Würdigung Im Ostalbkreis wird die Ehrenamtskarte des Landes erprobt, sie findet großen Anklang. Im Landkreis Schwäbisch Hall zögert man noch.
Das Ehrenamt ist das Rückgrat der Gesellschaft, so hört man es immer wieder. Und wie es so ist mit Rückgraten: Man merkt erst, wie wichtig sie sind, wenn sie schmerzen. Damit das nicht passiert, hat das Land Baden-Württemberg die Ehrenamtskarte ins Leben gerufen – eine Bonuskarte für freiwillig Engagierte. Nach Modellversuchen mit Start in 2023 in den Landkreisen Calw und Ostalb sowie den Städten Freiburg und Ulm soll die Karte in diesem Jahr „sukzessiv in ganz Baden-Württemberg eingeführt“ werden. So steht es auf der Website des Landesministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration. Wer viele Stunden leistet – ob im Sportverein, bei den Landfrauen oder bei der Freiwilligen Feuerwehr – soll ein bisschen Dank zurückbekommen, etwa durch ermäßigte Eintritte in Museen oder Schwimmbäder. Klingt gut. Nur: Im Landkreis Schwäbisch Hall ist die Idee bislang noch nicht in der Umsetzung.
Weitere Korrekturen gefordert
Auf Nachfrage spricht das Landratsamt von „offenen Fragen bei Organisation, Abwicklung und Dokumentation“. Das Land habe zwar die finanziellen Bedingungen verbessert, aber, so schreibt Larissa Massorz aus der Pressestelle der Landkreisverwaltung, „die dauerhafte Finanzierung ist weiterhin nicht gesichert“. Außerdem gebe es Bedenken wegen des „hohen bürokratischen Aufwands“ und wegen der Frage, wer eigentlich mögliche Rabatte für Schwimmbad oder Museum am Ende bezahlt. „Wir begrüßen die Bemühungen des Landes, das Ehrenamt zu würdigen und zu unterstützen. Damit dies aber flächendeckend zu einem Erfolgsmodell werden kann, sind weitere Korrekturen durch das Land notwendig“, so das Landratsamt.
Attraktivität wird steigen
Während im Kreis Hall noch geprüft wird, schauen Nachbarn wie der Ostalbkreis schon auf ein Erfolgsmodell: Über 5000 Ehrenamtskarten sind dort seit 2023 ausgegeben worden, rund 50 Einrichtungen machen mit. Neben klassischen Vergünstigungen gibt es sogar über den Verkehrsverbund OstalbMobil einen Rabatt auf das Deutschlandticket. Und bald soll eine App folgen – Ehrenamt digital, sozusagen. „Der bürokratische Aufwand ist überschaubar“, sagt Pressesprecherin Susanne Dietterle. Man könnte fast meinen, sie wolle dem Nachbarlandkreis Mut machen. „Nachdem mittlerweile weitere Kommunen und Kreise die Ehrenamtskarte eingeführt haben oder einführen werden, wird die Attraktivität der Karte weiter steigen“, ist sie überzeugt. Im Landratsamt in Aalen habe man zudem eine Koordinierungsstelle Ehrenamtskarte eingerichtet – in Form einer Teilzeitstelle.
Gut investierter Arbeitsaufwand
Noch ein Stück weiter östlich, im bayerischen Ansbach, ist man schon lange weiter. In Bayern gibt es eine Ehrenamtskarte seit über zehn Jahren. „Seit der Einführung im Jahr 2013 wurden bei uns bisher 6734 Folgeanträge, 10.790 neue Anträge auf die blaue Karte und 4730 neue Anträge auf die goldene Ehrenamtskarte bearbeitet. Zudem wurden bis dato 804 digitale Ehrenamtskarten ausgestellt“, teilt Fabian Hähnlein vom Referat Öffentlichkeitsarbeit des Landkreises Ansbach mit. Im bayernweiten Vergleich seien im Landkreis Ansbach die mit Abstand meisten Ehrenamtskarten ausgegeben worden. Die Verwaltungsarbeit rund um die Ehrenamtskarte sei im „Bündnis für Familie“ angesiedelt, dessen Büro Teil des Landratsamtes Ansbach sei. „Den Arbeitsaufwand sehen wir als gut investiert an, da die Wertschätzung und Förderung der ehrenamtlichen Arbeit große Bedeutung hat. Beispielsweise veranstaltet das Bündnis einmal im Jahr einen Ehrenamtsabend, zu dem Besitzer der Ehrenamtskarte eingeladen werden“, so Hähnlein. Sowohl die Zahlen zur Vergabe der Ehrenamtskarte als auch die Resonanz zu Veranstaltungen wie dem Ehrenamtsabend zeigten „breite Akzeptanz und große Beliebtheit“.
Im Landkreis Schwäbisch Hall bleibt man vorsichtig. Zu viele offene Fragen: Organisation, Abwicklung, Dokumentation – und wer das alles bezahlen soll. Einen Fürsprecher im Kreistag hat die Ehrenamtskarte: Friedrich Bullinger von der FDP-Fraktion hat im Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Schulen nach dem Stand der Umsetzung des Projekts gefragt. „Bayern zeigt doch, wie man es machen kann“, sagt Bullinger auf Nachfrage. „So etwas müssen wir bei uns auch haben.“ Jeder Landkreis könne selbstständig tätig werden. Natürlich würden Kosten entstehen, aber „das Ehrenamt hat keinen Preis, es ist unbezahlbar“. Eine vergleichbare Karte könne beispielsweise durch die Landkreisstiftung finanziert werden: „Es müssen ja keine Millionen sein.“ Einfaches Schulterklopfen für ehrenamtliches Engagement reiche nicht aus, eine wirkliche Anerkennung müsse her.