Notenbank im Blindflug

USA Kurz vor der nächsten Entscheidung über die Leitzinsen fehlen der Federal Reserve wichtige Daten zu Arbeitsmarkt, Inflation und Verbraucherpreisen.

Schlechter könnte das Timing kaum sein: In einer Woche wird die US-Notenbank – die Federal Reserve (Fed) – ihren nächsten Zinsbeschluss fassen und voraussichtlich den Geldhahn weiter aufdrehen. Seit Anfang des Monats tappen die Währungshüter aber im Dunkeln. Aufgrund des Verwaltungsstillstands in Washington veröffentlicht die Regierung keine Konjunkturdaten mehr. Folglich liegen der Zentralbank keine aktuellen Daten zur Inflation und der Lage am Arbeitsmarkt vor. Könnte das Fehlen wichtiger Konjunkturdaten einer weiteren Zinssenkung, die vor wenigen Wochen als sicher galt, im Wege stehen?

Grund für den Shutdown ist der Streit um eine Beibehaltung staatlicher Zuschüsse für Krankenversicherungsprämien. Republikaner lehnen die Fortsetzung der Subventionen ab, weil diese über zehn Jahre 350 Milliarden Dollar kosten würden. Demokraten beharren aber darauf, dass sie fortbestehen. Der Disput verhinderte die Verabschiedung eines Haushalts für das neue Fiskaljahr, das am 1. Oktober begann. Aufgrund des Stillstands sind über 750.000 Bundesbedienstete, die als „nicht essentiell“ angesehen werden, seit Anfang Oktober beurlaubt.

Das wiederum hat gravierende Folgen für die Notenbank. Deren Blindflug begann nämlich gleich am ersten Tag des Shutdowns. So konnte das Bureau of Labor Statistics (BLS) des Arbeitsministeriums weder das Stellenwachstum noch die Arbeitslosenquote für September veröffentlichen. Diese sind aber wegen der deutlichen Abschwächung am Jobmarkt für die Fed unverzichtbar.

Vergangene Woche sollte dann das BLS die Verbraucherpreise für den Monat September veröffentlichen. Diese sind wichtig, weil die Preise aufgrund der Einfuhrzölle von US-Präsident Donald Trump wieder steigen. Das wiederum bringt die Notenbank in ein Dilemma: Wie weit kann sie die Zinsen senken, um den Arbeitsmarkt zu beleben, ohne mit billigem Geld aber die Inflation zu befeuern?

Der Verbraucherpreisindex fehlt der Notenbank aber ebenso wie die Erzeugerpreise und die Einfuhrpreise. Selbst private Wirtschaftsinstitute wie das Conference Board haben wegen des Shutdowns wichtige Berichte auf Eis gelegt, zuletzt die Frühindikatoren. Nicht einmal die Notenbank selbst konnte ihre eigenen, aktuellen Zahlen zur Industrieproduktion publizieren. Weitere Opfer des Shutdown sind Erstanträge auf Arbeitslosengeld, Industrieaufträge und Bauausgaben.

Immerhin haben die Währungshüter Kreativität bewiesen. Sie verwenden mittlerweile „alternative Indikatoren“. So veröffentlichte der Fed-Ableger in Chicago den „Chicago Fed Unemployment Rate Nowcast“ (CHURN). Das Modell kombiniert wöchentlich aktualisierte Strömungen am Arbeitsmarkt, also den Netto-Effekt von Neueinstellungen und Stellenstreichungen, mit herkömmlichen Daten. Als alternative Indikatoren verwendet die regionale Notenbank die Zahlen verschiedener privater Quellen.

Gleichwohl will Austan Goolsbee, Präsident der Chicago Fed, die Probleme um keinen Preis beschönigen. „Das BLS veröffentlicht den weltbesten und umfassendsten Arbeitsmarktbericht“, so der frühere Chefökonom von Ex-Präsident Barack Obama. „Je länger uns die Daten fehlen, desto weiter werden die Schätzungen von der Realität entfernt sein“. Notenbankchef Jerome Powell bezeichnet die Zahlen als „Goldstandard“. Er sagte kürzlich, dass „uns vor allem die Daten vom Oktober fehlen werden. Wenn der Verwaltungsstillstand noch länger dauern sollte, dann könnte es zu einer echten Herausforderung für die Geldpolitik werden“.

Was aber bedeutet der Blindflug für den nächsten Zinsbeschluss Ende Oktober? Trotz der fehlenden Daten gehen die meisten Ökonomen davon aus, dass die zwölf stimmberechtigten Mitglieder des FOMC den Leitzins um weitere 25 Basispunkte senken werden. Das sogenannte FedWatch Tool der CME Group schätzt die Wahrscheinlichkeit einer Lockerung sogar auf über 90 Prozent. In diesem Sinne haben sich auch Mitglieder des Notenbankvorstands geäußert. Deren Tenor: Trotz des Shutdown und dem Fehlen der Daten hätten sie einen Job zu tun und müssen vorläufig mit der wenigen Information auskommen, die ihnen zur Verfügung steht.

Zahlreiche Ausnahmen geplant

Brüssel. Im Streit um ein Gesetz gegen Abholzung will die EU-Kommission zahlreiche Unternehmen aus der Verantwortung nehmen. Brüssel schlug am Dienstag eine Gesetzesänderung vor, nach der nur der erste Importeur auf den EU-Markt Angaben zur Herkunft von Produkten wie Kakao- oder Kaffeebohnen machen müsste. Ein bereits angekündigter Aufschub der Regeln soll jedoch nur für kleine Firmen gelten.

Das EU-Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten verbietet den Verkauf von Produkten, deren Anbaugebiete nach 2020 abgeholzt wurden. Neben Kaffee, Kakao und Palmöl gilt dies auch für Soja, Kautschuk und Rindfleisch. Unternehmen sollen die Einhaltung mithilfe von satellitengestützten Ortsdaten in den Anbauländern sicherstellen und an Brüssel berichten.

Die Vorschriften greifen derzeit noch nicht, stehen aber seit Monaten in der Kritik. Waldbesitzer und Unternehmen der Lebensmittelindustrie befürchten einen zu hohen Verwaltungsaufwand. International hagelte es Beschwerden von Handelspartnern der EU, darunter Brasilien und Indonesien, weil die Anforderungen aus Brüssel am Ende bei den Bauern vor Ort liegen.

Auf Druck der Handelspartner und der EU-Länder selbst war das Gesetz schon einmal aufgeschoben worden, neuer Stichtag ist der 30. Dezember dieses Jahres. Roswall schlug nun vor, die Frist für kleine Firmen mit weniger als 50 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von bis zu 10 Millionen Euro um ein weiteres Jahr zu verschieben. Alle anderen Unternehmen sollen eine Übergangsfrist bis Mitte des kommenden Jahres bekommen, in denen keine Strafen fällig würden. Mit den vorgeschlagenen Änderungen beträfen die Vorschriften insgesamt deutlich weniger Unternehmen. Bislang sieht das Gesetz eine Dokumentationspflicht für die gesamte Lieferkette vor.

Noch ist unklar, ob eine solche Ausnahme mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) konform wäre. Das Gesetz sieht in seiner aktuellen Form bereits drei verschiedene Risiko-Kategorien vor. Alle EU-Länder werden darin einem niedrigen Risiko zugeordnet.

Umwelt EU will Pflichten im Rahmen des Gesetzes über Lieferketten vor allem für kleinere Betriebe erneut lockern.

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