nicht offensiv annimmt. Die Union hat sich als Gemeinschaft für Kohle und Stahl gegründet und in den Köpfen mancher Regierungen ist dieses Denken immer noch tief verhaftet. Aber die Welt stellt sich um. Die traditionellen Industrien, vom Maschinenbau bis zur Energiebranche, verändern sich rasant. Digitalisierung, der Einsatz Künstlicher Intelligenz und die Umstellung auf nachhaltige Energiequellen verändern Produkte und Produktion.
Die EU ist hier sehr oft Antreiber und Ermöglicher. Die Verhinderer eines mutigen Umbaus sitzen zumeist in den nationalen Regierungen, leider auch in Deutschland.